„Wuzie! Pass auf!", schreie ich dem grün getupften Hasen atemlos hinterher. Doch es ist längst zu spät, Coco, die mächtige Königin des dunklen Zuckerstangenreiches hält ihn bereits fest in ihren klebrigen Händen.
Meine Schritte werden immer langsamer, bis ich ganz zum Stehen komme. Keuchend stemme ich meine Hände gegen meine Knie und versuche ruhiger zu atmen. Mein Blick wandert hoch zu dem bittersüßen Gesicht der bösen Königin.
Ihre aus himmelblauer Zuckerwatte bestehenden Haare wackeln wild hin und her, während sie gehässig auflacht und ihre Hand noch fester um Wuzies Hals schlingt. Der kleine Hase ringt vergeblich nach Luft und versucht sich zu befreien.
Erst jetzt wird mir klar, dass er keine Chance hat und sterben wird. Und was mache ich, ich stehe hier bloß wie versteinert da und schaue ängstlich zu. Nein, so leicht lasse ich mir meinen besten Freund, der mich seit ich in die Windeln geschissen hab, immer treu begleitet hat, sicher nicht wegnehmen.
Ich atme einmal tief durch, bevor ich mir die Zuckerstange hinter mir schnappe und mich in den Kampf stürze. Nur knapp komme ich vor den riesen Füßen der Königin zu stehen. Von der Ferne war sie mir echt sympathischer, aber jetzt wo sie vor mir vier Meter in die Höhe ragt, hab ich noch mehr Respekt vor ihr und ihren dunklen Mächten.
Wie soll ich dieses Monster nur besiegen?
Mmh... Sie mag vielleicht doppelt so groß wie ich sein, aber ich bin klein, klein aber gemein. In diesem Fall, eines meiner Lieblingssprichwörter. In meinem Kopf rattert es und ober mir ertönt ein genervtes Schnauben. Ich mache mit meiner Hand eine kurze Geste und gebe ihr zu verstehen, dass ich noch etwas Zeit brauche.
Ding und da geht mir auch schon das Licht auf. Mit diesem raffinierten Plan kann ich sie bestimmt überlisten und Wuzie retten. Das einzige was ich tun muss, ist –
„Spätestens zur ihrem Geburtstag sind wir sie los!", unterbricht die dunkle Gestalt vor mir meine Gedankengänge. Ihre Stimme klingt ganz anders als vorhin, diese Stimme gehört eindeutig nicht zu dieser Frau vor mir. Das was die Königin da von sich gibt, passt ganz und gar nicht hier hin.
Puff. Puff. Puff. Plötzlich verschwindet alles, die Königin, Wuzie, die Zuckerstange in meiner Hand, der Schokoladenfluss neben mir und auch das Zuckerwattengebirge, das kunterbunt vor mir aufleuchtet. Ist das der Weltuntergang?
Kurz wird mir schwarz vor Augen, dann als ich sie wieder öffne, ist alles weiß. Bin ich jetzt tot auch noch oder was? Um mich zu vergewissern, dass es sich hoffentlich um das Gegenteil handelt, schaue ich mich vorsichtig um.
Huh. Ich lebe und Wuzie auch, der liegt friedlich neben mir. Ich nehme langsam ein Schluck von dem Wasserglas, das auf dem Nachttisch steht, um wieder zu mir zu kommen.
Langsam aber sicher wird mir klar, dass ich mich in meinem Zimmer befinde und vor meiner offenen Zimmertür wiedermal lauthals gestritten wird.
„Ach, kommt schon. Erst zur ihrem Geburtstag, das dauert doch noch ewig.", zickt Chantal herum. Mein kleiner Bruder, Samuel stöhnt genervt auf. Obwohl er zwei Jahre jünger als meine Schwester ist, ist er mental definitiv schon weiter als sie.
„Wenn du auch nur ein einziges Mal denken würdest, bevor du etwas von dir gibst, wüsstest du, dass sie in genau zwei Monaten und dreiundzwanzig Tagen Geburtstag hat. Und dieser Zeitraum kommt dir vielleicht jetzt ewig vor, aber du wirst sehen, wenn wir uns erst in unserem neuen Zuhause eingelebt haben und wieder einen normalen Tagesablauf gefunden haben, wird die Zeit wie im Flug vergehen.", beendet Samuel seine aufschlussreiche Rede.
Bei Chantals herrlichem Anblick kann ich mir einfach kein Lachen verkneifen. Ihr Mund steht weit offen und ihr Gesichtsausdruck gibt eindeutig zu verstehen, dass sie genau null Ahnung von dem hat, was Samuel ihr gerade vorgetragen hat.
DU LIEST GERADE
The other side of my life
Teen FictionSchwarzes Schaf. Diese einfachen zwei Worte bringen mein Leben genauestens auf den Punkt. Nicht nur vom Äußerlichen her unterscheide ich mich deutlich von meiner Familie, auch vom Gemüt. Und anpassen konnte und kann ich mich anderen nun mal nicht so...