DREI

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Endlich ertönte die Klingel, die die Pause ansagte. Die Lehrer konnten Castiel's blaues Auge nicht sehen, da er es ständig bedeckte. Mit gesenktem Blick und dem Rucksack auf dem Rücken, machte er sich auf den Weg zu den Tribünen. Die kalte Luft war ihm sogar recht, denn es kühlte sein Auge und es pochte dadurch nicht mehr so immens. Hinter den Tribünen standen eine Hand voll Leute, die sich aber nicht um ihn scherten. Wie immer setzte er sich abseits von den Schülern auf den Boden, nahm sein Buch aus der Tasche und begann zu lesen, doch wirklich verstanden hatte er die Worte nicht, denn in seinem Kopf wiederholte sich die Situation immer wieder, das Grinsen von dem Typen, der Schmerz an seinem Auge. Das Gefühl von einer Hand auf seiner Schulter ließ ihn erschrecken. Dean saß neben ihm, doch Castiel sah ihn nicht an, er wollte nicht, dass man sein blaues Auge sehen konnte. Er schloss sein Buch und steckte es zurück in die Tasche. Die Hand auf seiner Schulter, legte sich nun auf sein Knie.

"Cass, was ist los?" Besorgnis lag in seiner tiefen Stimme. Es tat Castiel fast schon weh, ihn so ignoriert zu haben, also richtete er seinen Blick kurzerhand auf Dean, aber sah ihm trotz dessen nicht ins Gesicht. Seine Augen weiteten sich in Schock.

"Wer... Dieser Hurensohn!", schimpfte er laut, sodass sich einige der Leute umdrehten, und wollte aufstehen.

"Dean, nein!", flehte Castiel beinahe und zog ihn zurück zu Boden. "Es ist nicht schlimm, ich habe ihn provoziert." Die Wut in Dean's Gesichtsausdruck wechselte zu Sorge und sein Blick sprang vom blauen Auge, zum unverletzten Auge.

"Ich will jetzt einfach nicht darüber reden." Es klang wie eine Bitte, woraufhin Dean nickte und allmählich entspannte. Castiel sah beschämt auf den Boden und rupfte Grashalme aus. Der grünäugige Junge beobachtete ihn währenddessen, ohne auch ein einziges Mal wegzusehen. Es war nicht unangenehm, ganz im Gegenteil, es war sogar beruhigend. Einer spielte mit Gräsern und der andere sah ihm dabei zu, sie redeten nicht über sein blaues Auge, sie saßen auf kaltem Boden, ab und zu traf sie ein eisiger Luftzug, doch keiner zitterte, keiner wollte ins Gebäude um sich aufzuwärmen. Sie wollten einfach zusammen an einem ruhigen Ort sitzen, nicht reden und nichts tun. So blieben sie auch eine Weile, bis Dean es nicht mehr warten lassen konnte und fragte.

"Willst du dich nach der Schule mit mir treffen?" Castiel's Atem stockte und seine Hand gefror in der Position, vielleicht lag es jedoch an der Kälte. Treffen, so wirklich sehen außerhalb der Schule? Schaffte er das denn? Immerhin konnte Dean mit ihm in die Stadt gehen und wieder mitansehen wie Castiel eine Panikattacke bekam. Nein, Dean wusste von seiner Angst.

"Gerne, wo und wann?" Okay, das passierte wirklich, aber es gab keinen Grund nervös zu sein.

"Ich hol' dich dann um 3 ab. Wo wohnst du?", lächelte er. Castiel nahm einen Stift aus seiner Tasche und schrieb ihm seine Adresse auf ein Stück Papier mit seiner Nummer darunter. Als er es Dean übergab, berührten sich ihre Hände leicht, was Dean anscheinend nichts ausmachte, doch Castiel war fasziniert von der weichen Hand. Er stellte sich vor wie sie durch seine eigenen Haare fuhren, seine Wange strich, seinen Körper berührten und erhitzen, jegliche Szenarien die nie passiert hätten. So wie es aussah entwickelte er Gefühle für Dean, jemanden den er seit zwei Tagen kannte, denn sein Leben konnte nicht noch komplizierter werden. Diese Gedanken mussten sofort weg, er versuchte sie zu verdrängen, doch die Hand die sich gerade auf Castiel's Schulter legte, erschwerte das ganze deutlich.

"Ich kenne ein gutes Café, die haben da auch Sandwiches und manchmal Livemusik." Das klang wie ein perfektes Date, wäre da nicht Dean's Heterosexualität. Obwohl, vielleicht war er das ja gar nicht. Doch, er hatte schon feste Freundinnen gehabt. Aber was wenn er nicht einzig und allein was für Mädchen hatte? Castiel dachte zu viel nach. Falsche Hoffnungen enttäuschten einen am Ende nur. Auch wenn er nicht hetero gewesen wäre, er hätte definitiv nichts für jemanden wie Castiel übrig.

"Sag etwas, du bist so still", forderte Dean ihn auf. Wenn er gewusst hätte an was Castiel in dem Moment dachte.

"Ja, ich war gerade nur in Gedanken versunken. 'Tschuldige." Gedanken von Dean's Händen auf seinem Körper, Dean's Lippen auf seinen, Dean's tiefe, raue Stimme in seinem Ohr.

"Dann erzähl mir davon." Sicher nicht, das wollte er Dean ersparen, also sagte er das nächst Beste das in seinen Sinn kam.

"Was ich mir heute Abend zu essen mache", lachte er gefälscht. Im Lügen war er nie gut. Dean kaufte es ihm wie erwartet nicht ab, doch er bohrte zum Glück nicht nach, sondern gab ihm nur einen verdutzten Blick. Lachend ließ Castiel seinen Kopf nach vorne Fallen, eine schwarze Locke fiel ihm ins Gesicht. Er war zu müde um sie wegzustreichen, sie hing auf seiner Stirn und kitzelte ihn. Nachdem er wieder auf sah, hatte Dean ein Glitzern in den Augen, eine Art Glitzern als sähe man einen Hundewelpen, Feuerwerke an Neujahr oder als habe man den perfekten Moment erwischt  in den Nachthimmel zu sehen um Sternschnuppen zu suchen. Durch das Funkeln erschien das grün in seinen Augen noch überwältigender, es war die schönste Farbe die Castiel je erblickte. Mit Vergnügen hatte er Dean in dem Augenblick gerne geküsst, doch er entschied sich für das unterdrücken des Gefühls, es war lediglich einfacher so. Dean's Blick fixierte noch immer Castiel's Gesicht, aber es wurde nicht unangenehm.

"Lass uns doch gleich gehen", flüsterte Dean fast schon, als hatte er Angst erwischt zu werden. Castiel legte seinen Kopf schief in Verwirrung, wurde er gerade gefragt die restlichen Schulstunden zu schwänzen? Zwar wollte er verneinen, allerdings fühlte er sich wie hypnotisiert und ignorierte alle Zweifel.

"O..okay!", lachte er, packte seine Tasche und sprang auf. Der leicht nasse Hosenboden war sein letztes Problem, wie sollte er es seinen Eltern erklären? Anscheinend konnte Dean Gedanken lesen.

"Keine Sorge, ich kenne ein paar Leute die für uns lügen werden. Ich hab' noch meinen Rucksack drinnen, komm mit." Mit diesen Worten zog er den Kleineren an seiner Hand ins warme Gebäude, an Schülern vorbei und stieß auf dem Weg in viele hinein. Ihre Wangen brannten durch die plötzliche Veränderung der Temperatur. Noch nie hatte Castiel geschwänzt, und dann auch noch mit einem praktisch Fremden! Adrenalin pumpte durch seinen gesamten Körper, doch das konnte auch an der Angst liegen, oder an Dean's Berührung. Sie kamen an einem Chemieraum an, als Dean seine Hand losließ und das Zimmer betrat. Niemand außer die Beiden waren drinnen, was fast schon beängstigend war. Zwei Schüler in einem Raum voller Chemikalien und keiner hatte wirklich eine Ahnung davon. Neben einem Stuhl in der hintersten Ecke lag ein grauer Rucksack der stark abgenutzt aussah. Eilig warf er ihn sich über die Schultern und griff erneut nach Castiel's Hand.

"Durch den Haupteingang können wir nicht, die Direktorin hat ihr Büro daneben, sie würde uns sehen. Also müssen wir üben den Zaun beim Sportplatz, kannst du das?"

"Natürlich", entgegnete er selbstsicher, woraufhin Dean grinste.

"Gut." Lachend rannte er mit seinem Begleiter an der Hand die Gänge entlang, bis zu den Glastüren beim Sportplatz. Diese wurden praktisch aufgetreten und stürmten unter den Tribunen in Richtung Zaun, während in ihren Taschen alles durcheinander geschüttelt wurde. Der Draht Zaun war Bauchnabel hoch, kein Problem zum klettern. Dean war zuerst dran, er warf die beiden Rucksack rüber und sprang dann nach. Als Castiel an der Reihe war, hielt er sich mit einer Hand an Dean's Schulter fest und die andere krallte die Metallstange am Zaun. Grinsend half der Größere ihm, indem er ihm die Seite stützte und sah Castiel zu, wie er erst eins und folgend das andere Bein über die Stange schwang. Aus Angst doch noch zu fallen, krallte er sich nun mit beiden Händen in Dean's Schultern, während dieser Castiel's Taille festhielt und ihm runter half. Rasch griffen sie ihre Taschen und zogen sie unter dem Laufen an. Der grünäugige fasste die Jacke des anderen und brachte ihn somit zum Halt.

"Ich glaube wir sind jetzt sicher", keuchte er schwer. Beide waren außer Atem und ließen sich müde an einer Wand nieder. Als sie sich ansahen, wuchs das schmunzeln in schallendes Gelächter und hallte durch die kleine Gasse. Sie genehmigten sich eine Verschnaufpause, bevor sie zum Café liefen, das Dean erwähnt hatte.

Friend Or Stranger? | Destiel Highschool AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt