Ein kalter Wind strich über meine Haut und zerzauste meine roten Haare. Als ich die Augen wieder öffnete, erkannte ich, dass es dunkel war. Damit meinte ich nicht die Art von Dunkel in der man seine eigene Hand nicht länger sehen konnte. Was ich meinte war ein angsteinflößendes Nichts, das einem mit jedem weiteren Atemzug die Luft abschnürte.
Trotz der durch die Finsternis umhüllten Wände konnte ich kleine Schatten auf ihnen sehen. Wie kleine Tänzer bewegten sie sich alle im Takt zu einer Musik, die ich nicht hören konnte. Ihre verzerrten Gesichter gaben dem ganzen etwas Groteskes.
"Sunrise", sprach eine leise und dennoch unheilvolle Stimme auf mich ein. Die Schatten gerieten in Panik und wichen in verschiedene Richtungen aus. "Mach mir die Tür auf, Sunrise." Es klopfte drei Mal langsam an der durch Stahl versiegelten Tür des Zimmers. In unsicheren Schritten ging ich auf eines der Fenster zu und versuchte auf Zehenspitzen den Besucher auszumachen. Doch die Finsternis gestattete mir keinen Blick.
"Bald, Sunrise. Sehr bald", flüsterte die Stimme, leise gegen die Tür, als könnte sie kaum erwarten an mich heran zu kommen. "Diese Wände werden dich nicht mehr lange beschützen können. Und dann wirst du beginnen zu rennen. Und ich werde dir folgen bis ich dich erreiche."
Ein helles Licht brachte mich wieder zurück in die reale Welt. Die Morgenröte schien durch das Fenster meines Zimmers und hielt mich davon ab weiterhin Schlaf zu finden.
Ich erinnerte mich nicht daran, wie oder wann ich am vorigen Abend ins Bett gegangen war, doch ich fühlte mich unglaublich müde und ausgelaugt. Selbst wenn ich nicht zur Arbeit gehen müsste, wäre Schlaf nicht die richtige Lösung, denn seit Jahren brachte mir dieser keine Ruhe mehr, sondern viel eher eine tiefe Verzweiflung.
"Rise, kann ich reinkommen?", hörte ich jemanden an der Tür sprechen. Ihre Stimme klang gedämpft, doch durch die Tatsache, dass sie mich Rise nannte, konnte ich Cilla ausmachen. Nicht sonderlich begeistert über ihren Besuch schleppte ich mich aus dem Bett und schloss ihr die Tür auf damit sie eintreten konnte.
"Morgen, Cilla", murmelte ich etwas leiser als sie, bevor ich mich wieder auf mein Bett zu bewegte und erneut hinlegte. Cilla folgte mir auf Schritt und Tritt und legte sich schließlich zu mir um mich in den Arm zu nehmen. Ich erwiderte die Umarmung sofort; schwesterliche Liebe und der fertige Ausdruck auf ihrem Gesicht ließen mir keine andere Wahl.
"Er hätte es fast geschafft, Rise", flüsterte Cilla mir zu als sie ihr Gesicht in meiner Schulter vergrub. Vorsichtig strich ich ihr über ihren Rücken, durch ihre Tränen wurde mein Oberteil durchnässt. Cilla hatte ein zu reines Herz um ihre Alpträume so unbeschadet zu überstehen wie es von meiner Seite aus der Fall war.
"Ich weiß", flüsterte ich meinem Zwilling zu. Von uns beiden war sie diejenige, die in der Lage war Mitgefühl zu zeigen, während ich an meinem jämmerlichen Versuch scheiterte. "Aber du brauchst keine Angst haben. Bald ist Zach mit dir dort und wird dich beschützen und dann musst du nie wieder Angst haben."
Wir lagen eine ganze Weile so da, die Zeit verstrich unbemerkt. Ich verstand ihre Ängste, immerhin teilten wir dasselbe Leid, trotzdem wollte nicht zu mir durchdringen, wieso sie sich so verhielt. Sie hatte einen Retter. Sie hatte eine Zukunft. Sie hatte Hoffnung. Und ich hatte nicht viel mehr als die mir verbleibenden Tage.
"Wir sollten uns fertigmachen, Cilla", beendete ich unseren schwesterlichen Moment. Wir hatten Verpflichtungen zu erfüllen, sie mit ihrem Medizin-Lehrgang, ich mit meiner Fabrikarbeit. Seit unserer Kindheit gab es keinen ruhigen Tag mehr. Und so sehr ich die Kirchengänge und Versammlungen hasste, waren dies die einzigen Momente in denen ich meine Ruhe hatte.
"Du hast Recht, Rise. Ich gehe dann in mein Zimmer. Wir sehen uns beim Frühstück", verabschiedete sie sich und verschwand wieder. Manchmal fehlte mir die Verbindung, die wir früher teilten, doch ließ ich mich nicht beirren; der einzige Grund wieso sie in mein Zimmer gekommen war, bestand aus der Tatsache, dass Zach noch nicht hier war und Mutter noch geschlafen hatte.
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Guardian
Science Fiction"Sunrise. Bitte. Denk daran, dass wir die Welt verbessern wollen. Gemeinsam", sprach der eine. "Sunny. Erschieß' ihn endlich. Er hat dich belogen", sagte der andere. "Es tut mir leid." Das Metall in meinen Händen reflektierte die Farbe d...