2. Kapitel

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Als der Bus um ca. 4 Uhr an der Bushaltestelle ankommt und ich aussteige, beginnt es zu regnen, zuerst nur kleine Tropfen, dann ein richtiger Regenguss. Nass bin ich jetzt ja eh schon, also schwinge ich mich auf mein Rad und fahre los.

Doch kurz nachdem ich die Aird Bridge hinter mir gelassen habe, verschwimmt plötzlich alles um mich herum, ich bekomme Panik und blinzele wie verrückt mit den Augen um die Sicht zurück zu bekommen, mein Lenker schlingert und die Reifen rutschen über den Asphalt.

Vor meinem inneren Auge ziehen Bilder vorbei, wie ein Film, dazwischen immer wieder der Satz den mein Opa mir damals mit gegeben hat, als er mir die Uhr schenkte, seine Worte dröhnen in meinem Kopf: "Eines Tages ist es so weit, und dann musst du bereit sein. Trage dir Uhr ab jetzt immer bei dir, zu deiner eigenen Sicherheit..."

Ich greife an meinen Hals und halte meine Uhr gut fest, vielleicht etwas zu fest, denn ich höre ein sehr leises Klicken. Auf den Bildern in meinem Kopf ist ein Haus zu sehen und eine Gestalt davor. Mehr kann ich nicht erkennen, mir wird schwarz vor Augen, ich spüre nur noch wie es mich aus dem Fahrradsattel hebt.

In meinen Gedanken laufe ich über einen geheimnisvollen Marktplatz, immer wieder versuche ich genaueres zu sehen, aber die Umrisse werden einfach nicht scharf.

Das einzige was ich erkennen kann ist eine Person, sie steht sehr weit weg von mir. Ich renne los, doch meine Beine bewegen sich nicht.

Als ich nach unten sehe beginnen meine Beine im Kopfsteinpflaster zu versinken. Verzweifelt versuche ich etwas zu greifen und mich daran festzuhalten, doch meine Hand gleitet einfach hindurch.

Mein Schrei hallt durch das Haus, schlagartig öffne ich die Augen und schnappe nach Luft. Die Tür wird aufgerissen und May kommt in mein Zimmer gestürmt.

"Süße, endlich bist du aufgewacht, ich hatte solche Angst um dich, als ich dich bewusstlos vor dem Haus gefunden hab. Was ist denn passiert?" die Stimme meiner Oma über schlägt sich fast vor Sorge.

Verwirrt sehe ich May an. Warum lag ich vor dem Haus? Ich bin doch gestürzt, mit dem Rad...

"Oma, ich weiß es nicht vielleicht bin ich umgekippt, aber mir geht es wirklich gut. Hast du mein Rad gesehen?" erwidere ich.

"Nein Rosie, dein Rad hab ich nicht gesehen, vielleicht steht es noch an der Bushaltestelle, ich geh später nachsehen," meint meine Oma.

"Ach Quatsch May, ich gehe es holen, okay?" bitte ich May.

May antwortet mir, "Komm aber schnell wieder, und pass gut auf dich auf", dann verlässt sie mein Zimmer.

Unter Schmerzen erhebe ich mich, ich sehe mein Hände an, sie sind mit Kratzern übersäht. Ich trage immer noch meine schmutzige Schuluniform, kaputt ist sie zum Glück nicht.

Ich ziehe mich um, meine helle Jeans und mein dunkelblauer Pullover liegen noch auf dem Stuhl neben dem Tisch, nachdem ich beides angezogen habe, laufe ich in den Flur.

Vor der Tür stehen Adair und Caileen, natürlich, sie wollen raus. Also schnappe ich die Leinen, lege sie an, ziehe meine hellblauen Chucks an, setze meine weiße Mütze mit dem Bommel auf und schlüpfe in meine schwarze Lederjacke.

Ich rufe noch schnell: "Tschüss May, bis später! Ich nehme die Hunde mit!"

"Okay, tschüss Rosie!" antwortet May.

So schnell wie möglich verlasse ich das Haus, in meinem Kopf herrscht ein solches Chaos. Ich muss an die Gestalten denken, und an den Marktplatz.

Was mir aber am meisten zu schaffen macht, ist der Gedanke, wie ich von meinem Rad zu meinem Haus gekommen bin.

Mit den zwei Süßen an der Leine laufe ich Richtung Aird Bridge, da fällt mir meine Uhr ein, sofort greife ich mir an den Hals, ein Stein fällt mir vom Herzen als ich das kühle Metall unter meiner Hand spüre.

Mein Rad ist schon von weitem sichtbar, es steckt in einer Hecke, der Korb liegt auf dem Gehsteig. Ich sehe meinen Rucksack am Korb hängen, den habe ich ja total vergessen.

Die Leinen binde ich um einen Laternenpfahl, damit ich mein Fahrrad aus der Hecke ziehen und den Korb mit meinem Rucksack wieder darauf befestigen kann.

Erneut bemerke ich leichte Tropfen auf meine Haut prasseln, diesmal steige ich jedoch nicht auf mein Rad, sondern schiebe es, die Hunde laufen fröhlich neben mir her, ihnen scheint der Regen egal zu sein.

Der Weg kommt mir ewig vor, doch endlich geschafft, ich sehe die flaschengrüne Haustüre. An der Tür angekommen, lehne ich mein Rad an die Wand und krame meinen Schlüssel aus dem Rucksack, den ich schultere bevor ich die Türe öffne.

Die Hunde schleifen mich fast die Treppe hinauf. Ich vermute meine Oma in ihrer Wohnung, also laufe ich mit den Hunden ganz hinauf, noch bevor ich ans aufschließen denke, geht die Türe von selbst auf und May strahlt mich an, "Na Rosie, sehr nass geworden? Komm schnell rein,"begrüßt sie mich.

Mit einem "Hey May", trete ich ein und löse sofort die Leinen von Adair und Caileen, die bellend davon laufen, Richtung Küche.

Aber nicht nur sie haben den unglaublich leckeren Duft wahrgenommen, ich vermute er kommt von dem berühmten Nudelauflauf meiner Oma, was mir nur noch mehr Hunger macht.

Ich fliege fast schon in die Küche, meine Oma folgt mir. Natürlich hatte ich Recht, denn auf dem Tisch steht eine riesige Auflaufform mit dampfendem Inhalt.

Mein Teller ist auch schon beladen mit einer guten Portion, die ich sofort verschlinge. Grade als ich ein Schluck Wasser nehme, verschlucke ich mich tierisch, denn der Zeiger auf der Uhr zeigt schon halb 8 und ich muss noch für die Physik Arbeit morgen lernen. Oje, hoffentlich pack ich das.

"Danke für das Essen May, Gute Nacht", bedanke ich mich und verlasse die Küche.

"Gute Nacht", ruft mir May noch hinterher bevor ich die Türe schließe.

Als ich mein Zimmer betrete schnappe ich mir direkt meine Physik Sachen und setze mich auf mein Bett.

Als ich meine Bücher zuschlage, ist es schon 11 Uhr nachts, mit Klamotten kuschle ich mich in mein Bett und schlafe mit einem letzten Gedanken an den mysteriösen Marktplatz ein...

Lebe heute, morgen könnte es zu spät sein...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt