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Der See liegt glasklar vor mir und ich erkenne verschwommen mein Spiegelbild. Ich strecke eine Hand aus, nur um sie gleich darauf wieder zurückzuziehen. Etwas hält mich auf. Hinter mir knackst ein Zweig. Erschrocken wirbel ich mich um. Da steht er wieder. Der Junge. Und er hält etwas in der Hand. Ich sehe ihn an und mustere ihn wie so oft in letzter Zeit. Seine Augenfarbe kann man in der Dunkelheit nicht erkennen, aber ich weis dass sie blau sind. Eisblau. Unter seinen Augen erkenne ich trotz der Nacht, dunkle Schatten, und ich frage mich, weshalb er sie mit so einer Selbstverständlichkeit mit sich herum trägt. Mein Blick geht hoch zu seinen Haaren. Ansonsten trägt er sie immer glatt und nach hinten gegelt, aber heute sind sie verstrubbelt, und stehen in alle Richtungen ab. Er trägt trotz der Kälte nur einen leichten Pulli und jeans. Im großen ganzen sieht er eigentlich nur wie ein übernächtigter Teenager aus, wäre da nicht die Tatsache, dass er Nachts mit mir, in meinem Garten, an meinem See stehen würde und mich die ganze Zeit unverwand anstarren würde. Und das Päckchen in seiner Hand machte mir auch irgendwie Angst. Zuhause liegen noch drei weitere. Er hatte sie mir in der Schule, im Supermarkt und im Shoppincenter gegeben. Jedes Mal kam er geräuschlos, drückte mir das Päckchen in die Hand, sah mir tief in die Augen, nickte und ging wieder geräuschlos davon. Heute gab er mir das Päckchen, er sah mir auch in die Augen, aber gehen tat er nicht. Er stand mir einfach nut gegenüber und sah mich an. Nach einer Weile wurde mir unbehaglich und ich drehte mich um. Ich hörte nichts, doch als ich vorsichtig meinen Blick hob, war er verschwunden und nur das Päckchen blieb.

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