Es war angenehm kühl. Orangene Blätter fielen von den Bäumen und der Duft von Esskastanien lag in der Luft. Ich lief zu ihrem Haus und wartete vor der Haustüre nachdem ich geklingelt hatte. Als Camilla nicht öffnete ließ ich mich auf einen der weißen Plastik-Gartenstühle nieder. Die Farbe blätterte schon langsam ab und auf dem dazu passenden Plastik-Tisch stand ein Aschenbecher der überfüllt von Zigarettenstummeln war. Langsam zog ich eine Schachtel Zigaretten aus meiner Jacke und spielte eine Zeit lang mit dem Feuerzeug. Die letzten Sonnenstrahlen trafen mein Gesicht und ich genoss die letzte Wärme des Tages. Als ich Camillas blonden Schopf um die Ecke biegen sah, stand ich auf und lächelte breit. "Wie lang wartest du schon?" Fragte sie etwas schuldbewusst. Ich beantwortete ihre Frage mit: "Nicht lange." Sie strich sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht und lächelte leicht während sie in ihrer Tasche nach den Schlüsseln suchte.
Später am Abend lag ich mit offenen Augen neben Camilla im Bett und starre auf die Silhouetten der Möbel. Wir hatten eine Flasche billigen Rotwein getrunken und Filme angesehen. Sie erzählte mir von Quentin, ihrem Freund und die Beziehungsprobleme zwischen den beiden. Ich gab Ratschläge, wobei ich kaum Ahnung in solchen Sachen hatte. Jetzt erfüllte ihr Schnarchen den Raum. Dieses Schnarchen habe ich in den darauffolgenden Monaten noch oft gehört. Das nächste Mal hörte ich es als sie in meinem Auto auf dem Beifahrersitz einschlief. Als wir zusammen in Italien waren und sie auf der Decke am Strand lag und schnarchte, hörte ich das Geräusch. Dann als sie im Kino, mit der Popcorntüte in der Hand wegdöste. Als sie tränenüberströmt bei mir zu Hause auftauchte, mit einem blauen Auge von Quentin und auf meinem Sofa wimmernd einschlief hörte ich das Schnarchen. Danach hörte ich das Schnarchen als sie sich zum ersten Mal Heroin injizierte und später dann einnickte. Als sie unsere Freundschaft aufgab, weil ich anscheinend zu fein für sie war und sie danach tief und fest, mit dunklen und tiefen Ringen unter ihren Augen auf ihrem Teppich einschlief hörte ich auch das Schnarchen. Camilla wurde zum Junkie doch das war okay, sie hatte losgelassen.
Sie hatte Quentin losgelassen.
Sie hatte ihr verächtliches Gerede über Drogenabhängige losgelassen.
Sie hatte ihr Studium losgelassen.
Sie hatte ihre Träume und Hoffnungen losgelassen.
Und sie hatte mich, ihre beste Freundin, zurück- und losgelassen mitsamt drei billigen Rotweinflaschen die immer noch auf dem Kühlschrank auf sie warteten.
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Das Zurückgelassene Mädchen
NouvellesBesondere Geräusche von besonderen Menschen, die man in besonderen Momenten hört.