Gloria

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Der Wind hatte nachgelassen. Der grausame, eiskalte Wind, der wie ein Messer in sein Gesicht schnitt, der seinen Umhang verwehte und die Tränen auf dem kalten Boden verteilte.

Jetzt war er alleine. Sie waren gegangen. Sie alle waren gegangen und hatten ihn alleine zurückgelassen. Mit seiner Hilflosigkeit, der Verbitterung und dem Schmerz. Und erst als er alleine gewesen war, hatte er weinen können.

Um sie...

Um ihn...

Um sich selbst...

Die Welt verändert sich

Ich seh' mein Herz, wie's auseinander bricht.

Die letzten Tage waren furchtbar gewesen, doch Albus hatte sie wie in einer Trance durchlebt. Ohne zu fühlen, ohne zu verstehen und ohne zu realisieren.

Dabei war es erst wenige Tage her, seit er gegangen war. Wenige Tage, doch es kam Albus wie eine Ewigkeit vor.

Die Zeit steht still.

Seit er in Godrics Hollow aufgetaucht war und seit die beiden einander begegnet und sich zu schätzen gelernt hatten, waren sie kaum voneinander getrennt gewesen. Ein magisches Band, hatte sie von der ersten Begegnung an miteinander verbunden. Ein Band gewebt aus Neugierde, Wissensdurst und dem jugendlichen Tatendrang die Welt zu verändern. Aber nicht nur ihre Interessen hatten ineinander gegriffen, wie Zahnräder einer Taschenuhr. Es waren auch ihre Fähigkeiten gewesen.

Sie waren einander ebenbürtig und – sie beide – jungfräulich in der Erfahrung jemanden in Augenhöhe zu begegnen. Das war es gewesen, das die beiden jungen Magier in so kurzer Zeit zusammengeschweißt hatte. Und die gemeinsamen Träume nach denen sie strebten.

Doch nun war er fort.

So weit entfernt von dir.

Es war für immer, doch jetzt fehlst du hier.

Die Träume zerbrochen, ihre Freundschaft zerrissen und seine Flucht hatte eine Wunde in Albus' Herz geschlagen, welche nie wieder heilen würde. Die Erkenntnis war erbarmungslos, der Schmerz schier unerträglich und das Geschehene unwirklich.

Die Zeit steht still.

Von Beginn an, hatte Albus seinen Weg alleine gehen müssen. Das war das Los eines Genius.

Ein schweres Los, für einen kleinen Jungen, der nicht verstand, was ihn von den anderen unterschied. Doch schon bald hatte er gelernt, dass es nicht lohnte um die Aufmerksamkeit derer zu kämpfen, die einen verspotteten und so entschied er sich seinen Weg alleine zu gehen. Mit allen Hindernissen und Konsequenzen. Und Albus Dumbledore hatte ihn mit Bravour gemeistert. Aus dem verspotteten Knaben wurde ein junges Genie und eine Persönlichkeit, von der in Zukunft viel zu erwarten war, denn trotz all der familiären Schicksalsschläge, die hinter ihm lagen, hatte Albus nie seinen Ehrgeiz oder seinen Fleiß verloren. Doch vielleicht waren es genau diese Schicksalsschläge, die Albus in die Arme des Studiums trieben. Vielleicht war es leichter tausendseitige Wälzer zu lernen, als über die Grausamkeitsfähigkeit der Muggel nachzudenken, die seine Schwester bis zur geistigen Behinderung missbraucht hatten. Wahrscheinlich war es auch einfacher komplizierte Formeln zu zerlegen, statt sich über den Geisteszustand seines Vaters zu sorgen, der in Azkaban die Haftstrafe für die Vergeltung an den Muggeln absaß. Und vermutlich war es einfacher historische Runen zu entziffern, statt seine Mutter Tag für Tag dabei zu sehen, wie sie an der Situation zerbrach, bevor sie schließlich vom Tod erlöst wurde. Und letzten Endes waren auch die anklagenden Hasstiraden seines Bruders besser zu ertragen und der Rückzug in sein Inneres mit dem Studium der Magie zu rechtfertigen.

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