Mia war die mit den bezaubernden Flechtfrisuren und den gepunkteten Taschentüchern.
Mia saß im Bus immer an der Tür, war in einen Pullover gekleidet und trug stets ein dickes Buch bei sich.
Mia hatte schokoladenbraune Augen, die von einer dunkelblauen Brille umrahmt wurden.
Mia war anders. Und für mich besonders.So gern hätte ich sie mit Fragen überhäuft. Mit ihr bei einem Kaffee über so viele Werte philosophiert.
Doch ich habe es nie getan.
Und mittlerweile bereue ich es.Denn es gab einen Tag, an dem alles anders schien.
Es war der letzte Tag im Dezember.
Mias Haare waren offen und lagen wie ein Kranz um ihren Kopf. Statt eines Pullovers trug sie ein T-Shirt. Ich konnte deutlich die Narben an ihren zarten Unterarmen erkennen. Ihre dunkelbraunen Augen waren geschlossen. Es sah aus, als würde sie schlafen.
Weder ein für sie typisches Buch noch eines ihrer grün gepunkteten Stofftaschentücher hatte sie bei sich. Stattdessen umschloss ihre klamme Hand einen Brief. Um ihr Handgelenk war ein blaues Tuch gebunden.Ich werde wohl nie erfahren, was es zu bedeuten hat.
Denn in dieser eisigen, verschneiten Silvesternacht ging nicht nur ein Jahr zu Ende sondern auch ein Leben.
Unter dem von Feuerwerkskörpern erhellten und bunten Himmel, lag Mia im Schnee, mit verdrehten Gliedern und völlig steifen Klamotten.
Ein seltsames Bild gab sie ab, welches mir nie aus dem Gedächtnis weichen wird.Es war der letzte Tag im Dezember als Mia starb.
Und ein neues Jahr begann.
Ohne sie.Und ich weiter lebte.
Ohne sie.