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"Frohen Ersten, die Damen." Ein gutaussehender, hochgewachsener junger Mann gesellte sich wie selbstverständlich zu mir und meiner Schwester. Sein Name war Zachariah und er war derjenige, der in wenigen Wochen in dieser Kirche Cilla das Jawort gab.

Die Kirche war schäbig, die graue Farbe an den Wänden bröckelte an manchen Stellen und das ein oder andere Fenster war eingeschlagen, wenn nicht komplett entfernt worden. Viel mehr war von einer Kirche in unserem heruntergekommenen Viertel nicht zu erwarten. Dieses war das ärmste der gesamten Insel und wirkte neben dem majestätischen Gebirge noch kleiner und unbedeutender als es tatsächlich war.

"Guten Morgen, Zach", begrüßte ihn meine Schwester Cilla in ihrer üblichen, zuckersüßen und größtenteils nervig hohen Stimme. Kurz darauf drückte sie ihm einen flüchtigen Kuss auf seine leicht behaarte Wange. Das perfekte Paar unseres Viertels, denn vom ersten Tag an hatten sie gewusst, dass sie füreinander bestimmt waren und diese gesamten sechs Jahre verstand ich weshalb ausgerechnet die beiden zueinander finden mussten.

Ich war nicht neidisch, wie so manch einer vermuten könnte. In einer Welt in der Liebe durch das Schicksal entschieden wurde und sich dadurch ausmachte einen heftigen Schmerz zu verspüren, wenn man in die Augen der richtigen Person sah, war Neid fehl am Platz. Ich selbst hatte diese Erfahrung noch nicht gemacht und mir lief die Zeit langsam aber sicher davon.

Ein etwas dicklicher, glatzköpfiger Pfarrer trat vor sein Podest und drückte einen der Knöpfe. Es folgte ein Summen, während eine große, weiße Leinwand von der Decke aus herunterfuhr. Andere, besser gestellte Viertel hatten Versammlungsorte für jeden ersten Tag eines Monats, der bei uns seit des Großen Krieges als Feiertag galt. Unser Viertel konnte sich einen solchen Platz nicht leisten und so trafen wir uns zu jeder Festlichkeit in der Kirche um uns die Ansprache des Hauptviertels anzuhören.

Heute, wie an jedem anderen Ersten, erschien an der Leinwand eine Übertragung des Hauptplatzes, der Ausbildungsleiter am Mikrofon im Vordergrund, dahinter ernst aussehende junge Männer, die direkt vor einem riesigen, weiß-goldenen Gebäude standen. Auf dessen Balkon beobachteten vier elegant gekleidete Personen das Geschehen: König Calder, seine Frau Königin Sheila und deren Sohn Prinz Braydon, sowie seine jüngere Schwester Prinzessin Phaeria.

"Bürger von Roscrea, bitte werdet ruhig", begann Ausbildungsleiter Skander zu sprechen. Seine breiten Schultern und sein kämpferischer Blick zeigten, dass er ein aktiver Teil der Übungen für zukünftigen Beschützer war. Narben auf seinem Gesicht und seinen Händen zeugten von Kämpfen die er gefochten hatte. Als Kind hatte ich oft danach gefragt woher solche Narben kamen, wenn es seit Jahrhunderten keine Kriege mehr gab. Eine Antwort hatte ich nie erhalten und so hörte ich auf danach zu fragen. "Mit Stolz möchte ich euch unsere neuesten Absolventen vorstellen."

Die Menge applaudierte und jubelte voller Stolz.

"Sie sind die nun vollwertige Mitglieder unserer Gemeinschaft und werden ihr Leben gemeinsam mit ihren Seelenverwandten verbringen um ihr Leben vor dem Unheil ihrer Träume zu bewahren und das Überleben auf unserer Insel zu sichern."

Wenn man genau hinsah, entdeckte man an der rechten Seite der Aufnahme eine Reihe von Männern, die verzweifelt umher sahen, als suchten sie nach etwas - oder besser gesagt: jemandem. Sie hatten ihre Seelenverwandten noch nicht gefunden und sollte sich dies bis zum heutigen Abend nicht ändern, war dies das Ende der jungen Frauen.

Genau das stand mir bevor. Nur noch ein Monat und dann waren wir an der Reihe. Cilla und Zachariah wären auf ewig glücklich und vereint und wenn ich bis dahin nicht erfuhr mit wem mir ein Leben bestimmt war, konnte ich mich von diesem verabschieden.

Während ich ein weiteres Mal darüber nachdachte, dass mein Leben bald vorbei war, verpasste ich wie der kräftigste aller Absolventen in der Reihe die Stufen herunterstieg und vor Skander stehen blieb. Er hatte sich als würdig erwiesen in der königlichen Garde aufgenommen zu werden.

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