Die Kette

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Am nächsten Morgen stand Belle glücklich auf und ihr fiel aufgrund ihrer Müdigkeit nicht auf, wieso das so war. Während sie vor dem Spiegel stand und in ihrem Haaren herumwuschelte überlegte sie. Es war als hätte sie etwas wichtiges, bedeutendes vergessen und ihr fiel nicht ein was.

Und dann während des Frühstücks fiel es wie Schuppen von den Augen. "Der Geldschein, Der Geldschein!", keuchte sie wie eine verrückt gewordene. Schnell schmiss sie ihr Marmeladenbrot auf dem Teller und rannte in ihr Zimmer um nachzusehen, ob es tatsächlich noch da war. Sie verfluchte sich selbst, dass sie es am vorherigen Abend einfach achtlos in die Hosentasche ihrer alte, mit Flicken übersäte Jeans geknüllt hatte. Doch er war noch da, offenbar komplett unversehrt. Es war, als hätte er auf sich selbst aufgepasst, um sie glücklich machen zu können. "Ein Geldschein mit Kämpferherz", flüsterte sie lächelnd. Sie tat ihn vorsichtig in die Kommode um duschen gehen und nebenbei darüber nachzudenken zu können, was sie nun mit diesem unerwarteten Geldsegen anstellen könnte. Es sollte etwas besonderes sein. Sie dachte an einen Kinobesuch, an ein neues Kleidungsstück oder ähnliches, aber nichts schien perfekt genug zu sein. Als sie aus dem Badezimmer kam, überlegte sie sogar das Geld an ihre Mitbewohner zu verschenken, weil sie sich mit so viel Glück schlichtweg überfordert fühlte. Auf dem Sofa lag ein Stapel dieser kostenlosen Zeitungen, die Steve immer hereinschleppte, aber nie las, geschweige denn wegwarf. Die Augen verdrehend, griff sie danach und aus einem der Zeitungen fiel ein violetter Zettel heraus. Sie bückte sich und sah, dass es ein Werbeflyer für einen Flohmarkt war, der an diesem Tag stattfinden sollte. "Das ist doch mal was", murmelte sie vor sich hin. Sie hatte ohnehin frei und auf dem Flohmarkt zu gehen war besser als rumsitzen und Trübsal blasen. Und vielleicht würde sie ja auch zufällig auf etwas stoßen, was ihr gefallen würde. "Genau und auf etwas das mein Leben endlich zum guten wenden wird", sagte sie spöttisch zu sich selbst.

Ein fröhliches Lied pfeifend ging sie die halbe Stunde zu dem alten Parkplatz, den niemand mehr nutzte, aber auf dem regelmäßig ein Flohmarkt stattfand. Sie war lange nicht mehr auf einem Flohmarkt gewesen. Wenn sie so darüber nachdachte, hatte sie lange nichts mehr unternommen und aus diesem Grund überkam sie sogar eine gewisse Vorfreude. Sie ging an manchen Ständen ein wenig schneller vorbei als an anderen, die sie etwas mehr interessierten. Doch für sie interessanter waren die Menschen, die auf dem Flohmarkt herumwuselten. Eine altere Dame zum Beispiel hatte einen Stand an dem sie nichts anderes als rosa Wolle verkaufte. Belle lief ein bisschen herum und überlegte sich, ob sie sich ein oder mehrere Bücher kaufen sollte, doch sie fand, dass es keine gute Idee war, weil sie, obwohl sie früher das Lesen geliebt hatte, seit über drei Jahren nicht mehr zum Lesen gekommen war. Sie wollte immer wieder damit erneut anfangen, war aber schlichtweg nie dazu gekommen. Nach einer Weile kaufte sie sich einen Crêpe mit Maronencreme, der ihr so gut schmeckte, dass sie schon überlegte, ob sie nicht einfach ihr komplettes Geld für mehr Crêpes ausgeben sollte. Doch sie wollte nicht den sicheren Zuckertot sterben und ging lieber weiter.

"Na Liebes, schaust du dich um?", fragte eine ältere Frau. Belle nickte. Sie wusste gar nicht, warum sie an diesem Stand stehen geblieben war, an dem es nur altes Geschirr zu geben schien. Die Frau musterte Belle kurz. "Du scheinst etwas ganz besonderes zu sein. Deine warme Ausstrahlung verrät es mir", sagte sie zu Belle . Daraufhin errötete diese. Wahrscheinlich war dass nur ein Spruch zu sein, um potentzielle Kunden Honig ums Maul zu schmieren, aber bei Belle, die noch nie ein wirkliches Kompliment erhalten hatte, traf sie damit ins Schwarze. "Oh nein das denke ich nicht", nuschelte sie schüchtern. Die Dame lächelte warmherzig. "Oh doch da bin ich mir sicher, obwohl du am Mundwinkel Essensreste hast", konterte die sie. Rasch wischte Belle sich die Maronencreme mit dem Ärmel ihres Pullovers ab. "Und ich weiß ganz genau, was zu dir passt...", fuhr die Frau fort, während sie eine kleine Schatulle, die unter einem blauen Teller stand, in die Hand nahm. Vorsichtig öffnete sie diese und hielt sie Belle hin. Drinnen war ein schlichtes Medallion, dass wohl aus einem edleren Material bestand, an einer Kette hing und vielleicht auch ganz hübsch gewesen war, wenn sie nicht .... "Aber die ist ja ganz verostet!", rutschte es aus Belle heraus. Schnell schlug sie sich auf dem Mund und verfluchte sich selbst für ihre eigene Dreistigkeit. "Ja das ist sie. Das Medallion geht noch nicht mal auf, aber dennoch ist darin viel Schönheit versteckt". Belle biss sich auf die Lippe. Die Frau hatte recht. Dieses alte Schmuckstück hatte etwas an sich, was sie aus irgendeinen Grund faszinierend fand. Und das obwohl sie Schmuck sonst verabscheute. "Wie viel....", fing sie an, wurde jedoch von der Frau unterbrochen :"Ach behält dein Geld für dich. Ich schenke sie dir". Ungläubig starrte Belle die Frau an. Seit langem hatte sie nichts mehr geschenkt bekommen.

Sofort machte sie die Kette um, bedankte sich und ging fröhlich zu einem anderen Stand, um sich einen Stapel zufällig ausgesuchter Bücher zu kaufen und gönnte sich obendrein noch ein Crêpe. Am Ende des Tages war sie einfach nur glücklich.

Das Stehaufmädchen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt