Kapitel 1

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Es ist ein wunderschöner Morgen im April. Die Sonne strahlt bereits vom Himmel, als ich mich in dem schicken dunkelblauen Kleid, das ich extra für heute gekauft habe, auf den Weg zur Arbeit mache. Heute ist ein wichtiger Tag, denn ich habe eine Präsentation für einen langjährigen Kunden. Wenn ich das souverän über die Bühne bringe, wird das sicher den entscheidenden Ausschlag für die Beförderung geben, die mein Chef mir schon vor einiger Zeit angedeutet hat. Endlich, ich arbeite schon lange genug darauf hin.


Seit Monaten mache ich Überstunden ohne Ende, übernehme so viele Aufträge wie möglich. Darunter auch einer, der mich in eine ziemliche Zwickmühle gebracht hat, und das nicht nur bezogen auf meinen Beruf sondern auch auf mein Privatleben. Nicht zu glauben, wie schnell und intensiv sich dieser Mann in mein Leben geschlichen hat, dabei habe ich alles versucht, um den Auftrag professionell zu Ende zu bringen. Wirklich alles, bis ich irgendwann meinem Gefühl nachgegeben habe und mich mit ihm getroffen habe. Ein Fehler, den nicht nur, dass ich dadurch beinahe meinen Job auf's Spiel gesetzt hätte, nein, seitdem spukt der Typ auch noch permanent in meinem Kopf herum und das geht mir auf die Nerven. Zumindest ist das Projekt inzwischen beendet, ich sollte also keinen Gedanken mehr daran verschwenden und meine Energie stattdessen für meine laufenden Aufgaben verwenden.

Ich steige in mein Auto und fahre los. Es ist nicht mehr das Neueste, genau genommen, ist es bereits ziemlich in die Jahre gekommen. Aber ein neues war bisher einfach nicht im Budget, das wird sich nach meiner Beförderung hoffentlich ändern. Doch damit es auch dazu kommt, muss ich mich jetzt konzentrieren. Nur noch wenige Minuten, bis ich mein Ziel erreiche. Im Gedanken gehe ich noch einmal die Präsentation durch. Heute muss jedes Wort sitzen, andernfalls werde ich es noch wochenlang bereuen.

Schon wieder muss ich an einer roten Ampel anhalten, verdammt heute habe ich aber auch kein Glück. Wenigstens bin ich etwas früher losgefahren, also werde ich es noch pünktlich schaffen, trotzdem ärgert diese rote Welle mich unheimlich. Nervös tippe ich mit meinen Fingern auf das Lenkrad. Komm schon, wenn ich mich beeile habe ich im Büro gleich noch Zeit meine Präsentation in Ruhe durchzugehen.

In diesem Augenblick beginnt mein Handy zu klingeln. Ich lasse meinen Blick auf das Display schweifen. Na toll, schon wieder er, das passt mir gerade gar nicht. Warum kapiert der nicht, dass ich nichts mehr von ihm wissen will? Ja, ich habe einen Fehler gemacht, ich hätte mich nie darauf einlassen sollen, egal wie sehr er mich anzieht. Vom ersten Augenblick an, hat dieser Mann mich in seinen Bann gezogen und ich wusste nicht einmal genau wieso. Aber ich habe es beendet, ich habe ihm klar und deutlich gesagt, dass er mich in Ruhe lassen soll. Ich hätte nicht gedacht, dass er so hartnäckig ist. Es war schließlich nur ein Kuss, na gut mehrere Küsse. Okay, zugegeben eher wildes Geknutsche, und das mehrmals. Noch immer glaube ich seine Lippen auf meinen zu spüren. Seine Zunge, die gekonnt mit meiner spielt. Seine Finger die meinen Körper erkunden. Dieser Mann hat ein Feuer in mir ausgelöst, das ich bisher nicht kannte. Zum Glück habe ich mich noch rechtzeitig stoppen können. Ich habe so schon ein unglaublich schlechtes Gewissen, kaum vorstellbar, wie mies es mir gehen würde, wenn ich tatsächlich mit ihm geschlafen hätte.

Schließlich habe ich einen Freund, genau genommen werden wir bald heiraten. Keine Ahnung, warum ich mich auf diesen Fremden eingelassen habe. Es macht keinen Sinn, denn ich bin glücklich mit Alessio. Er liebt mich und ich liebe ihn. Klar, mit ihm ist es nicht mehr so aufregend, schon lange ist bei uns der Alltag eingekehrt, aber er gibt mir Sicherheit und ich weiß, dass ich ihm vertrauen kann. Genau wie er mir vertrauen kann. Oder eher konnte, bis ich mir diesen Fehler geleistet habe. Diesen gutaussehenden, unheimlich charmanten, witzigen, gut küssenden Fehler. Verflucht, warum muss der auch so gut mit seiner Zunge umgehen können? Allein der Gedanke an seine Berührungen macht mich verrückt. Nein, ich darf gar nicht daran denken. Besonders nicht jetzt. Ich muss ihn aus meinem Gehirn streichen, ansonsten setze ich am Ende noch meine gesamte Zukunft aufs Spiel. Eine Zukunft, die ich genauestens geplant habe, und das mit Alessio. Auf ihn muss ich mich konzentrieren. Angestrengt bemühe ich mich, meine Gedanken auf meinen Verlobten zu lenken, doch immer wieder kommen mir die durchdringenden Augen dieses Mannes in den Sinn. Er hat mich vom ersten Moment an mit diesem Blick angesehen, als könne er durch mich hindurch direkt in meine Seele schauen. Noch immer läuft mir ein angenehmer Schauder über den Rücken, wenn ich daran denke. Nein. Halt, es reicht jetzt. "Alessio, Alessio, Alessio", murmle ich leise vor mich hin. Vielleicht hilft das ja. Tut es nicht, Überraschung. Wie auch, wenn er dauernd versucht mich zu erreichen.

Wieder fällt mein Blick auf das Handydisplay. Inzwischen ist mein Fehler dazu übergegangen, mich auf Whatsapp voll zuspamen. Fast bin ich versucht mein Handy zu entsperren und seine Nachrichten zu lesen. Fast, denn in diesem Moment rettet mich die Ampel, die endlich auf Grün springt. Immer noch im Gedanken an ihn versunken, fahre ich los. Plötzlich ertönt ein Hupen und ich sehe aus dem Augenwinkel gerade noch einen LKW direkt auf die Fahrerseite meines Wagens zurasen. Ein lauter Knall und wenig später wird alles schwarz.

Ich höre ein leises Klopfen, eine weit entfernte Stimme. Die Person scheint nach jemandem zu rufen. "Hallo... könn... mich hören? Los... müssen... da raus..!" Es sind nur einzelne Wörter die ich mitbekomme. Was ist da bloß los? Ich kann meine Augen nicht aufmachen, egal wie sehr ich es versuche. Jemand berührt mich, scheint mich hoch zu heben. Mein Kopf tut unglaublich weh. Auch meine Arme und Beine. Genau genommen schmerzt mein ganzer Körper.

Neben mir ertönt ein gleichmäßiges Piepsen, das mir unglaublich auf die Nerven geht. Was soll das? Abstellen! Ich befürchte mein Kopf platzt sonst jeden Moment. Das wäre vielleicht gar nicht so schlecht, dann würden die Schmerzen wenigstens verschwinden. Wieder ertönt ein Stimmengewirr, ich spüre Hände über meinen Körper tasten, plötzlich leuchtet etwas furchtbar hell in mein rechtes Auge. Was soll das denn jetzt? 

Irgendwann schaffe ich es mit aller Kraft die Augen einen Schlitz zu öffnen. Wo bin ich hier? Ich erkenne nur eine weiße Zimmerdecke. Der Versuch meinen Kopf ein Stück zu drehen scheitert kläglich. Irgendetwas ist da an meinem Hals, dass die Bewegung verhindert. Mir entkommt ein leises Wimmern. "Sie ist wach", höre ich plötzlich jemanden sagen. Wenig später erblicke ich über mir ein verschwommenes Gesicht.

"Hallo, können Sie mich hören?", fragt mich eine Frau. "Ja", aus meinem Hals kommt nur ein leises Krächzen. "Wie heißen Sie?", will sie wissen. Wie ich heiße? Ich denke nach, finde aber keine Antwort. Das kann doch nicht sein? Panik breitet sich in mir aus. Verflucht, was ist nur los mit mir? Ich bekomme gerade noch mit, wie das Piepsen schneller wird, dann fallen meine Augen erneut zu. Wieder ist alles schwarz und es kommt mir vor als gäbe es kein Entrinnen aus dieser scheinbar endlosen Dunkelheit.

Decisions: Folge deinem Herzen [Marco Reus FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt