fortunate coincidence

E I N S - Enttäuschungen und Bierschulden

Es ist 20 Uhr abends und ich sitze in dem feinsten Restaurant meiner Heimatstadt Winterfield. Meine Augen sind fest auf meine Uhr gerichtet, während ich auf meine Eltern warte. Nervös tippt der Zeigefinger meiner rechten Hand im Takt gegen mein halbvolles Weinglas und der Minutenzeiger springt auf den ersten dünnen Strich,von denen noch 59 weitere in das Ziffernblatt meiner Uhr eingearbeitet sind. Meine Eltern lassen auf sich warten, grade an dem Tag, welcher wahrscheinlich der wichtigste in meinem Leben ist. Vor 16 Minuten und 22 Sekunden wollten sie da sein. 23 Sekunden, 24Sekunden...

Ich war überpünktlich, was recht selten bei mir war, erschienen.Sogar bei meiner Kleidung hatte ich mir Mühe gegeben. Mein einziges, weißes Hemd ist gebügelt und die schwarze Krawatte zum ersten Mal richtig geknotet, nur auf meiner Jeans prangt ein erbsengroßer Zahnpastafleck, aber das ist nicht weiter schlimm.

Knappe drei Minuten später, in denen sich mein Weinglas geleert hat, wandert mein Blick zu der schweren Glastür, da die Empfangsglocke klingelt. Tatsächlich sind meine Eltern endlich da.

Ich erhebe mich von meinem Stuhl, um sie zu begrüßen. Meine Mutter eilt auf mich zu, als sie mich entdeckte. Sie trägt ihr rotes Seidenkleid und ihre geliebte Perlenkette, es scheint als würde sie den kompletten Raum mit ihrer Anwesenheit erleuchten. Mein Vater läuft gemächlicher hinter ihr her.

"Hallo, mein Schatz!" , begrüßt mich meine Mutter mit einem Kuss auf die Wange. "Wir standen ewig im Stau, ich hoffe du bist nicht sauer." "Ist nicht schlimm.",antworte ich, auch wenn ich vor Aufregung beinahe einen Anfall erlitten habe. Mein Vater klopft mir väterlich auf die Schulter und murmelt: "Hallo, Sohn." Er und Mutter sind komplett verschieden.

"Ich habe schon mal Wein bestellt.", sage ich, während wir Platz nehmen, ich sitze gegenüber von den beiden. "Wo ist eigentlich Marlie?", fragt meine Mutter. "Wieso ist sie nicht dabei?"

Sie hat bestimmt die Hoffnung gehabt, wir würden endlich eine Schwangerschaft oder einen Hochzeitstermin bekannt geben. Doch ich muss sie enttäuschen. "Marlie ist krank.", lüge ich also."Die Arme, richte ihr gute Besserung aus, ja?" Ich nicke. Marlie ist 2 Jahre lang meine Freundin gewesen.

Die Bedienung tritt an den Tisch und nimmt unsere Bestellungen auf. Niemand weiß so richtig was er sagen soll. Die Miene meines Vaters wirkt jetzt schon gelangweilt. Meine kleine Schwester Aurora hatte mir vor 2 Tagen Bescheid gegeben, dass sie nicht mitkommen würde und sie hätte bestimmt etwas zum reden gefunden, sie ist ein absolutes Plappermaul.

"Das Autohaus läuft übrigens blendend, wir kriegen immer mehr Klienten und machen einen riesigen Umsatz, der Geldstrom fließt! Wir schaffen uns einen Namen in der Umgebung! Wie gesagt, du kannst immer noch eine Ausbildung anfangen, ich quetsche dich einfach noch mit rein. Und später ist der Nachfolger gesichert." Ich mag dieses Thema überhaupt nicht. Vater konnte nie verstehen warum ich mich nicht für Autohäuser, insbesondere sein Autohaus interessiere. Blöderweise ist es sein Lieblingsthema.

Er redet weiter voller Begeisterung und Stolz weiter und ich gebe mir Mühe die nächsten 10 Minuten zu zuhören, doch es fällt mir schwer. Vater hatte mich schon oft zu einem Ausbildungsplatz überreden wollen und es ist jedes mal ein riesigen Streit vom Zaun gebrochen worden. "Also was hältst du davon? Das ist die letzteChance, etwas Vernünftiges aus dir zumachen." Meine Eltern sehen mich erwartungsvoll an. Ich gucke schweigend auf mein Gedeck und kratze an dem vergoldeten Tellerrand. Das ist Antwort genug.

"Quentin, du musst langsam verstehen, dass du mit deiner Kamera,deinen unrealistischen Träumen und deiner Gutgläubigkeit nicht weit kommen wirst!" Mein Vater zieht seine Du-bist-ein-trotziges-Kleinkind-Miene. Ich gucke ihn an und hoffe, dass er sieht, wie sehr mich dieses Thema nervt und wie sehr ich überdas eigentliche Thema reden will. Doch er will es nicht einsehen. Ich merke, wie gereizt er schon ist.