Operations-Dramatik

201 5 5
                                    


Hallo du. Es folgt ein Text. Über ein Mädchen, dessen Weisheitszähne heute morgen rausoperiert wurden.  Schönen Tag noch.

Die Sonne war gerade erst aufgegangen, als die Mutter ihr Zimmer betrat. In der Hand ein Pflaster, welches zur Betäubung dienen sollte. Sie schaltete die kleine Lampe neben dem in dem Bett schlafenden Mädchen an. Während das Mädchen weiter im Halbschlaf und mit der Bettdecke über dem Kopf weiterdöste, klebte die Mutter das Pflaster auf ihren rechten Handrücken. Das Mädchen hat Angst vor Spritzen und Nadeln, aber das Narkosemittel sollte über eine Nadel im rechten Handrücken in ihre Venen gelangen. Das Pflaster betäubte nur die Haut des Handrückens, sodass das Mädchen es dann morgens schaffte sich anzuziehen und sich die Haare zu machen, um pünktlich zu ihrer Mutter ins Auto zu steigen und zum Arzt zu fahren. Die Operation sollte nüchtern stattfinden, zuletzt gegessen hatte sie deshalb einen Muffin bei der Abschlussfeier ihres Orchesters am Vorabend, trinken durfte sie auch nichts und müde war sie auch. Aber Angst hatte sie nur vor der Spritze. Keine Angst vor der Betäubung im Mund oder den Schmerzen danach.
So stieg das Mädchen zu ihrer Mutter ins Auto und sie fuhren fünfzehn Minuten lang durch Dörfer um zu der Arztpraxis zu gelangen. Während der Fahrt las sie sich den Zettel durch, auf dem Vorsichtsmaßnahmen und die Vorgehensweise der Narkotisierung beschrieben wurden. Die Vorstellung war ihr sehr unangenehm und sie wandte sich unter ihren Gedanken. Größere Freude bereitete ihr dann doch, als ein Lied im Radio rief, welches sie mit ihrer Mutter mitsang. Musik vertreibt Angst. Das war ihr bewusst, doch hatte sie das bis jetzt nur bei Furcht im Dunkeln, aber nie bei Angst vor Ereignissen eingesetzt.

Sie traf mit ihrer Mutter beim Arzt ein, aufmerksame Passanten mussten sich gewundert haben, die hochgewachsene Frau im schicken Hosenanzug, neben ihr ein Mädchen in schwarzer Jogginghose, hellgrünen Chucks und einem dunkelgrünen T-shirt.
So liefen beide in die Arztpraxis. Das Mädchen hielt einige Bögen Papier in der Hand, auf denen Angaben zu Allergien und diesen Sachen gemacht wurden. So stand sie mit ihrer Mutter an der Rezeption, lehnte gegen die Wand und überließ den Erwachsenen das Reden. Sie war nicht gut drauf. Angst vor der Spritze gepaart mit Hunger, Durst, Müdigkeit und dem Unwissen vor dem Geschehen raubten ihren Verstand und sie befand sich, trotz ihrem meditationsähnlichem Denken, in einem undefinierbaren Stress. Sie wollte das nicht und wusste gleichzeitig, dass diese Operation notwendig war. Ihr Kiefer war zu klein und die Weißheitszähne hatten noch keine Wurzeln, weshalb das der perfekte Zeitpunkt war um sie zu entfernen. Trotzdem hätte sie sich den ersten Sommerferientag anders vorgestellt.
Während sie so an nichts dacht und trotzdem gestresst war, wurde sie angestupst und schaute verwirrt auf. Daraufhin reichte sie der Arzthelferin die Zettel, die sie noch in der Hand hielt. Sie sagte, dass sie nochmal Platz im Wartezimmer nehmen sollten. Das Mädchen trottete dorthin, während ihre Mutter der Arzthelferin mitteilte, dass ihre Tochter noch müde war. Ob sie das war? Sie wusste es ja selbst nicht.
Das Mädchen nahm mit ihrer Mutter im noch leeren Wartezimmer Platz. Ihre Mutter redete weiter mit ihr, sie lächelte, nickte, war in Gedanken beschäftigt. "Ich hätte mir nicht durchlesen sollen, was die dann mit mir machen.", ließ sie mit einem verzweifelten Lächeln auf den Lippen  und einem Blick zu ihrer Mutter erklingen. Das Mädchen stand auf und nahm sich eine der Boulevardzeitschriftenn vom Schränkchen in einer Ecke, setzte sich wieder und schlug sie einfach irgendwo auf. Blaubeertörtchen blickten ihr entgegen. "Sieht lecker aus.", gab sie von sich. Ihre Mutter meinte, das wäre mehr Blaubeerauflauf. Sie blätterte um. Weitere verschiedene Rezepte mit Bildern. Sie ließ ihren Blick drüberschweifen und las die Titel vor während ihr Blick kurz die Fotos streifte. Dann wurde sie auch schon aufgerufen und begab sich mit ihrer Mutter ins Behandlungszimmer.

Die Ärztin begrüßte sie und erkundigte sich, ob alle vier Zähne auf einmal raussollten. Die Mutter bejahte, das Mädchen ware leicht verwundert, da das alles schon bei einem Vorgespräch vor zwei Wochen geklärt worden war. Sie beruhigte sich mit dem Gedanken, dass sich eine Ärztin das nicht so lang merken müsste. Die Ärztin verschwand und das Mädchen fragte ihre Mutter ob Narkoseärzte viel verdienen würden. So unterhielten sie sich kurz über diesen Berufszweig. Wie so oft kam das Mädchen bei sich zum Entschluss nicht Ärztin werden zu wollen, da ihr das zu viel Verantwortung war. Sie starrte an die Decke und verschiedene Lieder gingen ihr durch den Kopf, sie entschied sich eines in Gedanken zu singen, um sich, während sie gepikst wurde, abzulenken. Die Ärztin betrat das Zimmer und sah auf die Hand des Mädchens und meinte verwundert, dass sie ja noch nicht schlafe, und dann etwas beleidigt, dass sie selbst ja nicht anfangen könne wenn der Narkosearzt noch nichts getan hätte, sie schicke ihn vorbei.
Gleich drauf erschien ein kleiner, dicklicher Mann im Zimmer und ließ sich von ihrer Mutter in Bar bezahlen, da Krankenkassen das nicht übernehmen. Er sah sich die Angaben auf den Zetteln an, sprach das Mädchen dann nochmal auf Allergien an, was ihre Mutter beantwortete. Der Mann fragte noch was gemacht werden sollte, was das Mädchen schon wieder verwunderte, antwortete dann aber, da ihre Mutter schwieg: "Weisheitszähne. Alle vier." Der Arzt nickte und drehte sich zu ihr, gleichzeitig drehte das Mädchen ihren Kopf auf die andere Seite und langte nach der Hand ihrer Mutter. Sie fing in Gedanken an zu singen als der Arzt ihr die Nadel in die rechte Hand pikste. Sie spürte keinen Schmerz, dank der Betäubung durch das Pflaster, und trotzdem schüttelte sie sich. Mit geschlossenen Augen lag sie da und wartete auf einen schnellen Schlaf. Sie spürte, wie der Arzt Flüssigkeit durch die Kanüle drückte. "Das fühlt sich komisch an.", gab sie von sich als ein Kribbeln in ihren Kopf stieg. Dann war sie weg.

Das Mädchen träumte, wovon? Das kann sie nicht genau beschreiben, sie kann sich erinnern, dass eine Junge dabei war, mehr nicht.

Sie schlug ihre Augen auf, niemand war im Raum. Vor der geöffneten Tür liefen Personen hin und her. Der Arzt kam ins Zimmer, schaute auf eine Ablage an der Seite, drehte sich und ging wieder. Das Mädchen konnte ihre Zunge nicht bewegen, ihr Mund stand leicht offen, und doch brachte sie nur einen kehligen, leisen Laut hervor. Sie starrte an die weiße Decke, im Quadrat waren quadratische Lampen angebracht, die sie blendeten. Sie sah wieder zur Tür. Die Ärztin kam herein, das Mädchen sah nur noch ein arztgrünes Tuch über ihren Augen, dann war sie wieder weg.

Als nächstes öffnete sie die Augen auf einer Liege. Neben ihr saßen die Eltern. Sie blickte auf und lächelte. Sie versuchte es. Sie konnte ihre Zunge und ihren Unterkiefer nicht spüren. Mit Händen und Füßen, da sie nicht deutlich reden konnte, versuchte sie mit ihnen zu kommunizieren. Die Ärztin brachte etwas zum kühlen der Wangen. So lag das Mädchen dort und wartete, bis ihr Gehirn wieder funktionierte. Ihr Denken funktionierte, aber es drehte sich alles um sie, und das obwohl sie lag. Sie machte die Augen zu und versuchte wieder zu dösen, aber das Gefühl des Nichtfühlens in ihrer Zunge und dem Unterkiefer mit Unterlippe ließ sie wachen. Sie konnte nicht einmal sagen, ob sie ihren Mund geschlossen hatte, ob Wasser über ihre Zunge lief, nur ihre Oberlippe konnte sie spüren. Und das Mädchen meinte Blut zu schmecken, wenn sie die Zähne zusammenbiss. Irgendwann, nachdem die Ärztin mehrmals die Kühlpads für die Wangen und die Mullstücke in den Backen gewechselt hatte, wurde ihr erlaubt zu gehen. Der Vater des Mädchens stand auf, um in der Apotheke die Medikamente zu besorgen und das Auto vorzufahren. Die Mutter blieb bei ihrer Tochter. Diese verlangte per Handzeichen nach Papier und Stift. Das Mädchen schrieb: "Wie bin ich hergekommen?", und deutete auf die Liege. In ihren Gedanken hing, wie aus einem Traum, ein Bild von einem Rollstuhl. Ihre Mutter antwortete: "In einem Rollstuhl." Verwundert schrieb das Mädchen: "Und ich habe", doch dann ging der Kugelschreiber nicht mehr, denn sie hielt ihn nach oben. Also deutete sie auf ihre Mutter. Diese interpretierte aber, dass das Mädchen dachte, ihre Eltern hätten sie hergetragen und antwortete mit einem Lächeln, "Nein, du warst schon da, als wir kamen."

Schließlich fuhr das Mädchen mit ihrem Vater nach Hause.

#kkk

let me tryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt