Silber - die drei Bücher der Träume: Mia und Grayson

Kapitel 2

"Wir hatten uns für heute Nacht verabredet, schon vergessen?", erinnerte ich ihn.
"Hä was?", machte er fragend doch dann hellte sich sein Gesicht auf. "Ah ich weiß, das ist ein Traum, oder?" Er lächelte beschämt. Ich nickte.
"Ich hatte mich schon gewundert, warum ich wieder in der Schulkantine esse", sagte er peinlich berührt. Ich grinste spöttisch. "Du hast sie dir aber gut in Erinnerung behalten!", ich versuchte so viel Anerkennung wie möglich in meine Stimme zu legen.
"Haha ja danke, das liegt wahrscheinlich daran, dass sich die ganze Szene mit Mrs Lawrence vor ein paar Jahren genauso abgespielt hat", er lächelte gequält und mir kam soeben die Erleuchtung. "Ach das war, als der ganze Zirkus mit Arthur losging, richtig?"
"Ja genau." Ein paar Sekunden lang schwiegen wir. Ich sah wieder zu Mrs Lawrence. Sie redete mittlerweile irgendwelches wirres Zeug über Mr Vanhagen und darüber von ihm betrogen worden zu sein. Grayson räusperte sich kurz und ich blickte wieder zu ihm. Gott, er hatte echt verdammt schöne Augen wie Karamell und... "Ich glaube ich änder mal eben die Location", unterbrach er meine Gedanken.

Ja, so eine Schulkantine ist so ziemlich der unpassenste Ort für ein Date, es sei denn man befindet sich auf dem muffigen Schulklo... stopp!, wies ich meine Gedanken zurecht. Das hier war kein Date! Grayson wollte mir sicher nur irgendwas Harmloses zeigen, wie ein neues Buch oder eine Detektivaufgabe für mich. Deswegen sollte ich ihn heute Nacht besuchen. Und überhaupt, wann war ich überhaupt zu so einer Dumpfbackentante mit rosaroten Herzchen vor Augen geworden, die ich früher so gehasst hatte. Hatte ich mir nicht geschworen mit dem ganzen Liebeskram zu warten, bis ich meinen Collegeabschluss hatte? Tja, da hatte mir mein Schicksal ja einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht. Grayson hatte derweil die Schulkantine in einen Kinosaal umgetauscht und hatte auf die Sitze neben uns jeweils eine Packung Popcorn und einen riesigen Becher Cola gezaubert. Ich war ehrlich erstaunt. Er hatte sich in letzter Zeit echt um einiges gebessert. Früher hatte er immer gemeint, dass ihn der ganze Kram mit den Träumen nicht interessierte und dass er keine Lust hatte zu lernen, wie man sich verwandelte oder seine Träume anders gestaltete. Jedoch hatte ich ihn mit der Zeit überredet mit mir zu üben und mittlerweile konnte er sich super in eine Fledermaus verwandeln und seine Träume nach Orten gestalten, an denen er schon war.
"Welchen Film schauen wir denn?", fragte ich unsicher und nervös, weil mich das Kino doch allzu sehr an Date erinnerte.
"Ich hatte an den neuen James Bond gedacht", meinte Grayson.
"Der neue James Bond? Der ist doch noch gar nicht draußen, du kannst doch nicht gar nicht wissen, wie der sein wird", warf ich ein.
"Das hier ist ein Traum, schon vergessen? Ich kann mir also auch einen ganz neuen James Bond Film ausdenken!" Er sprach mit dieser leicht überlegenen Stimme, die irgendwie lässig, aber auch verführerisch war und... ach Mist ich konnte nicht anders, als ihn einfach mega toll zu finden!
"Okay, dann bin ich mal gespannt, ob du es schaffst, eine Handlung zu kreieren, die genauso kompliziert und verwirrend ist, wie die in den richtigen James Bond Filmen", sagte ich herausfordernd. Grayson zog eine Augenbraue hoch, nickte dann aber.
"Und ich bin gespannt, ob du schon vor der Auflösung sagen kannst, wer der Mörder ist!", sagte er. Hah, diese Herausforderung nahm ich liebend gerne an und nickte auch. "Abgemacht!"
Grayson ließ den goldenen Vorhang öffnen und dunkelte den Raum ab. Erst jetzt fiel mir auf, dass wir ganz alleine hier im Kino waren. Mir lief ein Schauer über den Rücken und mein Herz drohte vor Aufregung aus der Brust zu springen. Der Film ging sofort los. Keine Werbung. Keine Filmvorschau. Grayson hatte alles wirklich unheimlich echt wirken lassen, und ich fragte mich, ob er die Geschichte des Films vorher aufgeschrieben hatte. Im Laufe des Films wanderte meine Hand wie von selbst in seine und wüsste ich, dass wir uns morgen beide an diesen Traum nicht mehr erinnern könnten, hätte ich das Ganze einfach nur genossen. Aber wir würden beide bis morgen kein einziges Detail vergessen haben, weswegen weiterhin die Zweifel an mir nagten, ob Grayson es wirklich ernst mit mir meinte. Auf der anderen Seite würde er sicher niemals so weit gehen, mit den Gefühlen seiner kleinen Stiefschwester zu spielen. Trotzdem, vielleicht sollte das Ganze auch gar nicht nach Date aussehen, sondern er wollte mich einfach nur auf die Probe stellen, ob ich sein Rätsel knacken konnte. Ahhrrr es war zum verrückt werden! Wieso hatte ich nicht für Grayson einfach nur Geschwisterliebe empfinden können? Natürlich wünschte ich mir endlich mal das gleiche Gefühl zu spüren, dass Livvy immer mit Henry hatte. Die zwei waren nach der Schule an die gleiche Uni gegangen und immer noch glücklich verliebt. Aber wieso hatte sich mein Unterbewusstsein unbedingt Grayson ausgesucht? Ich versuchte, mich erneut auf den Film zu konzentrieren. Wenn ich ihm nicht genau folgte, würde ich nie vorher rausfinden, wer der Mörder war und Graysons überlegenen Blick wollte ich um jeden Preis vermeiden. Ich versuchte, die Gänsehaut zu unterdrücken, die mich überkam, als Grayson begann mit seinem Daumen kleine Kreise auf meinen Handballen zu streichen.

Konzentrierdich! Konzentrier dich! Sicher machte Grayson das extra! Wahrscheinlich hatteer schon gemerkt, wie nervös ich bei seinem Anblick wurde und nutzte das jetztschamlos aus.jW~