Kapitel 1 - Der schöne Unbekannte

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,,Viel Glück." rief mir meine beste Freundin Melina zu.

,,Danke, ich werd's brauchen." rief ich zurück und verschwand in unseren Klassenraum.

Ich setzte mich auf meinen Stuhl und holte alles nötige aus meiner Tasche.

Füller, Bleistift und Radiergummi platzierte ich auf dem Tisch, schloß meine Augen und ging den Stoff in meinem Kopf nochmal durch.

Ich hoffe nur, dass sich das ganze Lernen gelohnt hat.

Nach fünf Minuten inneren Frieden suchend, öffnete sich die Tür des Klassenzimmers und unser Mathelehrer Herr Hoyer kam herein, stellte seine lederne Aktentasche auf den Tisch und drehte sich zu uns.

Er rückte seine Brille zurecht, die einfach viel zu große Rundgläser hatte und er damit wie der letzte Vollidiot aussah. Dazu kam dieses potthässliche, kotzgelbe Hemd was er sich in seine noch potthässlichere Jeans gesteckt hat. Nicht zu vergessen, seine potthässliche, nach hinten gegelte Fusselfriese die wortwörtlich auf seinem Kopf klebte.

Hoyer ist mitte fünfzig und denkt er wäre George Clooney.

Nachdem er mit Brillerücken, Hosehochziehen und Händefalten fertig war, begrüßte er uns endlich. Ich will diese Arbeit einfach nur hinter mich bringen.


Er nahm einen Stapel Papier in die Hand und fing an sie in kleineren Stapeln an uns zu verteilen, während er uns die Regeln während der Arbeit vortrug.

,,Erstens, jeder schaut auf SEIN Blatt. Zweitens, Handys sind während der Arbeit auf Stumm zu schalten. Drittens, wer fertig ist-"

,,..gibt ab und geht leise nach draußen, bla bla bla." kam es plötzlich von hinten.

Hillary. Ist gerne mal auffällig im Unterricht. Sie saß ganz hinten, kaute einen Kaugummi und drehte desinteressiert eine ihrer braunen Strähnen um ihren Zeigefinger.

,,Danke, dass du meinen Satz beendet hast, Hillary. Aber ich kann doch noch sehr gut alleine sprechen." antwortete Hoyer darauf.

Hillary schnaufte herablassend, lehnte sich zurück und blies eine quietschpinke Kaugummiblase.

,,Kaugummis sind während des Unterrichts verboten." meldete Shelly, unsere Klassenstreberin und Schülersprecherin.

,,Klappe, Einstein." fauchte Hillary, nahm den Kaugummi aus dem Mund, klebte ihn unter ihren Tisch und lächelte Shelly hämisch an, die daraufhin nur ihre Brille nach oben schob und sich beleidigt wegdrehte.


,,Ihr habt ab jetzt neunzig Minuten Zeit, viel Glück." waren die Schlusswörter Hoyer's, bevor er sich hinter dem Pult niederließ und wir unsere Arbeit anfingen.




. . .und fertig. Sorgfältig sortierte ich die Blätter der Reihenfolge nach zu dem ursprünglichen Stapel, der sie mal waren, zurück und kontrollierte nochmal durch, ob ich jede Aufgabe bearbeitet und beschriftet habe.

Ein Blick nach hinten verriet mir, dass ich eine der Letzten war, die noch im Raum saßen.

Ich packte meine Sachen leise wieder ein, stand auf und legte im Vorbeigehen den Papierstapel auf Hoyer's Pult.



,,Und, wie lief die Arbeit?" fragte mich meine beste Freundin, die bereits draußen an unseren Fahrrädern auf mich wartete.

,,Ach du kennst das doch; hat man ein gutes Gefühl, hat man verkackt und hat man ein schlechtes Gefühl, dann sowieso." gab ich als Antwort, während ich mein Fahrrad abschloß.

,,O man, warum denn immer so pessimistisch . . Du bist doch sonst immer die Optimistin von uns beiden."

Ein einfaches Schulterzucken von mir reichte, damit sie das Thema wechselte.

,,Hast du schon von dem neuen Schulprojekt gehört? Es nennt sich Virtuelle Realität. Man arbeitet und tüftelt herum, wie man Videospiele noch realer gestalten kann. Cedric und ich haben uns dafür eingetragen, trag dich doch auch ein."

Während sie mir weiteres über das Schulprojekt erzählte, schwangen wir uns auf unsere Drahtesel und fuhren in Richtung Schultor.

,,Ich dachte, das wäre was für dich, weil du Videospiele doch so gerne magst."

,,Uninteressant klingt's jedenfalls nicht." grinste ich.

,,Ich informier' mich morgen nochmal genauer."

Das Projekt klang echt nicht uninteressant und Melina hatte Recht mit dem Fakt, dass ich Videospiele gerne mag.

Doch bevor ich weiter über das Schulprojekt nachdenken konnte, erblickte ich eine Person vor dem Schultor. Mein Blick klebte förmlich an ihr. Ich hab noch nie einen so gutaussehenden Jungen gesehen. Was macht er hier? Ich war mir sicher, ihn noch nie an unserer Schule gesehen zu haben. Wartete er auf jemanden?

Der Blick des Jungen wanderte zu mir und blieb auf mir haften. Seine braunen Locken wehten im sanften Sommerwind und seine breiten Schultern sahen einfach total attraktiv aus.

Ich könnte diesen Jungen den ganzen Tag anschauen. Kam er von einem anderen Planeten? Waren seine Eltern Götter? Denn dieser Junge ist ein junger Gott.

,,HELENA!" riss es mich plötzlich aus meiner Starre. Ich zuckte zusammen, schaute ruckartig nach vorne und konnte noch gradeso bremsen, bevor ich volle Kanüle in eine Fünftklässlerin krachte. Sie starrte mich ängstlich mit ihren großen, braunen Augen an.

,,Tut . . tut mir leid." stotterte ich.

,,Man. Augen auf, Helena." murrte Melina und setzte sich wieder auf ihr Fahrrad.

Ich schaute noch einmal zurück zu dem Jungen, doch dieser schaute nicht mehr zu mir sondern auf sein Handy.

Wer ist er?

Pinky PromiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt