Kapitel 1

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Evelyn POV:
DER NÄCHSTE TAG...
'Frau von wildem Tier ermordet'
Verächtlich schmiss ich die Zeitung wieder auf den Tisch. Dieser Titel, welcher auf der Zeitung stand, war nicht nur lachhaft, sondern auch falsch. Das was diese Frau getötet hatte, war kein wildes Tier, aber Vertuschung war schon immer ein überraschendes Talent der Regierung. Doch auch die Menschen überraschten mich immer wieder, da sie solchen Geschichten, egal wie unglaubwürdig sie klangen, immer wieder glauben schenkten.
"Hier, bitte sehr!", riss mich die junge Bedienung aus meinen Gedanken.
Sie stellte mir die Tasse Milchkaffee auf den Tisch. Ich schaute zur Bedienung. Sie trug eine hellblau-türkise Uniform, mit einer weißen Schürze.
"Vielen Dank!", lächelte ich.
Der Blick der Bedienung blieb an der Zeitung hängen.
"Tragisch, nicht wahr?", fragte die Bedienung.
Kummer schwang in ihrer Stimme mit, die mich neugierig werden ließ.
"Kannten Sie sie?", fragte ich vorsichtig.
"N-nur flüchtig! Sie schien so nett und unschuldig, als ich sie kennen lernte!", antwortete sie betrübt.
"Mein Beileid!"
"Danke!", lächelte die Bedienung dankbar.
Sie ging wieder zur Theke und wartete auf den nächsten Kunden. Der kleine, unscheinbare Diner in Brooklyn war mir eins der liebsten in ganz New York. Er wurde zwar nicht sehr oft besucht, aber ich mochte es mehr, wenn es in einem Diner, oder Café ruhiger war. Somit waren alle Einflüsse der Umwelt nicht so stark. Einflüsse wie Gerüche von Cafés oder kleineren Hot-Dog Ständen. Geräusche die durch die umherfahrenden Autos und den Gesprächen der vielen Menschen auf den Straßen. Diese vielen Einflüsse, bereiteten mir immer Kopfschmerzen, die nach einer weile kaum auszuhalten waren.
Ich nippte an meinem Milchkaffee und schaute dann raus auf die Straße.
Die Sonne schien und am Himmel war keine einzige Wolke zu sehen. Vielleicht gehe ich später nach Manhattan, wenn das Wetter weiter so blieb, um noch so ein zwei Besorgungen zu erledigen.
Die kleine Türklingel an der Tür des Eingangs bimmelte und eine rothaarige Frau betrat den Raum. Sie war Mitte dreißig, trug einen dunkelblauen, fast schwarzen Blazer, mit einem dazu passenden Rock, welcher bis zu ihren Knien ging und eine weiße Bluse. Nach etwas suchend, schaute sie sich im Diner um, bis sie mich entdeckte. Sie fing an zu lächeln und zeigte dabei ihre perfekten weißen Zähne.
"Evelyn!", rief sie erfreut durchs Diner und bewegte sich auf mich zu.
Sie setzte sich mir gegenüber, auf der rot-braun lederne Bank hin.
"Zoey!", entgegnete ich etwas weniger erfreut.
Zoey's Blick glitt zu der Zeitung, welche immer noch vor mir lag.
"Und? Wie fandest du den Artikel?", fragte sie immer noch lächelnd.
"Ich habe ihn nicht gelesen. Schon der Titel sagt einem, dass das nicht stimmen kann", antwortete ich ruhig und trank einen weiteren Schluck meines Kaffees.
"Ugh...du Verschwörungstheoretikerin!", brummelte sie genervt.
Ich zuckte nur mit den Schultern. Es war keine Verschwörungstheorie, sondern es war tatsächlich ein Monster gewesen. Bloß werden ich und dieser Mann wohl als einzige wissen, was tatsächlich geschehen war.
"Was machst du hier?", fragte ich sie nun.
"Ich wollte mal hören wie es dir geht. Wir haben uns lange nicht mehr gesprochen", antwortete sie ruhiger.
"Woran das wohl liegt?", fragte ich argwöhnisch.
"Vielleicht wollte ich mich auch entschuldigen", meinte sie kleinlaut.
"Reichlich spät, findest du nicht?"
"Ich weiß! Und das tut mir ebenfalls leid! Doch ich weiß wie schwer du zu einem guten Bourbon 'nein' sagen kannst!"
"Interessant! Daran erinnerst du dich! Aber nicht daran, dass ich es hasse ausgenutzt zu werden!", entgegnete ich kühl.
"Ich sagte doch, es tut mir leid!", knurrte sie und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie die junge Bedienung vor Schreck zusammenzuckte und zu unserem Tisch schaute. Ich nahm die Tasse, trank den Rest Kaffee leer und schaute Zoey unbeeindruckt an.
"Wie hast du es mal so schön gesagt? Ach ja! Tja Schätzchen, dass reicht leider nicht!", sagte ich, legte zehn Dollar auf den Tisch, schulterte meine kleine Handtasche und stand auf.
Ich ließ die vor Wut brodelnde Zoey am Tisch sitzen und verließ das Diner. Gerade als ich zur Tür raus kam, fuhr ein Auto vorbei und ein beißender Gestank nach Abgasen stieg mir in die Nase.
Mir fehlt die Zeit, indem es noch keine mobilisierten Bewegungsmittel gab. Zwar waren die Kutschen durch das stampfen der Pferde recht laut, aber es stank nicht so.
Ich ging gemütlich zur nächsten U-Bahn Station, da mir die Besorgungen in Manhattan doch wichtig geworden sind. An der U-Bahn Station angekommen, stieg ich in die nächste Bahn Richtung Manhattan ein. Da es keine Sitzplätze mehr gab, blieb ich an der Tür stehen, und starrte nach draußen in den dunklen Tunnel.
An der letzten Station in Brooklyn stiegen zwei junge Männer ein. Der eine sah recht zierlich aus und war auch ein kleines Stück kleiner als ich. Er hatte blonde Haare und strahlend blaue Augen. Seine Kleidung war ihm eindeutig etwas zu groß und ein kaum sichtbares Veilchen zierte sein linkes Auge.
Sein Freund der ihn begleitete war etwas größer, als ich. Seine Klamotten waren perfekt aufeinander abgestimmt und passten auch zu seinem äußeren. Seine braunen Haare hatte er ordentlich zurückgekämmt und seine blau-grauen Augen musterten seinen Freund besorgt.
"Warum hast du dich schon wieder geprügelt, Steve?", fragte der braunhaarige seinen Freund.
"Damit ich vielleicht auch mal einen Treffer lande!", lächelte der kleinere.
"Trottel!", entgegnete braunhaarige.
"Idiot!", meinte darauf der blonde.
Anscheinend hatte der braunhaarige junge Mann bemerkt, dass ich zu den zwei beobachtet hatte, denn er schaute mich nun an. Sofort wendete ich den Blick ab und schaute wieder aus dem Fenster. Gerade rechtzeitig, denn die Bahn fuhr über die Brooklyn Bridge und gab einen wunderschönen Blick auf den Hudson River frei. Durch das schöne Wetter, spiegelte sich der strahlend blaue Himmel auf der Oberfläche wieder und die Sonnenstrahlen, die auf ihn hinab schienen, sahen aus wie funkelnde Edelsteine.
Leider konnte ich dieses Spektakel nur für ungefähr eine Minute betrachten, bevor die Bahn wieder in einen Tunnel fuhr.
Ich spürte die restliche Fahrt den Blick des jungen Mannes, welcher auf mir lag. Eigentlich hatte ich nichts dagegen, wenn mich jemand anstarrte, da ich es schon zu sehr gewohnt war. Schlimmer war es, wenn die Leute hinter mein Geheimnis kamen. Sie waren so schockiert und verängstigt, sodass es in der Seele schmerzte.
"Buck, hör auf sie anzustarren!", ermahnte sein Freund ihn.
"Sie ist zu schön um nicht angestarrt zu werden!", entgegnete der braunhaarige.
Ein leichtes Lächeln konnte ich mir nicht verkneifen.
Die Bahn hielt an der Station, an der ich aussteigen musste. Auch die zwei jungen Männer stiegen ebenfalls aus. Keine zwei Sekunden war ich ausgestiegen, da stand schon der braunhaarige junge Mann vor mir, mit einem verführerischen Lächeln auf den Lippen.
"Haben Sie eine Minute Zeit?", fragte der braunhaarige junge Mann.
"Buck, lass sie gehen! Nicht jede Frau, die zu dir schaut, möchte dich gleich kennen lernen!", entgegnete sein Freund und wollte ihn am Arm wegziehen.
"Da wäre ich mir nicht so sicher!", widersprach der braunhaarige.
"Sie sind Ihrer Chancen bei mir wirklich sicher, oder?", fragte ich mit einem amüsierten Lächeln.
Wieder fing er an zu lächeln, ließ seinen Blick über meinen Körper wandern und biss sich dabei auf seine Unterlippe. Ich musterte ihn auch nochmal genauer. Vom Aussehen her, sah er wirklich gut aus, dass konnte ich nicht leugnen. Doch seine selbstischere Art, ich würde ihm gleich hinterher laufen, so wie wahrscheinlich viele Frauen, nervte mich irgendwie.
"Wie wäre es, wenn ich Sie heute Abend auf einen Drink einladen würde?", fragte er.
"Dann würde ich dankend ablehnen!", sagte ich höflich.
Kurz blitzte Frust in seinen schönen grau-blauen Augen auf und seine Kiefermuskeln spannten sich kurz an. Zurück gewiesen zu werden, war der junge Mann vor mir nicht gewohnt. Aber dennoch schien er nicht ganz aufgeben zu wollen. Wieder setzte er ein verführerisches Lächeln auf und schaute mir direkt in meine hellbraunen Augen.
"Wann würde es Ihnen denn sonst passen?", fragte er mit sanften Ton.
Ein amüsiertes Lächeln huschte über meine Lippen, was der Mann vor mir etwas falsch interpretierte. Sein Herz begann augenblicklich schneller zu schlagen und sein Blut floss nun schneller durch seine Adern. Ein süßlicher Duft stieg mir in die Nase, welcher sicherlich von ihm kam.
Mein Magen zog sich unangenehm zusammen und ich spürte, wie der Hunger nach Blut in mir aufkam.
Nicht jetzt!
"E-es tut mir leid, ich muss jetzt wirklich los! Aber vielleicht sieht man sich nochmal. New York ist ja nicht so groß!", beendete ich das Gespräch etwas unüberlegt, da ich dem Mann jetzt nun doch Hoffnung gemacht hatte, vielleicht doch mit mir ausgehen zu können.
Doch dafür konnte ich mich später auch noch Ohrfeigen. Sein Herzschlag wurde nun noch schneller und ich konnte mich kaum noch zusammenreißen. Mit einem leichten gequälten Lächeln, entfernte ich mich schnellen Schrittes von den zwei jungen Männern, lief hastig die Treppe aus der Station nach oben und suchte die nächste Gasse auf.
Meine Atmung ging schnell, mein Herz raste und meine Reiszähne, die nun hervorgekommen waren, bohrten sich in meine Unterlippe. Durch das wenige Blut, welches aus den kleinen Wunden in meiner Unterlippe in mein Mund floss, wurden nun auch meine Augen schwarz und mein Jagdinstinkt wurde immer stärker. Mit gesenktem Blick lief ich weiter zur nächsten Gasse.
Als ich in der Gasse ankam, atmete ich erstmal tief durch, versuchte meinen immer noch rasenden Puls zu beruhigen und meinen Jagdinstinkt wieder unter Kontrolle zu bekommen. Nervös tigerte ich ein paar Minuten auf und ab, bis ich mich wieder völlig unter Kontrolle hatte.
Dieses Gespräch mit dem jungen Mann hatte mich völlig außer Kontrolle gebracht, doch ich konnte mir nicht erklären wieso. Sonst konnte ich auch mit Männer flirten und ich hatte mich im Griff. Doch bei ihm war es irgendwie anders.
Aber ich werde ihn wahrscheinlich nicht wieder sehen. Und wenn doch, dann wird er mich sicherlich nicht mehr kennen, also konnte es mir egal sein.
Ich lief aus der Gasse raus in die Richtung von Hell's Kitchen. Dort gab es einen Kräuter Laden, in dem man eine Tinktur kaufen konnte, die es sonst nirgendwo gab. Es war eine Eisenkraut Tinktur, die mir half meinen Jagdinstinkt zu unterdrücken.
Wie ich diese Seite in mir verabscheute. Diese, die versuchte, alles und jeden zu töten, wenn dieser jemand einen nur schräg anstarrte. Wenigstens half mir das Eisenkraut etwas mich unter Kontrolle zu halten.
Ich kam an einem älteren Gebäude an, was dennoch einen netten Eindruck machte, auch wenn die Leute hier einen anderen machten. Die Straßen waren zum Teil schon abgeranzt, die Menschen hier sahen sehr unfreundlich aus, einige saßen auf dem Bordstein und bettelten um Geld.
Schnell betrat ich den Kräuterlanden, in dem eine ältere Frau, die Anfang sechzig war, ein Regal einräumte. Der Duft der vielen Kräuter stieg mir in die Nase und betäubte somit ein wenig meine viel zu geschärften Sinne.
Als sie die kleine Türklingel vernahm, drehte sie sich zur Tür, mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.
"Evelyn!", begrüßte sie mich erfreut.
Erfreut mich zu sehen, kam die alte Frau auf mich zugedackelt.
"Macey, wie schön dich zu sehen!", begrüßte ich die alte Frau und nahm sie in den Arm.
"Wieder mal die Eisenkraut Tinktur?", fragte die alte Frau.
Ihre langen weißen Haare ließen ihre Haut recht bleich wirken, was sie beinahe wie ein Geist aussehen ließ. Doch nur so kannte ich Macey. Und so mochte ich sie auch am liebsten.
Sie dackelte zur Theke, um dahinter ein kleines Fläschchen hervor zu holen, worin sich die Eisenkraut Tinktur befand. Sie packte es in eine kleine braune Tüte ein.
"Wie viel Schulde ich dir?", fragte ich sie.
"Nichts mein Kind!", verneinte sie lächelnd.
"Doch Macey! Ich kann das nicht kostenlos an mich nehmen!"
Sie nahm die kleine Tüte, drückte sie in meine rechte Hand und schloss meine Hand darum.
"Es ist ein Geschenk!", lächelte die alte Frau warmherzig.
"Ich danke dir!", bedankte ich mich lächelnd.
"Ich wünsche dir noch einen schönen Tag, Evelyn!", verabschiedete mich die alte Dame.
"Ich dir auch, Macey!", verabschiedete ich sie ebenfalls und verließ den kleinen Kräuterladen.
Draußen auf dem Gehweg, packte ich die Tinktur in meine Handtasche und machte mich auf den Rückweg zu meiner Wohnung in Brooklyn. Gemütlich ging ich zur nächsten U-Bahn Station.
Ich versuchte den Vorfall von vorhin zu vergessen. Wie konnte ich nur die Kontrolle verlieren? Es war genauso ein Mann, wie jeder andere auch. Niemals zuvor hatte ich die Kontrolle so sehr verloren, nur wenn ich es wollte.
Ich schüttelte den Kopf, um von dem Gedanken loszukommen. Diesen Vorfall musste ich einfach vergessen.
Ich lief die Treppe nach unten zur Station, die zu dieser Uhrzeit mehr als überfüllt war.
Die Luft hier unten war stickig, roch nach Schweiß und Parfüm und alle redeten wild durcheinander, weswegen nach recht kurzer Zeit mein Kopf anfing schmerzhaft zu pochen.
Um so froher war ich, als die Bahn recht schnell kam. Ich quetschte mich mit gefühlt halb New York in die Bahn Richtung Brooklyn.
Wenigstens hatte ich dieses Mal einen Sitzplatz und konnte kurz die Augen schließen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 10, 2016 ⏰

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