Kapitel 2

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Elisabeth von Bernburg

Es war bitter kalt und Elisabeth von Bernburg frierte, trotzt ihrer roten Decke, mit der sie sich bedeckte. Nun war sie schon etwa eine Stunde unterwegs uns sie fragte sich, wann die Kutsche denn nun ankommen würde. Ehe sie ihren Gedanken beendete, stand sie auch schon vor dem Stift. 
"Vielen Dank.", sagte sie zum Kutscher. "Die 5 Mark sind für sie. Auf wiedersehen."
Elisabeth drehte sich um und strich ihren grauen Wollmantel glatt. Sie beschloss zuerst an den See zu gehen. Dort sah sie ihre Schüler damals oft während der Pause. Oft tauschten sie heimlich Briefe aus, die eigentlich untersagt waren. Aber sie versuchte dennoch so gnädig wie nur möglich mit den Kindern zu sein. Schließlich hatten sie schon genug Leid ertragen müssen. 
Es war das erste Mal, dass sie die Einladung zu einem Fest dieser Schule annahm. Miss Evans hatte sie diesmal persönlich eingeladen und da konnte sie natürlich nicht ablehnen. Das wäre sehr unhöflich gewesen. Jedes Jahr fand dieses Fest statt, sie hörte davon. Jedoch lehnte sie all die Jahre zuvor ab, denn sie brauchte noch etwas Zeit. Schließlich war es ihr damals nicht leicht gefallen, ihre Stellung aufzugeben. Aber es musste sein. Manchmal bereute sie ihre Entscheidung, doch sie rief sich selbst zur Ordnung und redete sich immer wieder ein, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. "Du hast das Kind im Stich gelassen, Elisabeth!", dachte sie. Hatte sie das wirklich? Elisabeth von Bernburg hatte das Stift verlassen, da Manuela beschützen wollte. Manuela. Ob sie wohl auch zu diesem Fest kommen würde? Das hatte Elisabeth nicht bedacht. Aber sie müsste doch schon längst die Schule verlassen haben. Wahrscheinlich war sie froh darüber, das alles hinter sich lassen zu können und vermutlich hatte das Kind ihre Gefühle für Elisabeth längst überwunden. 

"Fräulein von Bernburg?" Eine Stimme riss sie aus ihren Gedanken und sie drehte sich eilig um. Hinter ihr stand ein junges Mädchen, dessen Gesicht ihr durchaus bekannt vorkam. Nur kannte sie ihren Namen nicht. "Fräulein von Bernburg, wie schön sie zu sehen. Mein Name ist Olga. Ich war vor 7 Jahren in ihrem Schlafsaal." Noch immer konnte sich Elisabeth nicht erinnern, doch sie lächelte dem Mädchen zu, um nicht unhöflich zu wirken. "Guten Tag, Olga. Wie geht es dir?", fragte sie das Mädchen. "Vielen Dank, mir geht es sehr gut. Ich habe sie noch nie bei unserem Jahrestreffen gesehen. Sind sie zum ersten Mal hier?" Elisabeth nickte ihr leicht zu und sah noch einmal auf den See. "Bin ich. Bitte entschuldige mich, ich werde mal hinein gehen. Es ist doch ziemlich kühl.", sagte sie zu dem Mädchen. "Wäre es Ihnen recht, wenn ich Sie begleite?" Olga blickte sie flehend an. Eigentlich wäre Elisabeth lieber noch ein wenig allein geblieben, doch konnte sie das Mädchen schlecht hier draußen stehen lassen. "Sehr gerne.", antwortete sie also.

Vor dem Schulhaus angekommen, verabschiedete sich Olga von ihr und lief zu einer Gruppe von jungen Damen, die sich freudig in die Arme fielen. Sie hatte sich wahrscheinlich eine lange Zeit nicht gesehen. Elisabeth ging langsam die Stufen nach oben, an der alten Schulglocke vorbei. Mit einem zögern öffnete sie dann die Tür und trat hinein. Nichts hatte sich verändert. Alles sah genau so aus wie damals, als sie das Stift verließ. Sie hat sich damals nicht die Zeit genommen, um sich in Ruhe zu verabschieden. Elisabeth ist praktisch geflüchtet. Vor ihrem Leben, Manuelas Zuneigung und am meisten noch vor sich selbst. Dies jedoch mochte sie sich nicht eingestehen. Sie hat Manuela einfach verlassen, ist einfach gegangen. Doch was hätte sie tun sollen? Sie wollte das Mädchen schützen. Ihr die Möglichkeit geben, wieder auf die Beine zu kommen. Elisabeth konnte nur erahnen, wie sehr sie Manuela verletzt haben muss. "Es musste sein", flüsterte sie zu sich selbst. "Entschuldigung?" Erschrocken sah sie eine große junge Dame vor sich stehen. Alexandra. Ihr Gesicht würde sie nie vergessen. Alexandra war das Mädchen, dass heimlich für sie schwärmte. Doch sie hat es immer gewusst. Elisabeth ließ sich nie etwas anmerken, so wusste sie doch genau, dass viele ihrer Schülerin für sie schwärmten. Doch Alexandra zerstörte durch ihre Eifersucht das Leben Manuelas. Und ihres noch dazu.
"Guten Tag, Treskow.", begrüßte Elisabeth sie und reichte ihr die Hand. Das Mädchen nahm ihre Hand und begrüßte sie ebenfalls. "Fräulein von Bernburg. Ich habe sie hier nicht erwartet." Ihre Hände lösten sich, Elisabeth zog ihre Hand, fast schon ein wenig energisch zurück. "Bitte entschuldige mich, Treskow. Ich brauche unbedingt ein warmes Getränk." Ohne auf eine Antwort zu warten, ging sie in den großen Saal. Das war ihr einfach zu viel. Sie konnte Alexandra nicht länger ansehen. Nun stand sie da. Im großen Saal. Vor ihr die kleine Bühne, auf der Manuela damals Romeo und Julia spielte. Der Saal war gefüllt von Menschen und sie hatte Mühe, sich einen Weg zu den Getränken und Speisen zu suchen. 
Endlich angekommen, hielt sie ihre Hände vor den heißen Kessel, um sich daran zu wärmen. "Einen Tee, bitte.", bat sie die Dame hinter dem Stand. Wie von selbst suchten ihre Augen den Raum ab, auf der Suche nach ein paar Gesichtern die sie kannte. Und da stand sie. Am anderen Ende des Saals standen ein paar junge Damen in einem Kreis und unterhielten sich. Sie stand mit dem Rücken zu ihr, doch sie spürte es. Das war Manuela. Plötzlich drehte sie sich um und Elisabeth sah nun genau in das Gesicht, dass ihr nur allzu vertraut war. 

Mädchen in Uniform -Fanfiction (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt