Mats der Kuppler

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Und Mats überredete Julian tatsächlich, mit ihm ein Bier zu trinken. Man merkte dadurch keinerlei Unterschied, aber Julian war strickt gegen Auto fahren, wenn auch nur ein einziges Tröpfchen Alkohol im Spiel war. Irgendwann wurde mir langweilig und ich ging zu ihm.
"Können wir nach Hause fahren?", fragte ich leise.
"Ich kann nicht fahren...", meinte er und sah sich um. Aber er entdeckte wohl niemanden, der noch nüchtern war.
"Dann gehen wir halt zu Fuß?! Ich bin müde und mir ist langweilig... Solche Partys sind nichts für mich..."
"Ich bin ehrlich gesagt auch müde."
"Was? Ihr wollt gehen?" Wie zuuufällig tauchte Mats auf.
"Ja, wir gehen zu Fuß", erklärte Juli und sah sich wieder um.
"Hast du denn eine Jacke dabei?", fragte Mats mich. Ach shit... meine dünne Jacke würde nicht reichen.
"Sie kann meine haben", sagte Julian sofort und wollte schon seine Sweetjacke ausziehen, aber Mats hielt ihn davon ab.
"Auf meinem Rücksitz liegen eine Jacke und ein Schal von Cathy. Sie hat bestimmt nichts dagegen." Er hielt mir einen Schlüssel hin.
Also lief ich nach draußen und besorgte mir die Sachen. Es war wirklich alles andere als warm! Dann ging ich wieder hinein, um mich zu verabschieden. Julian war schon dabei, aber seine Runde fiel auch deutlich größer aus als meine. Ich sah Mats als erste und lief schnell zu ihm.
"Sag Cathy danke von mir. Ich bring die Sachen morgen vorbei!" Mats lächelte und umarmte mich. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange und bedankte mich noch einmal für alles. Anschließend bedankte ich mich beim Gastgeber und lief dann zu Julian.
"Es wurde auch mal Zeit mit euch beiden!", meinte Bene und lächelte aufrichtig.
"Machs gut, Jules. Bis bald, Larissa", rief Leon zu uns rüber und verschwand in der Menge. Schließlich verließen wir das Haus und wir waren alleine. Ganz entspannt liefen wir los. Es war zwar relativ weit, aber das bedeutete umso mehr Zeit mit Julian alleine.
"Es ist irre kalt!", meinte Julian schon nach einigen Metern.
"Kannst du nicht noch zurücklaufen und Manu um eine Jacke bitten?" Ich blieb stehen. "Geh schnell! Ich warte hier."
"Na gut... bin gleich wieder da." Und schon rannte er zurück. Und plötzlich wurde es mir unheimlich. Alles war totenstill, nachdem Julians Laufschritte verklungen waren. Nicht einmal die Party konnte man hören, obwohl ich höchstens 100 Meter von Manus Haus entfernt war. Ich stand unter einer Straßenlaterne und schaute angestrengt ins Schwarz zu allen Seiten. Der Schatten da bewegte sich... nein das war nur Einbildung! Ich hörte ein Lachen, dabei war es gar nicht da. Ich begann zu zittern und bereute, Julian nicht gefolgt zu sein. Der Wind wurde kaum merklich stärker und ließ die Zweige neben mir erzittern. Ich zuckte erschrocken zusammen und quiekte auf. Beinahe ohrenbetäubend erklang plötzlich mein Handy - jetzt hatte mich jeder Serienkiller im Umkreis von 10 km gehört. Ich kramte nach meinem Handy und ließ es beinahe fallen, bevor ich das Gespräch annahm, ohne zu gucken, wer das überhaupt war.
"Hallo?!", fragte ich ängstlich.
"Larissa..." Ich erstarrte... mein Vater!
"Was willst du?", unterbrach ich ihn hart. Sofort war die Angst weg.
"Deine Mutter meldet sich nicht... ist alles okay?"
"Das du es überhaupt wagst, das zu fragen! Verschwinde aus unserem Leben! Für immer!" Ich legte auf. Und sofort war es wieder totenstill. Aber da war ein  Schatten hinter mir...
"Aaah!" Ich fuhr entsetzt herum und eine Gestalt kam auf mich zu. Erst als ich die starken Arme um meine Mitte erkannte, hörte ich auf, mich zu wehren und sackte erleichtert in mich zusammen. Er musste mich beinahe tragen, sonst wäre ich umgekippt.
"Ssssch... alles gut! Ich bin's, Süße!", flüsterte Julian beruhigend in mein Ohr. Eine ganze Weile blieben wir so stehen, bis ich mich beruhigt hatte, von ihm abließ und nach seiner Hand griff.
"Tschuldigung...", murmelte ich und kuschelte mich in Cathys Schal. Er lächelte und verschränkte unsere Finger miteinander. Dann wurde seine Mine ernst.
"Wer war das gerade?"
"Mein Vater..."
"Was...?"
"Lass gut sein, Julian. Ich will nicht darüber reden. Nicht jetzt und nicht hier." Ich zog ihn auf dem Gehweg weiter und wir verfielen in einen ruhigen Schlenderschritt.
"Okay", er lächelte wieder. Erst jetzt fiel mir die viel zu große Jacke auf, die er trug.
"Schicke Jacke!", lachte ich.
"Vielen lieben Dank", erwiderte er ironisch.
Eine Zeit liefen wir schweigend nebeneinander her. Dabei streifte meine Schulter immer wieder seine und wir spielten beide mit den Fingern des anderen. Währenddessen überlegte ich fieberhaft, wie ich ihn zum Reden bringen könnte. Sollte ich einfach mit der Tür ins Haus fallen? Oder über tausend Umwege gehen?
"Juli?"
"Hm?" Er sah mich an, ich konnte nicht.
"Mats hat da so eine Andeutung gemacht..."
"Was es auch war, es war eine Lüge!", lachte er, hielt jedoch inne und blieb stehen. "Was hat er gesagt?" Mein Blick streifte seinen. Ja was eigentlich?
"Seit wann denkst du so über mich?", fragte ich nach kurzem Schweigen. Ich sah in den angrenzenden Park hinein mit hochgezogenen Schultern. Julian trat dicht neben mich und nahm mein Gesicht in seine Hände, sodass ich ihn ansehen musste. Seine dunklen Augen leuchteten.
"Du meinst, seit wann ich dich liebe?", flüsterte er und küsste mich einfach. Zuerst erwiderte ich den Kuss, dann senkte ich den Kopf und wand mein Gesicht ab. Er küsste einfach meine Wange. Ich bekam eine Gänsehaut.
"Ich meine es ernst, Julian!" Er seufzte und ließ von mir ab. Jetzt war er derjenige, der wegschaute.
"Was hat Mats denn gesagt?"
"Er meinte, dass ich dich fragen soll, wie lang "Ewigkeiten" für dich ist..." Er biss sich auf die Unterlippe und führte mich dann zu einer alten Parkbank unter einer großen Eiche. Dort setzte er sich zu mir gedreht hin und ich hatte ein ziemliches Dejavu zu Manus Bank. Aber dieses Mal würde ich ihn ausreden lassen.
"Klingt jetzt wahrscheinlich scheiße, aber du erinnerst dich bestimmt an meine erste Freundin Katharina, oder? Ich fand sie süß und sie war toll, aber ich hab schon ziemlich bald gemerkt, dass es eigentlich nur eine Freundschaft plus war - zumindest für mich. Bei dir dagegen hatte ich plötzlich ein komisches Gefühl, wenn du da warst. Naja und dann hab ich mich getrennt und dir gesagt, dass sie sich von mir getrennt hat, damit ich deine Aufmerksamkeit bekomme und du bei mir bist." Schweigen.
"Katharina? Da warst du 16!?", erkannte ich schockiert. Er schluckte hart und sah mir mit einem wehmütigen Blick in die leicht feuchten Augen. Er nickte nur.
"Und was war mit deiner zweiten Freundin?", hauchte ich.
"Ich dachte, ich wäre über dich hinweg - war ich nicht." Ich sah in seinen Augen, dass das alles war, was er sagen wollte... Aber ich wollte nicht locker lassen.
"Wieso hast du nie was gesagt?" Ich strich ihm vorsichtig über die Wange. Er sah mich nur an und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. Er nahm meine Hände in seine.
"Ich wollte unsere Freundschaft nicht zerstören..." Dazu konnte ich nichts sagen. Denn genauso wäre es gekommen... Ich wäre nicht dazu fähig gewesen, das zu ignorieren oder gar zu vergessen.
"Und das hätte ich damit...!", bestätigte er meine Gedanken. "Ich hab mir jahrelang nichts mehr gewünscht, als dich so anzusehen, dich so zu berühren oder dich nur ein einziges Mal zu küssen!" Diesmal schluckte ich heftig. Das war ja mal mehr als eine riesige Liebeserklärungen von Julian Draxler. Ich sah ihm beinahe vorsichtig in die Augen und verlor mich darin.

Wir brauchten eineinhalb Stunden für einen Rückweg, der eigentlich nur 30 Minuten gedauert hätte, wenn wir nicht ständig stehen geblieben wären, nicht durch den Park geschlendert wären und nicht ewig gebraucht hätten, um uns voneinander zu verabschieden. Aber schließlich war ich alleine in meinem Zimmer und lag bettfertig auf meiner Matratze. Ich suchte nach meinem Handy und schaltete es ein.
*Und? Was hat er gesagt? - Mats*
Ich grinste breit.
*Mats, du bist mein persönlicher Engel!! Vielen, vielen Dank* Es dauerte gar nicht lange, bis er es gelesen hatte.
*Ich werte das mal als Erfolg :D*
Glücklich ließ ich mich in mein Kissen sinken. Ich dachte an Julian, an sein Lächeln...
Da hörte ich auf dem Flur plötzlich eine Tür klappen. Kurz darauf drang das Schluchzen meiner Mutter durch meine Zimmertür. Sie konnte also auch heute nicht in ihrem eigenen Bett schlafen, sondern ging hinunter ins Wohnzimmer. Er hatte sie zerstört! Mein verdammter Vater hatte sie gebrochen und ich bezweifelte, dass sie jemals jemanden finden würde, der diesen Schmerz heilen konnte...

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