Ein lauter Knall. Ich schreckte hoch und rannte zum Fenster. Auf der Straße liefen dutzende Menschen wild durcheinander. Wieder knallte es. Ich hielt mir die Ohren zu und hockte mich auf den Boden. Ich stand langsam wieder auf und schaute wieder vorsichtig aus dem Fenster. Die Knälle kamen von Waffen die Männer in Uniformen mit sich trugen. Was war da draußen los?
Ich schaute auf die Straße und versuchte mir einen Überblick zu verschaffen. Überall lagen Tote, Blut war auf dem Weg verteilt,Menschen liefen schreiend durcheinander. Meine Mutter kam in mein Zimmer gelaufen.
"Mamá,was ist da los?",fragte ich sie ängstlich.
"Napoleon..",flüsterte sie.
Ich ging zu ihr rüber und schaute sie an.
"Was ist mit Napoleon? Was hat er getan?",fragte ich.
"Er...Er hat das Königshaus gestürzt und sie müssen jetzt ihm gehorchen...",stammelte meine Mutter.
Zuerst spürte ich Wut in mir und dann Panik. Mein Vater.
"Aber Mamá,Papá ist im Palast! Was ist mit ihm?",rief ich denn das Geschrei auf der Straße wurde lauter.
Tränen liefen meiner Mutter über das Gesicht.
"Ich weiß es nicht",antwortete sie und setzte sich auf mein Bett.
Ich trat wieder näher an das Fenster heran. Es knallte erneut mehrmals und ich hockte mich reflexartig auf den Boden. Das Atmen fiel mir auf einmal schwer. Meine Mutter kam auf mich zu und kniete sich ebenfalls hin.
"Ist alles in Ordnung?",fragte sie und legte einen Arm um mich.
Ich schüttelte den Kopf. Unser Land wurde von einem selbsternannten Kaiser regiert und ich wusste nicht wie es meinem Vater ging, der im Königshaus arbeitete. Hinzu kam der Massenmord draußen.
Ich hielt mir die Ohren zu aber das Geschrei hallte in meinem Kopf wider.
Meine Mutter hievte mich hoch und wir gingen langsam in ihr Schlafzimmer,da es nicht wie mein Zimmer an der Straße lag.
Ich weiß nicht wie lange es gedauert hat, bis ich eingeschlafen bin,aber meine Nacht war von Albträumen geplagt.Morgens wachte ich zitternd von einem Albtraum auf und gab die Hoffnung auf,erneut einschlafen zu können. Meine Mutter schlief noch,also schlich ich mich leise zurück in mein Zimmer. Ich atmete tief ein und trat ans Fenster. Mir wurde schlecht,als ich alles sah. Natürlich wusste ich schon längst wie die Straße aussah aber das Ganze bei Tageslicht zu sehen, hinterließ einen komplett neuen Eindruck. Die ganzen Leichen,das Blut und improvisierte Waffen wie Holzstücke oder Metallstäbe lagen auf dem Weg.
Ich lehnte mich mit dem Rücken an die Wand und atmete tief ein und aus.
'Das darf nicht wahr sein,das darf einfach nicht wahr sein',sprach ich mir in Gedanken zu.
Ich zog mich um und legte mir einen Schal um die Schultern. Auch wenn es verrückt war und ich meiner eigenen Psyche schaden würde-ich musste raus.
Ich ging vorsichtig die Treppe hinunter und zog die Tür leise hinter mir zu. Der Glockenturm zeigte erst 6:45 Uhr an, deswegen lagen noch die meisten toten Menschen auf der Straße.
Ich sah einige Mönche kommen, die vor jedem Toten stehen blieben und ihnen etwas zusprachen.
Einer von ihnen verließ die Gruppe und kam auf mich zu.
"Kind,was machst du um diese Uhrzeit schon hier? Hast du kein Heim?",fragte er mich und faltete seine Hände.
"Ich habe ein Zuhause",antwortete ich ihm und zeigte auf die Tür vor der ich immernoch stand,"Ich konnte nur nicht mehr schlafen."
Der Mönch blickte nickend umher.
"Ja,ja,unserer Stadt ist grausames Unheil widerfahren."
Ich nickte und musste wieder an meinen Vater denken.
"Aber warum sitzt du dann nicht in deinem Zimmer,sondern gehst hinaus?",fragte der Mönch.
"Ich...ich wollte es einfach nur nochmal von Nahem sehen denke ich. Ich musste einfach rausgehen. Ich wollte mich nicht hinter meinem Fenster verstecken",erklärte ich ihm.
Er nickte.
"Du hast ein Gutes Herz,mein Kind. Gott segne dich",sagte er und malte ein Kreuz in die Luft bevor er weiterging.Etwa zwanzig Minuten später kam eine große Gruppe mit Männern und Frauen,die anfingen die Leichen wegzutragen. Es waren auch viele dabei,die weinend neben einigen Toten auf die Knie fielen,da handelte es sich wahrscheinlich um Bekannte oder Verwandte.
Ich beobachtete das Geschehen still von meinem Platz aus.
Ich saß an unsere Tür gelehnt,die plötzlich aufging und ich rollte nach hinten und blickte in die Augen meiner Mutter.
"Was tust du hier?! Komm sofort wieder rein!",sagte sie laut.
Ich stand langsam auf und blickte mich noch einmal um.
"Wieso bist du rausgegangen? Das ist viel zu gefährlich! Was wenn die Soldaten wieder gekommen wären? Hm? Was dann?"
Ich stieß einen Seufzer aus.
"Mamá,ich kann doch nicht so tun als ob nichts passiert wäre",antwortete ich.
Sie schüttelte den Kopf.
"Außerdem",fügte ich hinzu,"gibt es keinen Grund warum die Soldaten wiederkommen sollten. Vor allem nicht so früh am Morgen."
Ich sah das meine Mutter wütend wurde.
"Geh rein. Jetzt",sagte sie leiser und machte mit ihrem Kopf eine Bewegung in Richtung Flur.
Ich seufzte erneut und ging langsam ins Haus zurück. Ich hasste es wenn meine Mutter mir Befehle erteilte,aber da es ihr nicht gut ging gab ich nach.
Meine Mutter schloss die Tür und ging nach oben. Dann hörte ich wie sie ihre Zimmertür schloss.
Ich ging ebenfalls in meine Zimmer und stellte meine Malutensilien und einen Stuhl ans Fenster. Ich fing an die Szenerie unten auf der Straße zu malen. Ich war nicht sehr gut,aber mich stellte es zufrieden.
Ich malte die Toten und summte nebenbei ein Lied.(Kurzgeschichte zu dem Gemälde "Die Erschießung der Aufständischen" von Francisco de Goya,1814.
Geschichtlicher Hintergrund zu dem Gemälde: Das Ereignis auf dem Gemälde geschah 1808. Napoleon I. hatte Spanien unterworfen und das spanische Königshaus musste Napoleon bereits schon gehorchen und seine Befehle ausführen. Am 2. Mai 1808 sollte Francisco de Paula,der Bruder von König Fernando VII., auf Befehl Frankreichs abreisen. Mehrere Spanier versuchten dies zu verhindern, jedoch eskalierte die Situation und es kam zu einem unfairen Kampf. Insgesamt gab es fast 400 Tote. 45 Aufständische wurden in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai auf den Hügel von Principe Pio zusammengetrieben und erschossen.)
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"Das Ende ist erst der Anfang"~Kurzgeschichten-Sammlung
Short StoryEine kleine Geschichte,die Leute berührt. Ein offenes Ende,das Fragen lässt. . . Hier werde ich verschiedene Kurzgeschichten schreiben,jedoch zu keinem bestimmten Thema,es wird eher eine bunte Sammlung werden :)