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"Einen Martini bitte", kam es über ihre rot geschminkten Lippen, während sie sich lächelnd auf den freien Barhocker fallen ließ. Sie war hier eine der Jüngsten und kannte niemanden der Anwesenden.

Der Barkeeper lächelte sie charmant an und stellte ihr Getränk auf die Bar. Sie nickte dankend und schwenkte die goldene Flüssigkeiten mit den Eiswürfeln kurz hin und her, ehe sie das Glas mit einem Zug leer trank.

Nach einiger Zeit wurde ihr schwindelig und sie fächelte sich Luft zu. Ihr auffällig geschminktes Gesicht wurde kreidebleich und in der Panik ließ sie ihre Handtasche fallen. Sie stieß undeutliche Worte heraus, ehe sie vom Stuhl kippte und regungslos liegen blieb. Das Glas welches sie eben noch in der Hand hielt, zersprang auf dem Boden, während die ersten Zeugen auf die junge Frau zustürmten und sie sofort auf den Rücken drehten. Ihre Augen waren weit geöffnet und als ein Mann ihren Puls fühlen wollte, fand er keinen. Die junge Frau war Tod.

Die Schulglocke ließ die Schüler erleichtert aufseufzen und die ersten begannen hektisch ihre Sachen zusammenzupacken.

"Bis zur nächsten Unterrichtsstunde möchte ich, dass ihr euch Gedanken darüber macht, warum die junge Frau so plötzlich gestorben ist", brüllte Mr. Johnson noch, doch das hörten nur noch ein Teil der Anwesenden, die noch nicht hinaus in den Gang gestürmt waren.

"Können Sie noch einen Blick auf meine erledigten Hausaufgaben werfen?", fragte ich meinen Chemielehrer, welcher gerade den Fernseher ausschaltete und die DVD zurück in die Hülle packte.

"Natürlich, ich gebe Sie ihnen nächsten Dienstag zurück"

Ich überreichte Mr. Johnson meine Aufgaben und schielte hinüber zu Kate, die schon ungeduldig auf mich wartete. Wie immer waren wir die Letzten, die das Klassenzimmer verließen.

"Schönes Wochenende Miss Harper", er steckte meine Aufgaben sorgfältig in seine Tasche, während ich zum Gruß die Hand hob.

"Ja, Danke, wünsche ich Ihnen auch"

Grinsend verließ ich mit Kate das Klassenzimmer und folgte der Menschenmasse nach draußen.

"Also wirklich Eva, wenn du dich noch ein bisschen mehr einschleimst, kannst du gleich mit ihm ins Bett steigen gegen eine noch bessere Note"

Ich lachte künstlich und begrüßte einige bekannte Gesichter, die mir entgegenkamen.

"Sei nicht albern, ich will meinen Abschluss ehrlich verdienen". Es gab tatsächliche einige Schülerinnen hier auf der Schule, die ab und zu mit ihren Lehrern schliefen um eine bessere Note zu bekommen, ich gehörte nicht dazu und auch Kate ließ davon die Finger. Das Leben hier auf der Highschool war hart und die Leistungsanforderungen dementsprechend sehr hoch. Aber immerhin gehörte unsere Highschool zu den wohltätigsten Schulen Amerikas und nur Familien mit einem hohen Einkommen konnten es sich leisten ihre Kinder hier zur Schule gehen zu lassen. Ich war stolz hier zu sein und konnte mich nach diesem Jahr, mein letztes Jahr an der Highschool, auf mein College freuen und hatte gute Chancen auch dort angenommen zu werden, solange ich meine überdurchschnittlich guten Leistungen behielt.

Wir setzten uns an einen freien Platz draußen vor der Mensa und stellten unsere Taschen und Jacken dort ab, nachdem wir uns etwas zum Essen geholt hatten.

"Das Video war überaus schlecht gemacht", meckerte Kate und stocherte in ihrem Kartoffelsalat herum.

"Soweit ich weiß hat das Video die Abschlussklasse 2009 gedreht, also keine erfahrenen Schauspieler", ich zuckte mit den Schultern, "aber ja du hast Recht, wir hätten das Video bei Weitem besser hinbekommen"

"Welches Video?", ein Braunschopf tauchte direkt vor uns auf und ich blickte auf die strahlend weißen Zähne meiner Schwester, die sich mit ihrer Freundin gegenüber von uns setzte.

Zusammenfassend erzählte ich, um was es in diesem Video ging, während mein Mittagessen noch immer unberührt blieb.

"Habt ihr schon einen Verdacht, wes wegen sie gestorben ist?", fragte Hannah.

Ich strich sorgfältig den Rock meiner Schuluniform glatt, "Es könnte alles mögliche sein. Ich werde mich im Internet ein bisschen darüber informieren"

"Vielleicht hatte sie auch einfach einen Herzinfarkt", überlegte Kate laut, worauf ich hektisch den Kopf schüttelte.

"Wir haben den Film in Chemie angeschaut und nicht in Biologie. Ich sage dir, es war etwas in ihrem Getränk drin, was sie vergiftet hat und das sehr schnell"

Wir schwiegen eine zeitlang und ich konnte mich endlich meinem Salat mit Putenstreifen widmen.

"Das Einzige was ich bedenklich finde, ist, wieso wurde die Frau vergiftet und von wem?", fing meine Schwester wieder von vorne an und legte ihr Besteck zur Seite.

Wir drei anderen seufzten auf und meine Schwester wurde von ihrer besten Freundin Hannah augenverdrehend von der Seite aus angesehen. "Darum geht es doch gar nicht Nathalie. Der Film soll den Schülern nur einige Hinweise zeigen, mit was die Frau vergiftet wurde"

Gedankenverloren rührte Nath in ihrem Tee herum, "Ich finds trotzdem bedenklich"

"Du hast noch 2 Jahre, dann kannst du solche Fragen auf der FBI Academy stellen", lachte Kate, worauf ich ihr einen bösen Blick zuwarf. Sie sollte meine Schwester bloß nicht weiter auf solche blöden Gedanken kommen lassen.

"Stimmt", Naths Augen begannen zu leuchten, doch als sie meinem Blick begegnete wurde sie kühl, "mir egal was Dad sagt, ich will zum FBI und das werde ich auch schaffen"

Nath und ich verstanden uns trotz der zwei Jahren Unterschied und anderen Zielen und Vorstellungen hervorragend, nur wenn es um die bevorstehende Zukunft ging, hatte Nath noch die rosane Brille auf. Unsere Zukunft war von Geburt an mehr oder weniger vorbestimmt worden, zumindest was die Berufswahl anging. Mein Dad war Geschäftsführer einer der größten Banken Amerikas. Es war ein Familienunternehmen, welches mein Urururururgroßvater irgendwann ins Leben gerufen hatte und seitdem über Generationen hinweg weitergegeben wurde. Meine Schwester und ich wurden seit unserer Geburt darauf vorbereitet in dieses Geschäft einzusteigen. Dad hielt viel von Eliteschulen und so schmiss er monatlich mehrere tausend Dollar für unseren Bildungsweg hin. Ich, die zukünftige Geschäftsführerin der Bank, nahm meine Aufgabe ernst und wollte für alles in der Welt auch so reich und erfolgreich wie mein Dad und die Geschäftsführer davor werden. Nath, meine Schwester hingegen, die zusammen mit mir die Geschäftsführung übernehmen sollte, hatte ganz andere Vorstellungen. Sie wollte nicht etwas mit Finanzen und Sprachen studieren, sondern hatte sich in den Kopf gesetzt zum FBI zu gehen. Als unser Dad davon erfahren hatte, wurde er wütend und seitdem war es meine Aufgabe Nath von diesem "irrsinnigen Gedanken", wie mein Dad es nannte, weg zubekommen.

"Kommst du noch mit in die Stadt, ich will mir für Jasons Geburtstagsparty noch ein Kleid kaufen?", fragte Kate, als wir aufgestanden waren und unser Tablett weggeräumt hatten.

"Ich habe noch 3 Stunden Japanisch", erklärte ich ihr entschuldigend worauf Kate sich weniger begeistert von mir verabschiedete und wohl oder übel alleine losziehen musste.

Nath und Hannah sah ich in einer Ecke stehen, in der Nath vergeblich versuchte einen braunen Soßenfleck wegzubekommen.

"Was hast du denn gemacht?", fragte ich ärgerlich und kratzte auf ihrer weißen Bluse herum.

"Ist doch egal, unsere Schuluniform ist sowieso schon hässlich genug", sie schlug meine Hand weg und schulterte sich ihre Schultasche.

"Bis heute Abend Eva", lächelte Nath provozierend und ich konnte ihr nur noch kopfschüttelnd hinterher schauen, während mein Blick auf dem riesigen braunen Fleck hängen blieb.

IsolationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt