Die Krebsfrau

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Man braucht einen Kompaß, wenn man durch die Seelenlandschaft dieser Dame reisen will. Hat man nicht den richtigen, verirrt man sich und vermag nicht zu bestimmen, wo man mit ihr dran ist.
Im Zweifelsfall erinnere man sich der folgenden Regel: Sie ist abhängig von der Unterstützung ihrer Nächsten, aber zu scheu, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Und sie erträgt keine Kritik, vor allem nicht, wenn sie dabei lächerlich gemacht wird. Nichts verletzt sie mehr, nichts findet sie grausamer und ungerechter. Die schmerzliche Erinnerung daran bleibt haften, bis sich ihr eine Möglichkeit bietet, Rache zu üben.

Sie hat überhaupt ein Gedächtnis, als ob die Erinnerungen in eine Stahlplatte graviert wären. Sie sind kaum auszulöschen. Sie verblüfft immer wieder mit der genauen Wiedergabe einmal gesprochener Worte und kann ganze Unterhaltungen wiederholen.
Das liegt nicht zuletzt daran, daß die Krebsfrau die Vergangenheit hegt. Am liebsten würde sie darin weiterleben, und wenn sie zum Okkulten neigt, glaubt sie an ein früheres Leben. Sie liest gern historische Bücher und richtet ihre Wohnung vorzugsweise mit Antiquitäten ein. Sie liebt Ahnenbilder, die ihrem Sinn für Kontinuität entsprechen. Das Leben bedeutet für sie nicht nur das Hier und das Jetzt.

Sie ist häuslich und verwendet viele genußreiche Stunden darauf, ihr Heim nach ihrem Geschmack einzurichten. Ihr Sinn fürs Dekorative ist manchmal ein wenig altmodisch, jedoch nie kitschig. Ihre Küche ist so warm und einladend wie auf einem alten niederländischen Gemälde. Das eigene Heim ist wirklich ihr Reich.

Niemand verläßt ihr Haus hungrig. Sie kocht vorzüglich. Ihr Kühlschrank ist bis obenhin gefüllt mit Vorräten und guten Dingen. Das gehört zu ihrem übermächtigen Verlangen nach Sicherheit. Sie muß einfach wissen, woher ihr nächstes Mahl kommt - und ihr nächstes Monatsgeld. Sie weiß, daß Geld zählt.

Sie ist nicht geizig, aber sie legt Geld auf die Seite, um gegen schlechte Zeiten gefeit zu sein. Sie trennt sich vom Geld nur gern, um es als Balsam für eine seelische Wunde zu benützen. Ein seelisches Trauma kann durch eine Einkaufsorgie geheilt werden, aber selbst dann neigt sie dazu, das Geld wertbeständig anzulegen.

Sie klatscht nicht. Man kann ihr unbesorgt ein Geheimnis anvertrauen, sie wird es nicht weitertragen. Wenn es sich um Bekenntnisse handelt, ist sie buchstäblich verschwiegen wie ein Grab. Andererseits ist sie eine wunderbare Erzählerin. Es ist ein Vergnügen, ihr zuzuhören, wenn sie Geschichten und Anekdoten erzählt, meistens aus der eigenen Vergangenheit oder von ihrer Familie. Sie hält ihre Zuhörer in Bann, indem sie den Ton leicht ändert, fein nuanciert und Wortbilder anwendet, die einem Dichter Ehre machen würden. Witze kann sie allerdings nicht erzählen. Denn wenn sie etwas komisch findet, kann sie sich vor Lachen kaum mehr beherrschen. Sie brüllt dann geradezu vor Lachen. Und dieses Lachen ist nicht ihre beste Eigenschaft. Es ist albern, beinahe hysterisch.
Sie ist ihren Freunden treu, auch dem Mann, mit dem sie sich verbindet. Manchmal hat ihre Treue etwas Klettenhaftes. Dafür erwartet sie auch vom andern ständig Liebesbeweise. Sie muß umsorgt und gelobt, möchte umschwärmt und angebetet werden. Sie muß mit zarter Behutsamkeit und geduldiger Rücksichtnahme behandelt werden, denn vor einem draufgängerischen Mann weicht sie zurück.

Es fällt ihr schwer, sich in Liebe hinzugeben, obwohl sie auf Männer wegen ihrer Bescheidenheit, Heiterkeit und ihres echten Mitgefühls sehr anziehend wirkt. Sie ist das scheue, liebliche Mädchen in weißem Organdy, dessen Bild jeder Mann in einem Geheimfach seiner Seele mit sich herumträgt. Wenn man sie erobern will, darf man Rosen, Kerzenlicht, Champagner und Liebesgedichte nicht mißachten. Es wird keine schnelle Eroberung sein. Ja, es wird sich wahrscheinlich um alles oder nichts handeln, um leben oder sterben, um Heirat oder Trennung für immer. Die Entscheidung sollte der Mann sorgsam abwägen. Verliert er sie, so wird ihn die Erinnerung nie mehr loslassen.

Zwei Dinge muß diese Frau, deren Sonnenzeichen vom Mond beherrscht wird, im Verein haben - Liebe und Geborgenheit. Sie sucht jene Liebe, die über den Sex hinausgeht, und das bedeutet Heim, Kinder, eine stabile Beziehung. Sie läßt den Mann nicht in ihr Schlafzimmer, bevor sie seiner langfristigen Absichten sicher ist.

Wenn sie wahre Liebe findet, tut sie alles für den Mann, und sie ist durchaus fähig, die befriedigendste Sexpartnerin aller Tierkreiszeichen zu werden! Ihre Aufrichtigkeit in der Liebe macht sie zur schlechtesten aller Kandidatinnen sobald es um bezahlte Gunst geht, sei es als Prostituierte, Call-Girl oder einer Heirat aus Vernunftsgründen. Sie ist außerstande, sexuelle Reaktionen vorzutäuschen.

Unter den richtigen Umständen kann sie jedoch eine gute Geliebte sein, vorausgesetzt sie weiß, daß der Mann sie aus bestimmten Gründen nicht heiraten kann oder ehrlich überzeugt ist, der Trauschein sei nicht wichtig. Wenn sie sich einem Mann hingibt, bleibt sie ihm auch treu. Jeder Mann, der sie als Geliebte gewinnt, ist gut beraten, wenn er sie zu seiner Frau macht - nur um sicherzugehen, daß er diesen Schatz nicht verliert.

Nicht etwa, daß er sich deswegen Sorgen zu machen brauchte. Sie ist der Prototyp des Weibes, das zu seinem Mann steht. Sie steht auch dann zu ihm, wenn er Alkoholiker, Schürzenjäger oder ein Ekel ist. Manche Männer beklagen sich, diese alles verzeihende Liebe könne auf die Nerven gehen, und Psychologen erklären sie mit der unbewußten Angst, unwürdig zu sein und deshalb in der Liebe nichts fordern zu dürfen. Was auch der Grund sein mag, Krebsfrauen werden von den Männern oft schlecht behandelt.

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