Kapitel 2

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Verschlafen lief ich die Treppe runter. So früh aufzustehen war ich nicht mehr gewohnt. Ich ließ mir einen Kaffe aus der Maschine und setzte mich an den kleinen, mit Kratzern überzogenen Esstisch. Halb schlafend trank ich den Kaffe als das Telefon mich aus meinem Halb Schlaf riss. „Ja?",fragte ich in den Hörer, als ich das Telefon endlich fand. „Jessy? Bist du das?",fragte die vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung. „Fred? Ja ich bin's.",antwortete ich. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Mein Herz begann schneller zu schlagen. „Jessy! Sind die drei gut bei dir angekommen? Es war ja doch ein langer Weg.",fragte er leicht besorgt nach. „Ja die drei sind gut angekommen. Sie hatten es allen Anschein nach sehr gut bei dir. Danke noch einmal das sie das Jahr bei dir bleiben durften.",nahm ich ihn seine Sorgen. „Natürlich! Sie dürfen jederzeit wieder kommen. Ja, soweit ich das beurteilen kann hatten sie es gut. Den Winter über wurde ordentlich gearbeitet. Summer Night hat einiges lernen müssen. Den Sommer über standen sie auf der Weide und wurden nur zum Training mal wieder zum Stall gebracht.",erzählte er mir von dem Jahr, indem ich nicht bei ihnen sein konnte. „Man sieht den drei das Training an. Summer Night ist ein prachtvoller Hengst geworden. Danke das du dich so wundervoll um die drei gekümmert hast.",bedankte ich mich noch einmal mit einem Grinsen im Gesicht. „Ich werde euch mal in einer ruhigen Woche besuchen kommen. Im Winter wahrscheinlich. Dann ist nicht besonders viel zu tun. Doch jetzt gerade im Herbst, wenn die Pferde langsam wieder rein kommen, ist es immer eine Aufregung. Vor allem wenn die Fohlen das erste mal Stunden in einer Box stehen müssen. Aber ich werde es schaffen euch mal zu besuchen.",erklärte er mir. Lächelnd antwortete ich:„Ja, das währe toll. Ich muss mich mal auf in den Stall machen. Am Ende zerlegt Snow mir die Box weil sie nichts zum Essen hat." Sein tiefes Lachen ertönt und er verabschiedet sich. „Falls du irgendwann mal Hilfe brauchst,melde dich,Jessy."

Nachdem die Pferde versorgt waren,beschloss ich zu schauen was die Weide machte. Neben dem Stall befanden sich zwei Weiden von mittlerer Größe. Sie waren nicht klein,aber auch nicht riesig. Die Weiden gingen mehr in die Länge als in die Breite da neben ihnen direkt ein weiteres Haus war. Eine große Sommerkoppel wo sie den ganzen Sommer über stehen würden,befand sich weiter vom Stall entfernt. Der Reitplatz befand sich hinter der Scheune.

Erleichtert stellte ich fest, das die Weiden zwar verwildert waren, ansonsten aber intakt. Der Holzzaun müsste mal erneuert werden, würde aber noch ein paar Wochen halten. Giftpflanzen bemerkte ich keine. Die drei könnten auf die Weide.

Lächeln betrat ich den Stall und erklärte den dreien:„Ihr dürft jetzt auf die Weide!" Ich nahm das dunkelrote Nylon Halfter vom Haken und betrat Summer Night's Box. Summer blickte mich neugierig an. Ich tätschelte seinen Hals und legte ihn das Halfter an. Seine schwarzen Augen folgten mir, als ich langsam die Boxentür öffnete und ihm mit einem Schnalzen signalisierte, dass er mir folgen solle. Er hob den Kopf und trat langsam hinaus.
Für einen, wenn auch erst seit kurzem, drei jährigen war er erstaunlich ruhig und auch gut entwickelt. Sein schwarzer Schweif war bestückt mit Strohhalmen. Die gleich farbige Mähne reichte ihn bis knapp unter dem Hals und warf leichte Wellen. Das Pech schwarze Fell hatte keinen Braunstich. Würde er sich weiterhin so gut entwickeln, stände dem Einreiten Ende Winter nichts im Wege.

Seine unbeschlagenen Hufen klapperten über das Kopfsteinpflaster. Wir umrundeten den Stall, um zu der Weide zu gelangen. Summer Night big den Hals und beschnupperte das Gras, dass auf dem kleinen Weg zwischen den zwei Gebäuden wuchs. „Komm, Summer! Die anderen beiden wollen auch raus.", ermutigte ich ihn und zupfte leicht am Strick. Der rote Strick hielt zum Glück stand. Er war mittig bereits gerissen und würde wohl in einer brenzlichen Situation nicht mehr halten. Auch das rote Halfter, das ich damals gemeinsam mit ihm bekam, war nicht mehr das beste. Summer hatte es in dem letzten Jahr ziemlich auf die Probe gestellt.

Alles alle drei friedlich grasend auf der Weide standen, begann ich ihre Boxen zu misten, Heu und Wasser aufzufüllen und alles, was nun mal getan werden musste.

Da heute Freitag war, hatte ich gerade mal drei Tage, ehe wieder Montag war und ich das erste mal meine neue Stelle antrat. Ich hatte lange überlegt und gesucht um eine geeignete Stelle zu finden. Trotz der Tatsache das ich keinen Schulabschluss besaß, würde ich als Verkäufer in einem Discounter in der Nähe anfangen. Es war nicht der am Besten bezahlteste Job, aber viel konnte ich ohne Schulabschluss nicht erreichen.

Die weiße Stute stand still am Zaun während ich mich in ihren Sattel schwang. Das Leder knarzte als ich mich vorsichtig auf ihren gut bemuskelten Rücken gleiten lies. Kurz fuhr meine Hand über ihren kräftigen Hals, ehe ich die Zügel aufnahmen. Kurz hielt ich inne. Es war ein unbeschreiblich tolles Gefühl nach über einem Jahr wieder auf einem Pferd zu sitzen. Ich spürte die Freude die in mir aufstieg. Mein Herz klopfte heftig im Brustkorb und ein grinsen schlich sich auf meine Lippen. Die große Stute stand still und wartete geduldig darauf loslaufen zu dürfen. Meine Schenkel schlossen sich leicht um den Pferdebauch und schon schritt Snow fleißig voran.

Ein wenig brachten mich ihre raumgreifenden Bewegungen aus den Takt. Ihr Trab war oftmals schwer zu sitzen und dies machte sich nach meiner langen,gezwungenen Reitpause bemerkbar. Es sah von außen wohl eher so aus, als wenn ein Anfänger versuchte zu Traben. Es wahr schrecklich. Immer wieder kam ich beim Leichttraben aus den Takt und musste erst wieder das äußere Vorderbein suchen. Es war zum verzweifeln.
Kopfschüttelnd ermahnte ich mich selbst meine ganze Aufmerksamkeit auf die weiße Stute unter mich zu richten. Mit geschlossenen Augen spürte ich ihren Takt und versuchte mich mit ihr zu Bewegen. Wie in einem Tanz. Wir mussten eine Einheit bilden. Aus unseren beider so unterschiedlichen Körper musste einer werden. Mit einem Takt. Einem Rhythmus der uns bewegte. 

Nach einigen weiteren Runden hatte ich es geschafft mich auf sie einzustellen und wir bewegten uns in einem Rhythmus. Meinen ganzen Mut gefasst saß ich aus,was definitiv das schwierigste war,und gab ihr die Galopphilfen. Sie sprang freudig an und ich konnte mich gut auf ihr halten. Ihr Galopp war rhythmisch und wir verschmolzen zu einer Einheit. Runde um Runde übten wir fliegende Wechsel, Tempounterschiede und vieles weiters. Ich hatte wieder ihren Takt gefunden und wir bewegten uns wie in einem schnellen Tanz. 

Nach einigen Runden im Galopp hörten wir auf und ich ritt sie nur noch ab. Es war genug für heute. Wir mussten keine riesigen Leistungen bringen. Für mir reichte es vollkommen. Ich saß nach einer viel zu langen Pause wieder auf einem Pferderücken. Mehr wollte ich heute nicht erreichen. Zufriedenheit machte sich in mir breit. Glücklich tätschelte ich den Hals von Snow White. Zufrieden schnaubte die Stute ab. 


Black Night-Der Hengst der UnendlichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt