Am nächsten Tag um sieben Uhr morgens startete das Flugzeug. Es dämmerte, trotzdem hatte sich Alice schon so weit in Sachen eingehüllt, so dass es später, wenn die Sonne da war, keine Probleme geben würde. Die restliche Nacht war sie jagen gewesen und hatte sich ein paar wenige Dinge besorgt. So hatte sie nur eine kleine Reisetasche dabei. Der Flug nach Florenz dauerte etwa zwölf Stunden. In dieser Zeit saß sie auf einem Platz am Fenster. Der Platz neben ihr war leer. Sie starrte aus dem Fenster, solange es noch dämmerte. Als die Sonne schließlich aufging, zog sie das Rollo am Fenster runter. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Verschiedene Visionen strömten auf sie herein. Ihre Familie, die ihre Entscheidung nicht ganz nachvollziehen konnten. Aro, der sich nach sogenannten Zeugen innerhalb seiner Wache suchte. Er wusste noch nicht recht, wie er angreifen würde. Und dann war da noch Jasper. Wieder spürte sie einen Schmerz in ihrer Brust aufkommen. Er wusste immer noch nichts mit sich anzufangen. Kurz bevor sie in das Flugzeug gestiegen war, hatte sie gesehen, wie er ihr folgen wollte. Daraufhin hatte sie Edward eine kurze Nachricht per Smartphone geschickt und er hatte Jasper überreden können, ihr nicht hinterher zu kommen. Das war das Schlimmste, was passieren könnte. Es war um die Mittagszeit als Nessie sich zu Jasper setzte. Vor einer Woche hatte er angefangen, auf Nessies Bitte hin, etwas Spanisch bei zu bringen. Jetzt bat sie ihn darum ihr weitere Dinge beizubringen. Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen als sie die Visionen ihren Lauf ließ.
Gegen neunzehn Uhr landete die Maschine in Florenz. Inzwischen war es draußen wieder dunkel. Sie hatte es zwar nicht eilig, doch als sie sich auf dem Parkplatz umblickte, erspähte sie einen silbernen Lamborghini.
Niemand bemerkte den Autodiebstahl und so machte sie sich auf den bekannten Weg nach Volterra. Die ganze Reise hatte etwas an sich, wie ein Déjá-vu. Gegen zwanzig Uhr erreichte sie die Stadt. In einer Nebengasse stellte sie das Auto ab und hing sich beim Aussteigen ihre Tasche um. Sie ging durch die Straßen auf dem Weg zum Palazzo dei Priori. Dort würde sie auf Wachen treffen. Schon jetzt spürte Alice, dass sie beobachtet wurde. Sie fühlte sich ziemlich unwohl. In der Stadt war nicht viel los. Ein paar Leute saßen in den Restaurants, die die Straßen säumten. Sie hörte entfern eine Disco, deren laute Musik durch die Straßen schallte.
Als sie den Platz erreichte, kam er ihr so leer vor, ohne die ganzen Menschen in ihren roten Umhängen. War das wirklich erst ein Jahr her? Es kam ihr länger vor.
Hinter sich nahm sie Schritte wahr. Keine Schritte von einem Menschen. Diese leichten, federnden Schritte konnten nur von einem Vampir stammen. Und sie wusste auch genau, wer plötzlich genau hinter sie stand. Mittlerweile befand sie sich in einer Ecke des Platzes. Kein Mensch würde sie hier sehen. Alice blieb stehen. „Wohin des Weges?" fragte eine männliche Stimme neutral. Sie setzte ein gespieltes Lächeln auf und drehte sich zu Demetri um. Seit sie ihn das letzte mal gesehen hatte, hatte er sich kein bisschen verändert. Er trug noch immer eine rauchgraue Robe. „Ich habe gute Nachrichten für Aro." „Ach ja?" Er zog die Augenbrauen hoch. Ihr Lächeln verschwand und ihr Gesichtsausdruck wurde ganz ernst. „Es gibt keinen Anlass mehr für euch nach Forks zu kommen. Ich kann beweisen, dass von meiner Familie keine Gefahr droht." Demetri nickte und bedeutete mit einer Handbewegung ihm zu folgen.
Gemeinsam gingen sie den Weg entlang, den sie auch damals gegangen waren. Unten am Empfangstresen stand diesmal ein junger, braunhaariger Mann, der nicht älter als zweiundzwanzig zu schein sie. Er begrüßte sie auf Italienisch und Demetri nickte ihm kurz zu. Dann ließ Demetri Alice beim Fahrstuhl zuerst einsteigen. Diese typische Fahrstuhlmusik wirkte so fehl am Platz. Der Fahrstuhl öffnete sich und sie traten hinaus in den langen Flur, der hauptsächlich aus Marmor bestand. Weiter hinten konnte Alice schon die Tür sehen, die zu dem großen Saal führte und auch Stimmen waren schon wahrzunehmen. Dadurch, dass Bella nicht dabei war, waren sie innerhalb einer Sekunde an der Tür. Vor der Tür standen Wachen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Ein dunkelhaariger Mann Ende zwanzig und eine blonde Frau, die nicht älter als zwanzig sein konnte. Sie beide Trugen Roben in den gleichen Farben wie die von Demetri. Als Alice und Demetri an der Tür ankamen, stießen sie diese auf. Alice holte automatisch noch einmal tief Luft und dann trat sie hinter Demetri ein. Alles war so wie beim letzten mal. Der kreisrunde, hohe Raum, der an einem Turm in einem Schloss erinnerte, war noch genauso karg eingerichtet. Lediglich ein Tisch stand nun in einer Ecke, auf dem etliche Bücher gestapelt waren. Es befanden sich exakt acht Personen im Raum, sie und Demetri mitgezählt. Caius und Marcus waren nirgendwo zu sehen, fiel ihr sofort auf. In der Nähe der drei prunkvollen Throne stand Jane. Sie schien nicht überrascht. Aus ihren leuchtend roten Augen sprach purer Hass und...Neid? Alec erschien neben ihr und legte ihr einen Arm um die Schulter. Weitere Wachen standen im Raum verteilt, die Alice wieder nicht kannte. Sie alle trugen diese grauen Roben. Alle bis auf Aro. Dieser stand in seinem pechschwarzen Umhang mit dem Rücken zu ihnen an dem Tisch mit den Büchern. Er hielt ein Buch mit einem Lederumschlag in den Händen, klappte es jedoch zu, als Demetri Alice bedeutete stehen zu bleiben. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Aro drehte sich um. An seinem Gesichtsausdruck war zu erkennen, dass er außerordentlich erfreut war, sie zu sehen. Und das er sie bereits erwartete, was Alice nicht sehr überraschte.
Seine tiefroten Augen leuchteten auf, sobald er sie erblickte. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. In solchen Momenten wusste Alice nicht zu entscheiden, ob ihre Fähigkeit ein Segen oder doch eher ein Fluch war.
„Willkommen, liebe, liebe Alice.", begrüßte Aro sie überschwänglich. „Hallo, Aro.", erwiderte Alice und versuchte dabei, ihre Stimme zumindest etwas freundlich klingen zu lassen. Aber angesichts der Tatsache, dass sie alles zurück gelassen hatte, was sie je geliebt hatte, war das nicht so einfach. Sie fühlte sich einfach nur unwohl und es war Alice bewusst, dass wirklich nur einer hier begeistert über ihre Präsenz war. Langsam trat Aro ein paar Schritte vorwärts. Und dann, nicht mal eine Sekunde später, stand er direkt vor ihr. Sie musste sich zwingen, nicht einen Schritt zurück zu treten. „Darf ich?" fragte er Alice, mit einem Blick zu ihrer rechten Hand, die noch immer in einem Handschuh verhüllt war. Das hatte sie natürlich erwartet und auch gesehen, nachdem sie ihre Entscheidung getroffen hatte. Mit der linken Hand zog Alice ihren rechten Handschuh aus und hob ihre Hand um sie Aro zu reichen. Er nahm sie zwischen seinen beiden Händen und sah sie dabei an. Schon damals, vor einem Jahr, hatte Alice erlebt, inwiefern Aros Gedankenlesen sich von Edwards unterschied. Daher war sie der Meinung, sie konnte sich darauf einstellen. Versuchen, ihre Gefühle zumindest etwas zu verdrängen. Aber nichts und niemand hätte sie darauf vorbereiten können. Im Schnelldurchlauf durchlebte Alice ihr ganzes bisheriges Leben. Aro entschied für sich selbst, welche Gedanken er übersprang und welche für ihn wichtig waren.
Die erste Vision, in der Jasper vorkam, traf sie am Schlimmsten. Dachte sie zumindest. Aro wurde kurz langsamer, als sie zum ersten Treffen von Jasper und ihr kamen, aber den Rest kannte er vom letzten Jahr und so interessierte er sich weniger dafür. Sie wusste nicht, nach was er suchte. Er wurde erst wieder langsamer, ab dem Moment, wo Bella und Edward heirateten. Seine Miene verhärtete sich, als Renesmee ins Spiel kam. Und er ließ sich auch Zeit, als er zu Alice' letzten Vision kam. Alice musste sich zwingen, ihm nicht die Hand wegzureißen. Als die Szenerie kam, in der Jasper starb, hielt sie es kaum noch aus. Alice hatte Jasper nichts davon erzählt. Davor hätte sie nicht mal im Entfernsteten daran denken können, ihn zu verlieren. Und auch die Tode mancher Familienmitglieder und Freunde nahm sie ziemlich mit. Doch sie ertrug es. Sie musste. Und dann kam das Gespräch zwischen ihr und Jasper. Sie schloss die Augen. Keine gute Idee. Nun schien es nur noch realer. Und dann kam der Rest. Sie öffnete die Augen, genau in dem Moment, indem Aro ihre Hand los ließ. „Interessant", meinte er dann nur leise. „Äußerst interessant." Dann drehte er sich um und ging in die Mitte des Raums. Alice war angespannt. Nun kam der Moment, der beweisen würde, ob das alles funktionieren würde. Es würde sich heraus stellen, ob es sich gelohnt hat, Jasper dafür das Herz zu brechen.
Aro schlug seine Hände zusammen und erhob die Stimme, „Liebe Freunde,", dabei hob er seine Arme, „darf ich euch unser neustes Mitglied vorstellen?" Dann drehte sich Aro um, zeigte auf mich mit einem triumphierenden Lächeln und sagte „Willkommen bei den Volturi, Alice."
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symphonies of blinding light
FanfictionEs heißt, man soll nie etwas versprechen, was man nicht halten kann. Doch genau diesen Fehler begeht Alice. Ihr ist nicht klar, welche Auswirkungen das auf sie und Jasper haben wird. (Alternatives Ende von Bis(s) zum Ende der Nacht; knüpft ungefähr...