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Die Hälfte von dem, das in dem Meeting geredet wurde, habe ich nicht verstanden. Ich habe keine Ahnung von Marketing beziehungsweiße, was vorteilhaft ist und was nicht, da das alles nicht in den Bereich fällt, in dem ich etwas machen will. Das ist auch der Grund, wieso ich mich die ganze Zeit über zurückhalte und gar nichts sage. Die Männer reden über Vermarktung und Planung und dass sie wohl gerade eine weitere Firma an Land gezogen haben, für diese sie einen Auftrag erfüllen sollen. Dass es um viel Geld geht habe ich bereits mitbekommen. Als sie dann über ein neues Thema reden, klinke ich mich aus.

Mr. Styles sitzt die meiste Zeit nur still da, hört zu und nickt oder schüttelt den Kopf. Die meiste Arbeit hier wird wirklich von den Mitarbeitern gemacht, er zeichnet nur alles ab und kassiert das Geld. "Mrs. Lane was sagen Sie denn dazu?", Styles sieht mich genau an, hat sie Arme vor seiner Brust überkreuzt. "Zu was soll ich etwas sagen?", ich habe wirklich keine Ahnung, über was sie hier eigentlich reden. "Kurzfassung. Ein großer Autohersteller macht zurzeit recht viel Profit, wir überlegen Aktien zu kaufen. Sinnvoll oder nicht sinnvoll?", er schmunzelt leicht und eigentlich hatte ich erwartet, dass er mich anschreien wird oder sagen wird, ich solle doch aufpassen. "Das ist nicht wirklich mein Gebiet.", versuche ich mich rauszureden, weil ich wirklich nichts falsches sagen will. "Das ist nicht wichtig. Überlegen Sie, ich weiß, dass Sie dazu etwas sagen können.", ermutigt er mich und ich bin erstaunt, dass er so ruhig ist. "Wissen wir, ob es ein internationaler oder nationaler Verkauf ist?", ich suche in den dunkelsten Schubladen meines Gehirns, weil ich mich erinnern kann, so etwas schon einmal irgendwo in einem Schulbuch gelesen zu haben. "International.", wird von der anderen Seite des Tisches gesagt und ich nicke. "Dann ist es meiner Meinung nach nicht sinnvoll.", beschließe ich. "Warum?", Mr. Styles lächelt mich leicht nickend an und zeigt mir damit, dass ich die richtige Antwort gegeben habe oder zumindest er der gleichen Meinung ist, allerdings wissen will, wieso ich so entschieden habe. "Wenn der Händler in verschiedene Länder exportiert und irgendetwas nicht richtig sein sollte, egal was, sodass er alles wieder zurück nehmen muss - solche Fälle gab es ja auch schon - dann würde er mehr verlieren, als er jetzt eingenommen hat und das Risiko ist zu hoch.", erkläre ich meine Theorie und als Mr. Styles langsam und leise zu klatschen beginnt, weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe.

Eine knappe halbe Stunde später sitzen wir in seinem Büro, er in seinem schwarzen Stuhl hinter, ich auf einem vor seinem Tisch. Nachdem wir aus dem Meeting gekommen waren, hatte er mir auf die Schulter geklopft und meinte, dass ich gute Arbeit geleistet hätte. Gerade gehen wir meinen vorläufigen Arbeitsvertrag durch, immerhin würden wir alle ja auch etwas verdienen. Es ist nicht viel, aber immerhin etwas. Das Wichtigste, und das müssen sie auch hier nocheinmal extra Unterschreiben, ist die Diskretion. Sie erfahren hier viel, Sie sind bei Meetings und Gesprächen dabei und Sie dürfen niemanden, nicht einmal Ihrer Familie oder engsten Freunden erzählen was hier besprochen wird, haben Sie das verstanden?", er hat sich etwas nach vorne gelehnt und die Unterlagen auf der Holzplatte abgelegt. "Ja habe ich.", ich nicke und lese die Paragraphen durch, die mir vorgelegt wurden, bevor ich unterschreibe. Das war das erste, das mein Vater mir beigebracht hat, nichts unterschreiben, bevor man es nicht gelesen hat. "Das wär dann erst einmal alles, Sie können an Ihren Arbeitsplatz gehen, dort liegen ein paar Ordner, die Sie bitte sortieren müssten. Es steht alles auf einem Zettel dabei.", erklärt er mir und nachdem er auf die Uhr gesehen hat sagt er mir noch, wann ich Mittagspause hätte.

Als ich wieder alleine an meinem Tisch sitze und die Ordner sortiert und abgegeben habe, mache ich mir meine Gedanken. Ich hatte Mr. Styles völlig falsch eingesetzt, zumindest so weit ich das bis jetzt beurteilen kann. Klar sage ich immer noch, dass er oberflächlich und arrgant wirkt aber gegen meiner Erwartungen ist er bisher nicht einer der strengen Chefs sondern eher geduldig und erklärt etwas, wenn nötig auch dreimal. Auch die Mitarbeiter, die ich bis jetzt kennenlernen durfte, scheinen alle sehr freundlich zu sein und generell das Klima hier ist sehr Freundschaftlich und Familiär.

Kurz bevor meine Mittagspause beginnt, klopft es an meiner Tür und Tina und Marc kommen herein. "Heilige Scheisse Tammy.", entfährt es ihr, als sie sich in meinem vorübergehenden Büro umschaut. Auch Marc sieht sich beeindruckt um und ich erfahre, dass die beiden kein eigenes Büro haben sondern in einem großen Raum nur ihren kleinen Arbeitsplatz haben. "Wollen wir runter in die Kantine? Ich habe gehört es gibt heute Lasagne.", schlägt Marc vor, wozu wir nur zustimmen können. Ich sperre mein Büro zu und folge den beiden nach unten. Als wir dort ankommen sitzt kaum jemand an den Tischen, nur die Studenten. Wahrscheinlich haben die anderen Mitarbeiter erst nachher Pause, da es hier nicht so aussieht, als würden alle Platz haben. Wir haben gerade unser Essen geholt und uns auf die Terrasse die nach hinten führt gesetzt, als Mr. Styles mit zwei weiteren Männern ebenfalls auf diese tritt. Wie auch wir hat er eine Lasagne auf seinem Teller und wenn ich ehrlich bin, hätte ich erwartet, dass er irgendwo anders isst und nicht hier. "Guten Appettit.", wünscht er uns und lächelt leicht. Wir erwidern es und Tina sieht mich mit einem wissenden Grinsen an. "Er ist gar nicht so schlimm oder?", fragt sie dann, woraufhin ich den Kopf schüttele. "Er ist wirklich anders, als ich erwartet hatte. Ich hätte ihn eher als die Art von Chef eingeordnet, die ständig herumschreit oder nur etwas zu meckern hat.", gebe ich lachend zu. Wir reden etwas leise, immerhin soll er nicht unbedingt hören, was wir über ihn reden. "Und was machst du als seine Persönliche Assistentin?", Marc betont die Berufsbezeichnung sehr und bringt uns damit zum Lachen. "Ich war in einem Meeting dabei und ich mach Ablage und mache Termine für ihn aus. Das zumindest hat er mir bisher erzählt.", informiere ich die beiden, die nur wissend nicken. Während wir dann schweigend unser Essen genießen, sehe ich immer wieder zu dem Tisch an dem mein Vorgesetzter sitzt. Er lacht gerade mit den beiden anderen und wirft den Kopf in den Nacken.

Würde man ihn so irgendwo sehen, würde niemand auf die Idee kommen, dass er Mann, der da gerade so ausgeglichen lacht und Spaß hat, der jüngste und erfolgreichste Unternehmer des Landes ist.

Memories | H.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt