Kapitel 3 - RAUM

41 4 2
                                    

Irgendwas stimmt nicht.
Bloß was? Als ich meine Augen öffne, blicke ich wider erwarten nicht in den Himmel sondern auf etwas, so grau, wie der Staub, der überall ist. Direkt über mir seilt sich gerade eine komisch aussehende Spinne ab, sie erinnert mich daran, was sich verändert hat. Meine Kälte-Spinne ist weg und mir ist so warm, wie schon lange nicht mehr, außerdem sind die Schmerzen an meiner Hand erträglich geworden. Eigentlich geht es mir generell sogar ziemlich gut, außer, dass mein Magen sich bald selbst verdaut, wenn ich nicht sofort etwas esse. Während ich mich aufrichte und die kleinen Punkte, welche immer wieder aufflimmern weg blinzle, fällt eine Flickendecke von meinen Schultern. Jedes der Quadrate, aus der sie besteht, hat eine andere Farbe. Jemand hat sie in stundenlanger Arbeit gestrickt, an dem unterschiedlichen Aussehen der Quadrate, kann ich ziemlich genau sagen, welches als erstes und welches als letztes gestrickt wurde. Ich muss echt sagen, dieser jemand hat eine ziemliche Strickentwicklung hinter sich. Während sich bei einem apfelfarbenem der Wollfaden an der einen Ecke schon herauslöst, liegen die Fäden bei einem lavenderfarbenem so eng aneinander, dass ich die Lücken kaum erkenne. Mein Blick wandert weiter. Ich befinde mich in einem rechteckigen, ziemlich großem Raum, dessen Wände aus silbernen Blechwellen bestehen. Wirklich viel sieht man von dem Blech allerdings nicht, da es bedeckt ist von riesigen Bücherstapeln, alten Möbeln und teilweise zerbrochenen Spiegeln.
Mein Gesicht zerspringt, während ich auf die spiegelnde Oberfläche blicke, was bringt einem ein Spiel mit Sprung? Ich drehe mich um und fahre mit meinem Finger über die staubige Oberfläche der Bücher, mir ist nie aufgefallen, wie rau sich Papier anfühlen kann, irgendwie lebendig. Neben den Büchern liegt ein Kissenberg, über dem mehrere kleine Flugzeuge aus Coladosen und ähnlichem alten Zeug schweben. Nur an den dünnen Fäden erkennt man, dass sie nicht wirklich fliegen. Es rauscht leise, als ich eines von ihnen anstoße. Sie fliegen mir um den Kopf und kurz vergesse ich alles, vergesse darüber nachzudenken, wo Georg und Anton gerade spielen, von wem Elise ihre kurzen schwarzen Haare gekämmt bekommt. Die Flugzeuge hören auf zu rauschen, sofort habe ich wieder die Bilder meiner toten Geschwister vor Augen. Ich schüttle meinen Kopf, versuche den ätzenden Gedanken wegzuwerfen, vermutlich ist es sowieso besser tief unter der Erde zu schlafen, als jeden morgen wieder die Sonne hinter der Asche verschwinden zu sehen und die Vögel husten zu hören. "Sie beruhigen, nicht war? Es muss traumvoll sein, über der ganzen Asche, auf einem anderen Planeten. Auf einem blauen Planeten, keinem grauen." Ein helles und ein dunkles Auge blicken mich an, umrandet von verknoteten braunen Haaren. Es ist das Mädchen mit den rosa Ballettschuhen.

Die letzten HeldenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt