Gefangene POV
Ich sitze hier in diesem dunklen Raum. Alleine. Seit Tagen schon. Oder Wochen. Oder Monaten. Woher soll ich das wissen? Anfühlen tut es sich wie eine halbe Ewigkeit.
Voller Schmerz, Scham, Wut und Kraftlosigkeit. Diese Gefühle lassen sich leicht erklären. Der Schmerz kommt von den Schlägen meines Peinigers, wenn ich versuche, mich ihm zu widersetzen. Die Scham kam von den Dingen und Taten, die ER von mir verlangte. Ich wage es kaum daran zu denken, denn schon fühle ich seine Hände wieder auf meinem Körper, wie er mich überall berührt. Genau diese Handlungen bringen auch die Wut mit sich.
Dass sich ein Fremder erlaubt, mit meinem Körper so umzugehen, wie er es möchte. Als wäre es sein Eigentum. Doch ich kann nichts dagegen tun. Das wiederum liegt an meiner Kraftlosigkeit, die sich damit erklären lässt, dass ich seit ich hier gefangen bin, nichts Vernünftiges zu essen bekomme und auch sonst keine Möglichkeit habe, mich zu stärken.
Es ist kalt hier drin. Nicht viel wärmer, als es war, als ich das letzte Mal draußen war. Und da war es Winter. Es dürften also nicht mehr als 10° hier drin sein. Wenn überhaupt. Die einzige Möglichkeit, mich effektiv zu wärmen, wäre, mich zu bewegen, doch ich bin so kraftlos und fühle mich so ausgelaugt, dass ich dazu nicht mehr in der Lage bin.
Also sitze oder liege ich auf meiner ausgelegenen Matratze auf dem Boden und wickle mich so gut es geht in die dünne Decke ein, die er mir gleich am Anfang zugeworfen hat. Es war so eine Decke, die man in einem normalen Haushalt bei sich zu Hause auf der Couch liegen hatte, falls einem abends kühl wurde. Also auch keine Wärmequelle oder wenigstens etwas, das warm halten könnte. Nicht einmal die Glühbirne, die von der Decke hing, war warm. Obwohl sie die ganze Zeit leuchtete.
Einmal, als ER wieder da war, hatte ER mich so zugerichtet, dass ich mit aller Kraft, die ich noch hatte die Glühbirne von der Decke riss und auf den Boden warf. Von den Scherben suchte ich mir eine mit einer scharfen Spitze aus und setzte sie an meinem Arm an.
Ich sah mir das Desaster an und fragte mich, ob ich IHM damit einen Gefallen tun würde. Doch das war mir egal. So schnitt ich mir das erste Mal in meinen Arm. Und es fühlte sich gut an. Ich wusste zwar, dass es so nicht weiter gehen durfte und ich davon bloß nicht abhängig werden durfte, doch in dem Moment befreite es einfach nur. Das erste Mal, seit ich bei IHM war, fühlte ich mich lebendig und befreit von all den Sorgen. Doch dann hörte ich Schritte. ER kam wieder. Schnell versteckte ich eine Scherbe unter der Matratze und versuchte, meinen Arm zu verstecken. Doch das funktionierte nicht. ER riss meinen Arm zu sich und schrie mich an.
"Bist du bescheuert? Was soll die Scheiße? Ich brauche dich noch! Ich kann es mir nicht leisten, jemand Neues zu holen. Du wirst doch nur noch schwächer. Du kriegst doch jetzt schon nichts mehr hin!" Wütend stapfte ER wieder raus und warf dabei die Tür mit einem so lauten Krachen zu, dass ich heftig zusammen zuckte. Nur kurze Zeit später kam ER mit einem Verband wieder, den er mir grob um den Arm wickelte. Dann verschwand ER wieder und kam eine lange Zeit nicht mehr zurück.
Man könnte meinen, ich hätte aus diesem Vorfall gelernt, doch ich machte weiter bis ich irgendwann keinen Platz mehr am Arm hatte und mir eine neue Stelle suchen musste.
Jetzt bin ich wieder an so einem Punkt und überlege, wo ich weiter machen könnte.
Ich ziehe meine Hose runter und schaue auf meinen Oberschenkel. "Perfekt", denke ich, "die Schnitte sind verblasst und ich habe genug Platz." Ich setze wieder die Klinge an und es ist wie ein Rausch. Ich fühle mich so leicht, als würde ich schweben. Nach einigen Schnitten, ich wollte es ja nicht übertreiben und Platz für die nächste Zeit lassen. Ich nehme also ein Tuch und wische das Blut oberflächlich ab. Ich glaube, ich kann bald wieder duschen gehen. Dann wird das alles hoffentlich sauber...Wieder höre ich Schritte und die nächste Höllenfahrt beginnt.
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The Prisoner
General FictionIch sitze hier in diesem dunklen Raum. Alleine. Seit Tagen schon. Oder Wochen. Oder Monaten. Woher soll ich das wissen? Anfühlen tut es sich wie eine halbe Ewigkeit. Doch ich weiß, irgendwann werde ich hier rauskommen.