Nemesis

Kapitel 2

Mike Swallow beißt in sein Baconsandwich. Der Vormittag war anstrengend gewesen,noch anstrengender, als der Alltag des Comissioners ohnehin schon ist. Und woran liegt das? Vielleicht an den 7 Entführungsfällen, die sich vor einer Woche ereignet hatten, denn es handelte sich offensichtlich um Einzeltäter, was die Suche nach ihm erheblich erschwerte . Einen Serientäter kann man durch seinen modus operandi leichter in eine Falle locken, doch weder Ort,genauer Zeitpunkt oder irgendein gemeinsamer Nenner im Profil der Opfer lag vor. aber auch das hätte Mike nicht sonderlich geplagt, wäre er nicht von einem unqualifizierten Haufen unnützer Deppen und Idioten umgeben. Heute morgen hatte er bereits einen Streit zwischen Officer Russel und der Putzfrau María geregelt, weil der hirnlose Bastard von Russel über einen Putzeimer gestolpert war. In seinem Büro angekommen, musste er sich dann erst noch eine  Predigt über Verspätungen von seinem snobistischen Boss anhören. Als sich Mike endlich in Ruhe glaubte, platzte zu allem Überfluss auch noch Melanie herein, die eine Bande von halbstarken Rotznasen durch jeden Winkel des Präsidiums zu führen schien. Ab und an lud die New Yorker Polizei zu einem Tag der offenen Tür für Kinder und Jugendliche, und die meisten waren von ihren Eltern hergeschleifte gelangweilte Teenager. Einer der kleinen Wichser hatte sein Kaugummi auf den Perserteppich gespuckt. Trotzdem,  das alles wäre noch zu verkraften gewesen. Doch dann..."ROBERT!" Sofort erschien sein dürrer Assistent in der Tür. "Ja, Sir?" "Hast. Du. Meinen. Kaffe. Genommen?", knurrte Mike. "Ja, Sir, er war doch kalt, ich habe ihn weggeschüttet..."

Als Mike das folgende Donnerwetter revue passieren lässt, ergreifen ihn doch ein paar Schuldgefühle. Er hätte den Jungen nicht so zusammenstauchen sollen.
Sein Sandwich ist köstlich. Die fettigen Hände reibt sich Mike an seinem speckigen Holzfällerhemd ab, das, wie er resigniert bemerkt, am Bauch etwas spannt. Swallow seufzt, dann setzt er sich wieder vor den Monitor, um noch einmal die Liste aller Entführungsopfer anzusehen.

Sandra Madison, die blonde, 36 Jahre alte Chefin des Pharma-Riesen "Medison" (die einen ziemlichen Stock im Arsch hat, denkt Mike beim Anblick ihres Fotos). In den Klatschblättern des Landes heißt es, sie schliefe mit Frank Jensen, dem Inhaber einer großen Werbefirma.
Molly Green, eine rundliche Farmerin, ebenfalls blond, 48 Jahre alt und seit kurzem geschieden.
Christopher Austin war noch nicht einmal volljährig. Der sehr stark übergewichtige Rotschopf besuchte zum zweiten Mal die 8. Klasse- mit 17, weger seiner äußerst späten Einschulung und der Rückversetzung nach der sechsten Klasse. Seine Klassenkameraden hatten ihn im Internet ziemlich heftig gemobbt, und Essen schien seine einzige Freude zu sein.
Ex-Gouverneur Ericson, ein stinkreicher in die Jahre gekommener Playboy. Seine 29-jährige, dickbusige Blondine von Freundin war noch nicht verhört worden.
Leslie Flanders war die neue Delfintrainerin vom nahegelegenen SeaWorld-Park, gerade erst fertig ausgebildet, eine brünette Schönheit von 26, die noch bei ihren Eltern wohnt.
Jeremy Morgans Profil war das eines brutalen Neureichen, der durch seine Schweinezucht schnell zu Geld gekommen war. Da er des öfteren des Drogen- und Mädchenhandels angezeigt worden war, wurde er in der Öffentlichkeit stark kritisiert. Morgan scherte sich nicht darum.
Zoey Conelly verdingte sich nach langer Arbeitslosigkeit auf einem großen Schlachthof. Ihr Ehemann war schon mehrmals auf dem Revier gewesen, um sich nach Fortschritten zu erkunden- vergeblich. Zoey ist 32.

Mike steht schnaufend auf- er sollte wirklich etwas abspecken, denkt er zerknirscht. Er möchte sich frischen Kaffee kochen, bevor er zum x-ten Mal alle vorliegenden Daten -Ort, Zeit, Verdächtige, Umfeld- überprüft. Und zum Kaffe könnte er noch ein paar Cookies vertragen, beschließt er.