Primaballerina auf Abwegen Kapitel 3

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Mir ist langweilig. So furchtbar langweilig. Ernsthaft, manchmal frage ich mich, was verdammt nochmal nicht mit mir stimmt. Ich bin dreißig Jahre alt und weiß einfach nicht, was ich tun soll. Mit der ganzen Freizeit weiß ich wirklich nicht umzugehen. Was machen andere Frauen in meinem Alter?
Wahrscheinlich sind die vormittags um elf auf der Arbeit. Vielleicht sollte ich mir einen Job suchen. Aber welchen? Schließlich kann ich nichts, außer tanzen und das fällt ja aus bekannten Gründen raus. Ich weiß nicht mal, wo ich hingehen sollte, um nach einem Job zu fragen. Brauchte ich ja auch nie, für mich gab es immer fortlaufende Verträge. Kurzentschlossen greife ich zu meinem Handy und wähle Oleks Nummer. Nach dem dritten Tuten nimmt er ab.

„Hey Kleine."

Oleks Stimme ist schlaftrunken, wahrscheinlich habe ich ihn geradegeweckt. Ich sehe auf die Uhr, in New York ist es jetzt erst eine Stunde später, aber vielleicht hat Olek heute frei, dann schläft er gerne aus. Für einen kurzen Moment habe ich ein schlechtes Gewissen, verdränge es aber schnell wieder, schließlich hat er mich förmlich dazu gedrängt anzurufen, wenn mir etwas auf dem Herzen liegt. 

„Glaubst du, ich sollte mir einen Job suchen?" frage ich ohne Umschweife.

Er sagt nichts, dann höre ich es rascheln und irgendjemand murmelt etwas. Scheiße! Olek hat Männerbesuch.    

„Warte mal kurz, Kleine."    

„Nein schon gut, Olek. Ich rufe einfach später noch mal an, so wichtig ist es doch auch gar nicht" beeile ich mich zu sagen. 

„Nein, nein. Bleib dran bitte. Ich gehe nur kurz in die Küche."

Ich höre das öffnen und schließen einer Tür, dann ist Olek schon wieder am Telefon. 

„So, was hast du eben gesagt? Du willst dir einen Job suchen? So einen richtigen, in dem man richtig arbeiten muss?" 

„Wenn du das so sagst, hört sich das irgendwie seltsam an.

Olek schnaubt am anderen Ende. „Tut mir leid, Cassie, aber ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Weißt du denn, wie man arbeitet? Ich kann mir das nicht so richtig vorstellen, Kleine und du doch auch nicht, sonst hättest du wohl kaum angerufen."

Natürlich trifft mein Freund damit den Nagel auf den Kopf. Wir Tänzersind schon ein komischer Haufen. Natürlich ist das Tanzen nur eine relativkurze Zeitspanne in unserem Leben. Man tanzt bis man etwa fünfunddreißig ist,wenn man Glück hat, noch fünf Jahre länger. Danach ist der Körper kaputt.Einige von uns werden danach Tanzlehrer, oder machen eigene Schulen auf. GebenSeminare, oder werden Choreographen. Kurz gesagt, sie werden auch danach nochimmer mit Ballett zu tun haben. Bei mir sieht da anders aus, ich kann nichtmehr tanzen und weil ich nicht mehr tanzen kann, kommt alles andere, was mitBallett zu tun hat, für mich auch nicht mehr in Frage. Vielleicht mag daskindisch sein, aber ich kenne mich. Ich werde unglücklich, wenn ich die Bühneso nah vor der Nase habe und sie doch niemals mehr betreten kann. Das will ichmir echt nicht antun.    

„Naja, ich könnte es lernen. So schwer kann's doch nicht sein, anderearbeiten doch auch in ganz normalen Jobs und kriegen das hin." 

„Andere Leute haben auch nicht nur Ballett im Kopf, Kleine. Aber hey, dukönntest es ja wenigstens versuchen. Schadet ja nicht einen Plan zu haben."

Ich nicke, bis mir einfällt, dass Olek das ja gar nicht sehen kann.

„Du hast recht und außerdem muss ich auch in die Zukunft sehen. Ichwerde nicht für immer von meinem Erspartem leben können." 

Ich konnte in den letzten Jahren so einiges an Geld zurücklegen, wasmittlerweile zu einem ordentlichen Haufen angewachsen ist. Ich bin weiß Gottkeine Millionärin, aber arm bin ich auch nicht. Ich hatte keine Zeit, mein Geldauszugeben und ehrlich gesagt auch keine Lust. Das einzige was ich immer getanhabe, ist tanzen und das konnte ich kostenlos machen.    

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 16, 2016 ⏰

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