Salziger Regen

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Irgendwann sammelte sich eine Träne auf meine Unterlippe, die einen salzigen Nachgeschmack hinterließ.
Dann erst bemerkte ich den peitschenden Wind, der wie ein Ungewöhnlicher Wirbelsturm jeden Zentimeter dieser verdammt kleinen Welt einnahm.

Es tat weh.
Es tat so verdammt weh.
Doch in dieser Minute wollte ich keinen Gedanken an diesen Furchtbaren Abend verschwenden. Ich sollte Spaß haben, jede Sekunde genießen.

Nach vergangenen Gedankensprüngen spürte ich eine Unbehaglichkeit, die mir Angst machte.
Ein Rascheln hinter mir, ein Hauch von Menschlichkeit um mich.
Ich dachte ich wäre alleine.

Langsam drehte ich mich um und sah in ein braunes Augenpaar, welches mich verwirrt musterte.
"Was machst du hier."

Die Worte bekam ich förmlich ins Gesicht geworfen, dass ich zusammen zuckte.
Ich konnte nicht Antworten. Nicht nach all den Jahren schweigen.

Stattdessen musterte ich den Jungen vor mir.
Sein angespannter Kiefer verriet mir, dass er nicht grade froh darüber war, mich zu sehen. Doch er wusste doch garnicht wer ich war?

Er ließ seinen Kopf in den Nacken fallen und ein schroffes lachen folgte.
Daraufhin legte ich meinen Kopf schief und sah ihn Verständnislos an.

"Hey kleines, das ist mein Platz. Glaub mir, egal was für ein Problem du hast, dass du nicht redest, es ist mir egal. Aber weißt du was mir nicht egal ist? Du. Hier. Bei. Mir."

Es verletzte mich nicht.
Das nicht.

Sein Zeigefinger borte sich in meinen Brustkorb, was seine Ausage deutlich verstärkte.
"Du redest seit Jahren nicht mehr was?", fragte er ruhig, als hätte er nie etwas verloren, egal was für schlimme Sachen über seine Vollen Lippen gelangen.

Er musste meinen fragenden Blick bemerkt haben, denn sofort hatte er auch schon eine völlig verständliche Antwort bereit.
Und ich wollte mehr über ihn wissen.

"Du hast spröde Lippen und deine Augen sprechen Bände. Daran erkennt man, dass du wahrscheinlich seit Jahren deinen Mund nicht mehr geöffnet hast."

Wow. Ich war beeindruckt.
Doch dabei wollte er es nicht belassen, denn er trat noch ein Schritt auf mich zu und sein Blick verursachte mir Gänsehaut.

"Ich sehe auch, dass das einzige feuchte auf deinen Lippen, nicht von den Lippen eines Jungen kommen kann, den du vor 20min geküsst hast, sondern von einer Träne, die du vorhin beim weinen verloren hast... als du dachtest du wärst allein.

Ich beobachte, kleines."

Nun sah ich ihn mehr als entsetzt an und trat auch so nah an ihn ran, dass ich seinen Atem auf meinen Lippen spüren konnte.

Und das erste was mir dann nach 3 Jahren über die Lippe kommen wollte, war:
"...wer bist du?"

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5...nein 10....aber vllt. Waren es auch 20min seitdem Mein fremder gegenüber mich emotionslos ansah.

Ich konnte es ja selber kaum glauben.
Ich hatte nach 3 Jahren zum ersten mal, wieder was gesagt...und das, zu einem Jungen, den ich nichtmal kannte.

Kleine Tropfen sammelten sich auf meinen Wangen, bis sie an meinem Kinn entlang glitten. Doch diesmal waren es nicht Meine Tränen, sondern Regentropfen.

Auch mein Gegenüber hatte das kleine nieseln bemerkt, allerdings schien ihn das nicht zu stören.
Reglos standen wir da.

Analysierten den Augenblick.

Ich auf der Suche einer Antwort.
Er auf der Suche nach sich selbst.

Woher sollte er schon wissen wer er war? Die Identität, sein Name...Das hieß doch garnichts.
Viel wichtiger, waren seine Träume, seine Ängste und Stärken, worüber er lachte oder weinte.
Diese, und noch so viel mehr Dinge, machten einen Menschen aus.

"Warum?"

"Was, warum?"
Antwortete ich auf seine Frage, die diese wundersame Stille durchbrochen hatte.

"Warum hast du geweint? Warum bist du hier? Warum siehst du mich SO an? Warum schenkst du dein erstes Wort nach Jahre langem schweigen, einem Typen, den du nicht kennst?! WARUM bist du so leichtsinnig?"

Stille.
Ich ließ seine Wörter auf mich wirken und wollte der Schweigsamkeit zwischen uns Raum geben.

"Darauf gibt es so viel, und dennoch keine Antwort"
Flüsterte ich dann zaghaft, nur so, dass er es noch hören konnte.

Dann deutete er mir, mich auf die morsche Bank Zu setzen, die mit einem leichten Teppich aus regentropfen, bedeckt war.
Doch das war mir in diesem Moment egal.

Nun saßen wir da, jeder die Hände in den Jackentaschen und Rauch kam aus unseren Mündern durch das Atmen zu dieser beißenden Kälte am Abend.
Wir saßen so nah an einander, dass ich knapp seine Schulter berühren konnte.

Es war ungewohnt. Es fühlte sich nicht an, als würde ich neben jemandem, normalen sitzen.
Nein.
Er hatte diese Aura, in der Ich unmerklich anfing zu zittern.

Und das nicht, weil ich nervös war, sondern weil dieser unbekannte so viel gleichzeitig ausstrahlte.

Zielsträbigkeit, Entschlossenheit, Bewusstsein.......und Liebe.

Verständnis für alles.

Kaum merklich hatte er sich zu mir rüber gebeugt und sah mir nun ganz tief in die Augen.
Sein Blick scannte alles in meinem Gesicht ab, was mich ein wenig beunruhigte.

Und dann.

Urplötzlich, spürte ich etwas warmes auf meinen Lippen.
Sanft und doch fordernd, glitten meine Hände in seinen Nacken und zogen ihn näher zu mir heran.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich so leichtsinnig war, doch bei ihm war das was anderes.

Es fühlte sich nicht falsch an. Und doch hatte ich....Angst.

Im nächsten Moment drückte er mich gegen einen Baum, dieses wunderschönen Waldes und die Blätter und Zweige unter uns, knakzten.

Seine Hände, umklammerten zaghaft meine Taillie.

Für einen Augenblick dachte ich, das wäre der wohl schönste Moment, dieses grausamen Tages, doch etwas lies meine geschlossenen Augen aufschrecken.

Zuvor, hatte ich jedes Vogelgezwitscher und regengeräusch ausgeblendet, und jetzt... spürte ich nur noch diesen unendlichen Schmerz, der sich in meinem ganzen Körper ausbreite.

Ein ziehen, welches so unvorstellbar weh tat, wie prasselnde Nadeln, die immer und immer wieder auf mich ein Stochen.

Erst dann, als mir erneut an diesem Tag, die Tränen über's Gesicht ronnen, sah ich an mir hinab und entdeckte das nun von Blutgetränkte Messer in meinem Bauch.

Von meinem Gegenüber, der mir grade erst noch so eine Leidenschaft zeigte, war nun keine Spur mehr zu sehen.

Warum?
Fragte ich mich noch, bevor ich zu Boden sank und nach Luft rang.

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