Kapitel 1

22 3 5
                                    


Lustlos nippte Joleen an ihrem Tee und sah dabei aus dem Fenster. Noch vor wenigen Tagen hat sie aus dem Küchenfenster das schöne Blumenbeet ihrer Mutter und ihre alte Schaukel aus ihrer Kindheit beobachtet. Jetzt sah man nur einen grauen wolkenbedeckten Himmel.

Denn vorgestern ist sie mit ihrer Mutter Emily von Iowa nach Kansas, um genauer zu sein nach Wichita, umgezogen. Warum? Joleens Vater musste fast immer die ganze Woche in Wichita arbeiten. Deshalb kaufte er sich hier eine neue Wohnung und wohnte in dieser seit knapp einem halben Jahr. Michael, so hieß Joleens Vater, konnte seine Frau und seine Tochter nur zwei bis drei Mal im Monat besuchen, deswegen entschieden sich Joleens Eltern, dass die restliche Familie zu ihm nach Wichita umzieht.

Natürlich passierte das alles ohne die Einverständnis von Joleen. Wenn es nach ihr ginge, dann wäre sie niemals umgezogen. Sie mochte es nicht an fremde Orten zu sein. Lieber lebte sie in ihrem kleinen Städtchen in Iowa, wo sich jeder kannte und gut verstand. Und nun saß sie hier; in einer ihr noch fremden Küche, in einer fremden Wohnung, in einer fremden Stadt mit fremden Leuten. Ihr passte das gar nicht. Sie war traurig, weil sie sich nicht richtig von ihren Freunden verabschieden konnte, da der Umzug so plötzlich kam. Gleichzeitig war sie aber auch richtig wütend auf ihre Eltern, weil sie Joleen nicht erlaubthaben bei ihrer Grandma in Iowa zu bleiben. Ihre strengen Eltern machten es ihr nicht leicht.

Schon wieder schaute sie aus dem Fenster, in der Hoffnung alles wäre nur ein schrecklicher Albtraum, doch wieder mal sah man nur die dichten Wolken, die sich am Himmel türmten. Ihr Vater hatte sich damals eine geräumige Wohnung im 1. Stock gekauft, deshalb sah man nichts anderes außer den Himmel, wenn man aus dem Fenster schaute. Er fand den Platz schön, Joleen nicht. Gestern versuchte er mit ihr ins Gespräch zu kommen und erzählte ihr, dass im Erdgeschoss eine kleine Familie und im Dachgeschoss ein altes Ehepaar lebte. Er strengte sich wirklich an, um das Verhältnis zwischen ihm und seiner Tochter wieder aufzulockern. Das interessierte Joleen aber nicht. Sie hatte schon lange kein gutes Verhältnis mehr mit ihrem Vater gehabt.

Kaum war sie mit ihrem Frühstück fertig, da kam ihre Mutter in die Küche herein spaziert. Sie trug ihre braun gefärbten Haare hochgesteckt, wie immer. Dennoch musste sich Joleen eingestehen, dass die neue Haarfarbe ihre grünen Augen sehr betonte. Einen von ihren hunderten Hosenanzügen hatte sie heute auch wieder an. Die trug sie immer, wenn sie zu ihrer Arbeit ging. Die Firma, in der sie arbeitete gab es in Wichita auch, deswegen hatte ihre Mutter das Glück ihren Job zu behalten und hier weiter arbeiten zu dürfen.

"Kind, du siehst ja furchtbar aus! Hast du wieder die ganze Nacht Filme geschaut? Geh dich endlich fertigmachen, so soll dich lieber keiner zu Gesicht kriegen. Und dein Vater fährt dich gleich zur Schule.", plapperte Emily los und machte sich währenddessen einen Kaffee zum mitnehmen.

"Ich wünsche dir auch einen guten Morgen...", murmelte Joleen genervt und hievte sich vom Hocker. Ihre Mutter ignorierte ihre Aussage und lächelte sie gekünstelt an. Joleen wusste mittlerweile, dass ihrer Mutter eigentlich alles egal war, außer es ging um Joleens Schulnoten und um ihr Aussehen. Sie vermisste die früheren Zeiten, als ihre Mutter noch kein Kontrollfreak und Perfektonist war. Langsam schlenderte sie den langen Flur entlang bis in ihrem Zimmer. Sie zog sich mühsam eine graue Skinny Jeans und einen zartrosanen dünnen Pullover mit einer grauen Lederjacke an. Es war ihr egal, was die anderen darüber denken würden.

Doch beim Anblick ihres Bettes würde sie sich am liebsten wieder darin verkriechen. Joleen hatte Angst vor ihrer neuen Schule, weil sie niemanden dort kannte und noch dazu war sie ein schüchternes Mädchen, was es ihr noch schwerer machte. Sie hatte Probleme sich Menschen anzuvertrauen. Nur ihrer Grandma konnte sie wirklich vertrauen und ihr alles erzählen was ihr kleines Herz belastete. Ihr stiegen wieder die Tränen auf, weil sie ihre Grandma und ihre Freunde so sehr vermisste. Wütend wischte sie sich übers Gesicht und reißte ihren Rucksack vom Hacken. Sie atmete tief durch und schloss ihre Augen, um sie kurz zu beruhigen. Sie hasste es so schwach zu sein und bei jeder Kleinigkeit so emotional zu werden. Jedes Mal nahm sie sich fest vor stärker zu werden. Manchmal klappte es, manchmal eben auch nicht.

Sie schlüpfte in ihre Sneakers, steckte sich ihr Handy in ihre Jackentasche und bürstete sich noch einmal ihre dunkelblonden langen Haare durch, bevor sie aus ihrem Zimmer trat. Vielleicht wird es ja doch nicht so schlimm, sprach sie sich Mut zu und verließ mit einem mulmigen Gefühl im Magen die Wohnung.

Nach Osten |Harry Styles FF|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt