Der Schnee knackte unter seinen gefütterten Schuhen, tiefe Spuren blieben hinter ihm zurück. Die bunten Lichter der Weihnachtsdekoration streuten glitzernde, kleine Kristalle auf die Umgebung, ließen ihn in dem nächtlichen Weihnachtszauber versinken.
Weihnachten. Die Zeit im Jahr, wenn bedingungslose Liebe an die Tür klopfte.
Ein Lächeln schlich auf sein Gesicht und er schlenderte in Gedanken versunken die ruhige Straße weiter entlang.
Er wusste, dass viele Menschen diese Zeit eher als hektisch erachteten. Als anstrengend; als eine Art Hardcore-Survival, wie Gamer es nennen würden. Geschenke, Essen, Familientreffen. Aber im Grunde war es das alles wert. Die Zeit war es wert, dass man sie überstand.
Allerdings war es auch nicht immer einfach, das wusste er. Besonders er. Er brauchte häufiger auch einfach mal seine Ruhe und das war auch der Grund, warum er jetzt, spät abends, noch draußen war und durch den Schnee die Straße entlang stapfte. Inzwischen schneite es etwas, die Schneeflocken verfingen sich in seinen Haaren, berührten seine Haut und schmolzen dort. Sie segelten langsam, geradezu sanft, dem Boden entgegen und tanzten in den Lichtern der Dekoration umher.
Unter einer Straßenlaterne machte er Halt und lehnte sich dagegen, beobachtete die Schneeflocken und fing unterdessen den Geruch von frischen Stollen auf, der von einem Haus in der Nähe herüberwehte. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen, er hatte ewig keine Stollen mehr gegessen.
Von einem Moment auf den nächsten wurde es stockdunkel. Erschrocken fuhr er zusammen und blickte sich um, in der kompletten Straße schien der Strom ausgefallen zu sein und er begann unwillkürlich zu zittern – jedoch nicht wegen der Kälte. Die vorher wirklich angenehme, gemütliche Atmosphäre war verschwunden, sie war schlichtweg mit dem Licht verschwunden. Die vorher so friedlich scheinende Straße wirkte nun eher bedrückend, beinahe angsteinflößend.
Etwas beunruhigt vergrub er seine Hände tiefer in den warmen Manteltaschen und trat ein paar Schritte von der Laterne weg, an der er gestanden hatte. „Mobbinglampe", murmelte er bitter und warf einen Blick zu der Laterne zurück, die wie als Antwort einmal kurz aufflackerte, dann jedoch wieder den kleinen Lichtkreis in Dunkelheit tauchte.
Er mochte die Dunkelheit. Normalerweise. Allerdings auch nicht immer. Es gab halt doch hin und wieder die Tage, an denen sie die Grenze zwischen Dunkelheit und Finsternis überschritt und schlichtweg unerträglich wurde. Die Tage, an denen er zusammenbrach.
Er schüttelte den Kopf, versuchte die heran kriechende Angst zu vertreiben und sich auf etwas Anderes zu konzentrieren. Zum Beispiel auf den in der Luft tanzenden Schnee, den Geruch der frischen Stollen. Aber es schien zwecklos, die Finsternis langte mit ihren kalten Fingern nach ihm. Verzweifelt stolperte er vorwärts, hielt nicht an, blickte nicht zurück, kämpfte gegen den Teil von sich an, der seit Jahren immer wieder zurück gerissen wurde. Er wurde immer schneller, bahnte sich einen Weg durch die weißen Flocken, begann irgendwann zu rennen, vor der Finsternis wegzurennen, obwohl er wusste, dass es keinen Ausweg gab. Sie kam und sie ging. Ohne Vorwarnung.
Irgendwo hinter ihm hörte er eine Stimme und Schritte im Schnee. Doch sein vernebelter Verstand schätzte es als Gefahr ein und er beschleunigte seine Schritte weiter, eilte durch das immer dichter werdende Schneetreiben.
Plötzlich rutschte er auf dem verschneiten Boden aus, fing sich wieder, stolperte weiter und ehe er sich versah, landete er auf dem Boden. Der kalte Schnee begrüßte seine Haut, schickte Kälte durch seinen ganzen Körper. Er schauderte, fröstelte, fror. Aber er stand nicht auf. Er wollte aufstehen, aber er konnte es nicht. Sollte ihn der Teufel holen, sollte die Finsternis ihn für immer mit sich reißen. Er hatte genug vom Leben.
Die Schritte wurden lauter; sie waren zügig, aber offenbar federleicht.
Das ist sie. Jetzt holt sie mich. Er schlug seine Augen auf, wandte den Kopf und erwartete nichts zu sehen außer einer finsteren Person, die ihn in der eigenen Welt Willkommen hieß.
Doch was er sah, ließ ihn verwundert aufblicken.
„Haben Sie sich verletzt?"
Eine junge Frau hatte sich über ihn gebeugt, ihre Augen glänzten, in ihren Haaren hatten sich Schneeflocken verfangen. Ein sanftes Lächeln lag auf ihren Lippen und ließ ihren fragenden Blick sympathischer erscheinen. Ihre schlanken Finger strichen eine Haarsträhne zurück.
Er vergaß die Finsternis, die nach ihm gegriffen hatte. Die Finsternis schlug wieder zu der erträglichen Dunkelheit um und er merkte es kaum, er sah bloß die Frau vor sich.
Die Straßenlaternen sprangen wieder an.
„Ah, na endlich", rief die Frau aus und lachte auf. „Es war viel zu lange dunkel!"
Ein Lächeln kroch auf seine Lippen, als er sie lachen sah. Es gab keine Erklärung dafür, aber er spürte eine wohlige Wärme durch seinen Körper kriechen und vergaß die eisige Kälte des Schnees. Er konnte die tanzenden Schneeflocken sehen, die um sie herum durch die Luft wirbelten und sich weiter in ihren Haaren verfingen, die ihren Anblick nur noch verschönerten.
„Geht es Ihnen wirklich gut?", fragte sie, ihre Aufmerksamkeit galt nun wieder gänzlich ihm.
Er stemmte sich ein Stück vom Boden hoch und setzte sich auf. „Es geht schon, danke."
Die Frau lächelte erneut, stand auf und hielt ihm eine Hand hin. „Kommen Sie schon, Sie brauchen was Warmes zu trinken."
Und als er nach ihrer Hand griff, ahnte er bereits, dass er ein neues Kapitel seines Lebens beginnen würde.
-----------------------------------------------------------------------------
Hallöchen, ihr Lieben! :3Erster Text hier und eigentlich ist er schon rund neun Monate alt und wurde ursprünglich für ein Projekt geschrieben. Nun.
Schien mir aber ganz gut geeignet als erster Text.
Also dann, haut mir gerne konstruktive Kritik um die Ohren, ich bin offen für alles! :D
Liebste Grüße & weiterhin allen viel Spaß am Lesen und Schreiben :)
~Denny
YOU ARE READING
Schneeflocken in tiefster Dunkelheit
Short StoryEin Abend in einer beliebigen Straße in der Weihnachtszeit. Ein immer stärker werdendes Schneetreiben, ein Stromausfall, erdrückende Finsternis und mittendrin ein beliebiger Mann, der gegen einen Teil von sich ankämpft. || OneShot.