Schläge

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Die Luft war ganz kalt. Auch mein Fell schützte mich nicht mehr vor der Kälte. Zu gerne würde ich jetzt ins Haus springen, doch an meinem Halsband befand sich eine Eisenkette. Ich war an der Hundehütte festgebunden, konnte seit Wochen nicht durch den Garten springen. Seit dem Tod von der Frau meines Herrchens war dieser wie ausgewechselt. Er ging mit mir nicht mehr spazieren, durch das Fenster konnte ich sehen wie er im Sessel saß, wie eine Puppe. Er starrte vor sich hin, als könnte er seine Blicke nicht abwenden. Nur selten bewegte er sich. Jeden Tag war es das Selbe: Wenn er aufwachte füllte er meinen Futter- und Trinknapf auf und setzte sich. Manchmal stand er auf, dann ging er ins Bad oder Einkaufen. 'Komm doch raus! Dann spielen wir und du vergisst deinen Kummer.', dachte ich. Doch er kam nie. Ich bellte. Doch es tat sich nichts. Ich versuchte es noch einmal, jetzt etwas lauter. "Sei ruhig du Köter!", brüllte es aus dem Nebenhaus. Mein klägliches Bellen verstummte. Ich versuchte es nicht weiter. Es hatte keinen Zweck. Herrchen hörte mich nicht. Er war weit weg, an einem Ort, den keiner sich vorstellen konnte.

Nach einer Weile kam eine Gruppe von Jungs. Einer von ihnen schleifte einen langen Stock hinter sich her. Ich mochte Kinder. Sie waren freundlich und tätschelten mich gerne. Ich bellte freundlich, aber einer der Jungen steckte den Stock durch den Zaun und pickste mich. Ich wich zurück und jaulte kläglich. Doch die Jungen hatten Spaß daran, mich zu quälen. Sie fuchtelten immer weiter herum und ich konnte nicht ausweichen, nicht einmal in meiner Hundehütte war ich sicher. Ich jaulte laut auf. Wann kommt mein Herrchen?  Wann hilft er mir? Wir waren immer für einander da. Doch jetzt war er weg. Und ich konnte nicht für ihn da sein. Ich jaulte noch einmal laut auf, als der Stock auf meinem Kopf schlug. "Was ist das für ein Lärm?", brüllte eine unfreundliche Stimme. Der Nachbar. Er konnte mich noch nie ausstehen. Die Jungs rannten weg und ließen den Stock fallen. Der Nachbar hebte ihn auf, steckte ihn wieder durch den Zaun und schlug mich. Seine Schläge waren härter als die der Jungs. Sie trafen mich auf den Kopf und auf den Rücken. Ich fand keinen Schutz, konnte mich nicht wehren. Ich fiel. Meine Augen schlossen sich, als ich den nächsten Schlag auf den Kopf bekam.

Ich wachte in einem kleinen Raum auf. Der Tierarzt. Ich kannte ihn gut. Er war sehr nett und seine Assistentin war die Schwester der verstorbenen Frau meines Herrchens. Der Tierarzt kam herein und als er sah, das ich aufgewacht war, streichelte er mich. Ich war ziemlich froh, hier zu sein. "Ein Glück, dass Sophia gerade dein Herrchen besuchen wollte. Keine Sorge, du wirst wieder ganz gesund. Und dann kannst du zu deinem Herrchen zurück", sagte der Tierarzt und lächelte. Sophia... Das war der Name seiner Assistentin, jetzt fiels mir wieder ein! Hoffentlich begegne ich nie wieder solche Menschen, die mich schlugen. Hoffentlich zeigt jemand den Nachbar, dass ich ein Lebewesen bin und Gefühle habe, dass ich Schmerzen spüren kann. Hoffentlich gibt mir jemand wieder die nötige Zuneigung, die brauche. Hoffentlich versteht mich jemand...

Für die grüne WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt