Chapter 1.

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POV Victoria

Mit immer noch verschlossenen Augen fege ich meinen billigen Wecker von meinem Nachttisch. Der Wecker scheint mich jedoch weiter penetrieren zu wollen und hört nicht auf zu klingeln. Wütend robbe ich mich aus meinem kuschelig warmen Bett, versuche dabei die Decke um meine im Bett gebliebenen Körperteile zu schlingen, darauf bedacht mit meinen unfähigen Fingern den Wecker zum Schweigen zu bringen. Als sich in meinem Zimmer endlich Ruhe ausbreitet, bin ich wutentbrannt und hellwach.
Nachdem ich die immer dunkler werdenden Ringe unter meinen Augen abgedeckt habe und das, was in meinem Gesicht noch zu retten ist, mehr oder weniger erfolgreich geschminkt habe, mache ich mich auf den Weg zur Buchhandlung. Meine Eltern, nur mit einer vagen Verabschiedung beachtet, frühstücken weiter.
Müde schleppe ich mich die drei letzten Stufen hinauf, die mich zu meiner momentanen Arbeitsstelle führen. Trudy empfängt mich, die Tür öffnend, mit einem Kuss auf die Wange, bei dem sie sich auf die Zehenspitzen stellen muss.
» Deine Größe hätte ich früher gerne gehabt, Liebes « gab sie mit einem liebevollen Lächeln zu. Innerlich seufze ich auf. Wie gerne ich doch gute 10 cm kleiner wäre. Ein Beschützerinstinkt ist durch meine Größe von 1,75 m  bei einem Mann unmöglich zu erwecken. Es sein denn er wäre über 1,90 m, aber wer ist das hier in London schon?
Trudy stattdessen ist eine zierliche und kleine Frau, die trotz ihrer circa 60 Jahre und ihrer grauen, zu einem Dutt hochgesteckten Haare, etwas elfenhaftes an sich hat. Wie gerne ich doch mit ihr tauschen würde - ein Wunsch der mir für immer unerfüllt bleiben würde.

Das Klingeln der Türglocke, lässt mich von den Bestelllisten hochblicken. Mein Blick schweift durch den Raum. Alle Wände, des kleinen Geschäftes, sind mit Bücherregalen gesäumt, die die unterschiedlichsten Bücher beherbergen. Eine kleine Leseecke, bestehend aus einem alten Ledersofa, kann meine Aufmerksamkeit nicht länger auf sich lenken.
Ein ganz in schwarz gekleideter Mann hatte die Buchhandlung betreten und sah sich mit undeutbarer Miene um.
Sofort kann ich seiner Präsenz nicht entweichen und fühle mich daraufhin minderwertig, vollkommen eingeschüchtert. Unsicher zupfe ich an meinem gelb- beige gepunkteten Pulli und blicke auf meine Cowboy Stiefeletten herab.
Warum ist Trudy gerade jetzt im Keller? Ich komme zu dem Schluss, dass ich mich wohl oder übel mit ihm befassen muss. Vielleicht überlegt er es sich ja anders und geht rückwärts wieder durch die Tür?! Doch wie auch schon bei meiner Größe, bleiben meine Wünsche meistens unerfüllt.
Als ich mich dazu überreden kann, den Blick wieder zu heben, steht er direkt vor mir, hinter der Kasse.
Ich spüre, wie mir die Luft aus den Lungen entweicht, als dunkelgrüne Augen meinen Blick begegnen. So Dunkelgrün, dass sie bei der schlechten Beleuchtung hier im Buchladen, schon fast schwarz wirken. Schüchtern starre ich zu ihm hoch, in die von dichten Wimpern umringten Augen. Als ihm eine schwarze Haarlocke in die Augen fällt, lasse ich meinen Blick langsam über seine markanten Gesichtszüge gleiten, die so aussehen, als wären sie in Stein gemeißelt.
» Ist die Beratung hier immer so wortkarg? « höre ich seine tiefe Stimme fragen, die so unglaublich rau ist, dass man denken könnte, er hätte sie seit Jahren nicht mehr benutzt.
»Nein... « stammle ich vor mich hin und ärgere mich dabei über mich selbst.
»Kann ich Ihnen helfen? « füge ich unsicher hinzu und hoffe, dass er mir meine Zweifel nicht anmerkt.
Er stützt sich mit seinem gebräunten Unterarm auf den Tresen vor mir ab. Seine Augen, nun auf der selben Höhe wie meine, machen es mir unmöglich seinem Blick stand zu halten. Adern zieren seine muskulösen, tätowierten Unterarme und lassen erahnen, dass sich noch weitaus mehr unter dem schwarzen T-Shirt mit v-Ausschnitt verbirgt.
»Du kannst mir sehr wohl helfen, Süße « antwortet er und zog dabei eine seiner dunklen, dichten Augenbrauen hoch.
Ich muss schlucken bevor ich versuche einen zusammenhängenden Satz zu bilden, doch ich kann nur nicken. Als das » Süße « in meinem Kopf nachhallt, färben sich meine Wangen rot.
»Ich brauche ein Buch « klärt er mich auf.
Ich kann mir ein angespanntes Grinsen nicht verkneifen. » Es wäre auch schwierig für Sie hier etwas anderes zu finden «
» Für meine Schwester « spricht er weiter ohne dabei auf meine Stichelei einzugehen. Meine Wangen glühen auf.
» Was liest ihre Schwester denn gerne? « frage ich und versuche dem Blick aus den dunkelgrünen Augen stand zu halten, was sich als deutlich schwierig erweist. Sein Blick ruht auf mir und scheint mich durchbohren zu wollen. Als das lange Schweigen unangenehm wird, gehe ich um den Tresen herum und stelle mich, an den Tresen geklammert, mit höflichen Abstand neben ihn. Während er mich mit zusammengezogenen Augenbrauen mustert, wird meine Aufmerksamkeit auf ein schwarzes Paar abgewetzter Lederboots gelenkt.
» Glaubst du ernsthaft ich wüsste,was meine kleine Schwester liest, Süße? « erwidert er mit sarkastischem Unterton.
» Ähhhh... Wie Alt ist sie denn? « versuche ich meine Professionalität zu wahren.
» 18, ich brauche etwas für ihren 18. Geburtstag «
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, gehe ich in Richtung Belletristik. Hinter mir höre ich große Schritte auf dem Holzboden widerhallen. Als ich vor den Neuerscheinungen stehen bleibe und mich hektisch umdrehe, steht er bereits direkt hinter mir. Ich nehme ein Buch in die Hand und muss mein Kinn recken, um ihn weiterhin anblicken zu können.

POV Jack

Mein Blick fiel auf ihre braunen Cowboy Stiefel.  Ich dachte bis eben, dass wir uns in London befinden und nicht im Wilden Westen. Aus welchem Secondhand Laden hat sie die rausgezogen?
Ich höre sie über eines der Bücher in ihrer Hand reden, kann aber nicht verstehen, was sie da von sich gibt. Namen fallen, Geschichten werden zusammengefasst aber meine Konzentration gilt ganz allein ihr und ihrem Duft. Sie klemmt sich eine hellbraune Haarsträhne hinter ihr Ohr und sieht zu mir auf. Unwillkürlich muss ich daran denken, wie es aussehen würde, wenn sie mit ihrem göttlichen Körper vor mir knien würde. Wie mich ihre hellbraune Augen von unten ansehen würden.
Sie gestikuliert wild mit den Händen und hält das Buch präsentierend vor ihrem Bauch.
» ... Oder dieses: das ist kein fantasy Buch sondern ...« sagt sie gerade, als ich sie unterbreche und frage:
» Aus welcher Familie stammst du? «
Ihr Gesicht wird von Verwirrung überflutet und ihr Mund öffnet sich und schließt sich wieder, als habe sie antworten wollen. Ich merke wie sich meine Augenbrauen zusammen ziehen und eine steile Falte auf meiner Stirn entsteht. Die Antwort kann ja nicht so schwer sein.
» Warum brauchen Sie meinen Familiennamen? « fragt sich mich und ich kann an ihrem Gesichtsausdruck ablesen, dass sie keinen blassen Schimmer davon hat was sie ist, obwohl, ihr Duft eindeutig ist. Ich versuche nicht allzu verständnislos dreinzuschauen, weil ich nicht verstehen kann, weshalb sie es nicht weiß. Ihre Familie muss sie doch über sich aufgeklärt haben. Ich schüttle fast unmerklich den Kopf, während sie mich weiter verängstigt anstarrt.
» Ich glaube das wird meiner Schwester gefallen « sage ich auf das Buch in ihrer Hand zeigend, ohne ihre Gegenfrage zu beantworten » Kann ich zahlen? «
Sie dreht sich zur Kasse und mein Blick fällt auf ihre außergewöhnlich langen Beine in der dunklen Jeans. Noch immer verwundert folge ich ihr. Schweigend bezahle ich das Buch, nicht wissend worüber es handelt und ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, mache ich auf dem Absatz kehrt. Doch auch als die Türe der kleinen Buchhaltung schon hinter mir zugefallen ist, bekomme ich das Mädchen im gepunkteten Pullover nicht aus meinem Kopf.

Bloody Seduction #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt