Kapitel 2

120 7 0
                                        

Langsam und immernoch geschockt ging ich die Treppe runter.
Ich hatte einen Bruder. Na gut er war nur Tom's Pflegekind. Aber trotzdem!
Einen gut aussehenden Bruder.
Hatte ich das gerade wirklich gedacht?

Unten angekommen, ging ich zu dem großen knallpinken Umzugswagen mit dem Aufdruck 'Pink ist toll!' (die Mitarbeiter der Umzugsfirma mussten sich wohl einen Scherz mit uns erlaubt haben) und schnappte mir meinen Rucksack.
Als ich sah, dass Noah neben mir lauter Kartons auf einmal trug, nahm ich mir schnell auch noch zwei. Ich wollte - warum auch immer - vor ihm auf gar keinen Fall schwach wirken.

Die beiden schwankenden Kartons in den Armen und meinen erstaunlich schweren Rucksack auf dem Rücken, schleppte ich mich die Treppen bis zu unserem Zimmer hoch.
"Wer ist eigentlich auf die geniale Idee gekommen, dass wir uns ein Zimmer teilen sollen?", fragte ich Noah der sich außer Atem auf eins der beiden Betten warf.
"Naja... Mein Dad und Nicole haben sich gedacht, wir würden uns so schneller damit abfinden, dass wir jetzt Brüder sind.
Ich persönlich denke ja, es hat eher etwas damit zu tun, dass ihr Schlafzimmer im ersten Stock ist..." Bei diesen Worten musste ich unweigerlich lachen, auch wenn ich nicht daran denken wollte, was das mit dem Schlafzimmer auf sich hatte. "Aber entscheide selbst, was du glauben willst."
Ich setzte mich auf das andere Bett und ließ meinen Blick durch unser Zimmer schweifen.
Außer den zwei Betten, die wenn man den Raum betrat rechts und links in der Ecke standen, gab es noch zwei Kommoden, zwei Schreibtische, eine Sitzecke mit unglaublich vielen bunten Kissen und noch einige Regale. An den Grün, schwarz und weiß gestrichenen Wänden hingen Bilder von Städten, Naturphänomenen und bunten Graffitis. Ich fragte mich wer sich wohl die mühe gemacht hatte und diese ganzen Fotos ausgewählt hatte.

"Wir sollten lieber auspacken, damit wir die nächsten Kisten holen können.
Ich weiß ja nicht wie das bei dir ist, aber ich konnte mich nicht entscheiden was ich alles mitnehmen sollte und was nicht."
Mit diesen Worten, stand er auf und ging zu dem Kistenstapel, der sich neben seiner Kommode befand.
Ich gab mir innerlich einen Ruck und stand ebenfalls auf. Irgendwann würde ich mein Zeug ja eh auspacken müssen. Warum dann nicht gleich?

Ich sah wie Noah eine Spiegelreflexkamera aus der obersten Kiste holte und behutsam in das eine Regal stellte.
"Du fotografierst gerne?" Fragte ich um das peinliche Schweigen zu unterbrechen, das entstanden war, während wir beide die Habseligkeiten des jeweils anderen anstarrten, immer auf der Suche nach Dingen, die einem etwas über die Persönlichkeit des anderen verrieten.
"Ja. Die Fotos hier an den Wänden habe ich alle selber gemacht" antwortete er stolz.
"Was die sind von dir?! Die sehen ja aus wie vom Profi!"
"Danke. Das ist das einzige in meinem Leben, das immer für mich da war."

Als wir beide fertig ausgepackt hatten und es keine weiteren Kisten mehr gab rief meine Mutter uns von unten zum Essen.
Wegen des Umzugs, hatten sie Essen beim Griechen bestellt.

Eigentlich hatte ich erwartet, dass ich die ganze Nacht wach liegen würde und über meine neue Familie nachdenken würde aber erstaunlicherweise wirkte das leise Schnarchen, das Noah von sich gab sehr beruhigend auf mich. Innerhalb kürzester Zeit war ich tief und fest eingeschlafen und wachte erst wieder vom nervtötenden Piepsen eines Weckers auf.
Ein Wecker?!? Es war doch Sonntag.
Mühsam drehte ich mich um und sah Noah nur in Boxershorts vor seinem Schrank stehen.
"Warum um alles in der Welt bist du schon wach?" Fragte ich entgeistert und rieb mir den Schlaf aus den Augen.
"Ich bin verabredet" entgegnete er knapp.
"So früh?"
Es war erst halb Acht.
An Wochenenden schlief ich meistens bis elf Uhr, wenn nicht länger.
"Ging nicht anders." kam es zurück.
"Und mit wem triffst du dich?" Fragte ich, während ich mich aus meinem Bett stämmte. Ich war zwar ein Langschläfer und ein ausgewachsener Morgenmuffel, aber wenn ich einmal wach war, war jegliche Hoffnung ich könnte noch einmal einschlafen vergebens.
"Kann dir egal sein", antwortete Noah genervt.
"Ich wüsste aber nunmal gerne wem ich es zu verdanken habe nicht genug Schlaf bekommen zu haben."
Ich musterte ihn neugierig.
"Irgendein Mädchen?"
"Ach quatsch!" Antwortete er grob.
"Ich treffe mich mit einem Freund."
"Und deswegen putzt du dich so raus?", fragte ich skeptisch.
Inzwischen trug er ein kariertes Hemd, eine schwarze Jeans und schwarze Chucks. Das war seinem gestrigen Outfit sehr ähnlich, aber das Hemd schien fein säuberlich gebügelt zu sein und seine Haare hatte er auch gebändigt.
"Mein Freund ist mir halt sehr wichtig.", sagte er und polterte die Treppen runter. Ich hörte die Tür zuschlagen, als mir klar wurde, dass mich der Ausdruck ''mein Freund' irgendwie störte.
Ich zog mich schnell an und ging auf Besichtigungstour durch das Haus.
Es war so groß, nach zwei Stunden war ich immer noch nicht fertig.

Im Keller, gab es einige mit Krims-Krams vollgestopfte Räume, in denen man sich ewig verlieren könnte, aber was mich am Meisten interessierte, war ein großer Raum am Ende des Flurs.
In der Mitte stand ein nobler Billardtisch und an den Wänden hingen die passenden Queues.
Mein Opa hatte mal versucht mir das Spielen beizubringen, aber er war gestorben bevor ich das Spiel wirklich beherrschte.

Ich fasste mir einen Entschluss, ich würde ihm zu Ehren Billard spielen lernen.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 23, 2017 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Neue Familie? Nein danke!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt