Kapitel 2

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Langsam trottete Toby durch eine menschenleere Gasse.

Er war schon fast fünf Stunden unterwegs, seine Füße schmerzten schon. Doch die Gegend war noch immer trostlos, vermüllt und heruntergekommen. Nirgends konnte man einen sicheren Schlafplatz finden.

Als Toby den Kopf hob, sah er über dem nächsten Dach schon die Sonne aufgehen. Es war schon längst Zeit, sich zu verstecken. Tagsüber waren oft Polizisten unterwegs und sammelten Straßenkinder ein.

Angeekelt stieg Toby über einen bewusstlosen Mann, der quer über der Straße lag. Neben ihm lag eine zerbrochene Flasche, an der schon eine Ratte schnüffelte.

Als er den Blick von der Ratte löste und nach vorne sah, entdeckte er endlich etwas Erfreuliches.

Ein altes U-Bahn-Stationsschild glänzte in der aufgehenden Sonne. Es stammte wohl noch aus den Zeiten als in Vierteln wie diesen noch reichere Menschen lebten. Das war allerdings schon Jahre her, und Toby bezweifelte, dass es dort unten schön aussah. Doch das Wichtigste war, dass sich die Kindersammler nicht dort hinuntertrauten. Sie blieben lieber in den Gassen, wo noch Tageslicht hinkam.

Toby rannte schon fast auf die Treppe unter dem Schild zu. Noch immer war niemand zu sehen außer ein paar streunenden Katzen.

Der Strahl von Tobys Taschenlampe erhellte bloß einen kleinen Teil der tiefschwarzen Finsternis, die unten herrschte. Überall lagen Flaschen und Müll herum, die Wände waren mit Graffiti bedeckt. Uralte Filmplakate waren von den Wänden gerissen worden.

Mit einem leisen Quieken huschte etwas Rattenartiges aus dem Lichtstrahl.

„Hallo?", rief Toby zögernd in den Gang. Es hallte ein wenig, doch ansonsten herrschte Stille.

Schließlich nahm Toby all seinen Mut zusammen und ging weiter, den Gestank ignorierend.

Endlich kam er eine Reihe Drehkreuze, hinter denen zwei Rolltreppen in die Dunkelheit verschwanden.

Verwundert ging Toby zu den Drehkreuzen und fuhr mit einer Hand über das kalte Metall. Die Station war noch älter als er dachte.

Mit Leichtigkeit schwang er sich über das Drehkreuz und ließ den Lichtstrahl über die Wände wandern. Außer noch mehr Graffiti und einem Fleck, der verdächtig nach einem Einschussloch aussah, gab es nichts.

Toby konnte nichts dagegen tun, ein Schauer lief ihm über den Rücken. Die Stille war ihm unheimlich, er wollte so schnell wie möglich einen Schlafplatz finden.

Er hatte erst die Hälfte der Rolltreppe zurückgelegt, als er hinter sich eine Stimme hörte.

„Hey! Du da!"

Erschrocken drehte Toby sich um und starrte den Jungen an, der oben stand.

„Was willst du hier?", rief er und verschränkte die Arme.

„Was geht dich das an?", schrie Toby zurück und machte rückwärts einen Schritt weiter hinunter.

Er musste unbedingt hier weg. So wie der Junge auftrat, hatte er bestimmt noch andere auf seiner Seite. Das Letzte, was Toby jetzt brauchte, war der Kampf mit einer Straßenbande.

„Was mich das angeht? Das hier ist mein Revier! Verschwinde gefälligst!", brüllte der Junge und funkelte Toby an.

Er versuchte Ruhe zu bewahren und schwenkte die Taschenlampe um sich, auf der Suche nach einem Fluchtweg.

„Kommst du jetzt rauf oder muss ich dich holen?", schrie der fremde Junge und ballte die Hände zu Fäusten. Er war höchstens 15 und mager, sah aber trotzdem ziemlich kräftig aus. Toby hatte keine Chance gegen ihn.

BandenkriegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt