I | Vorbereitungen

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"Verdammt, wieso sollten wir zwei fucking Stunden früher da sein?! Mindestens eine davon hätte man anderweitig besser nutzen können." Ich kochte nahezu über, was man aber wohl verstehen kann. Wenn nicht, dann Pech gehabt. Ich war einfach nur sauer auf unseren Tutor, der felsenfest davon überzeugt war, wir würden ganze zwei Stunden für die Vorbereitung dieses langweiligen Theaterstücks brauchen. Ich mein ja nur, hallo?! So lange?! Es waren gerade mal 20 Minuten vergangen, und nur vereinzelte Spasten wurden benötigt. Solche Opfer aber auch...
Luna zuckte nur kurz mit den Schultern, sie konnte es ja auch nicht wissen. Wir beschäftigten uns nur noch damit, auf unsere Handys zu starren, über jeden erdenklichen Mist zu labern oder dümmliche Kunstwerke mit Kreide an die Tafel zu schmieren. Ich persönlich hätte gerne zur zweiten Gruppe gehört, saß aber stattdessen zwischen lauter Mitgliedern der ersten Art und betrachtete die Da Vincis und Picassos. Ich hoffte einfach nur, dass niemand die Bilder sehen würde, es wäre zu erniedrigend. Ein Penis, weitere wundervolle Geschlechtsorgane und dies betonende Schriftzüge. Tja, auch wenn wir Zwölfer waren, unsere kindliche Seite blieb aus unerklärlichen Gründen. Ja, ja, aus seeeehr unerklärlichen Gründen. Das Mysterium des Jahrhunderts. Nicht.


"Agata, ist dir auch so langweilig?" Es kam in dem Moment irgendwie etwas unerwartet, dass Ardy mich ansprach, denn ein paar Sekunden davor hatte er noch Kopfhörer an und war vollkommen in einem Song versunken. Logisch, dass ich kurz Zeit brauchte, um zu antworten: "Denkst du ich sitze zum Spaß gelangweilt rum, oder was?" "Bei dir weiß man nie!" Er lachte über seinen eigenen primitiven Kommentar. Haha. "Mir ist da bloß gerade eine geile Idee gekommen." Ich schaute ihn leicht verwirrt an. Wisst ihr, Ardy kommt ab und zu auf sehr bescheuerte Gedanken, vor allem abends. Da ist er sozusagen in 'nem Rauschzustand, als ob er heftig Drogen genommen hätte. Creepy, aber höllisch amüsant. "Naja ... die Stimmung ist ja nicht gerade nice, da könnten wir etwas Hilfe gebrauchen. Ich habe sie sogar dabei, aber im Spind." Mir wurde etwas flau im Magen, als er diese Worte flüsterte - so, dass sie niemand außer uns hören konnte Zumindest noch nicht. "Meinst du?" Ich war mir nicht sicher, ob die Idee so gut war. Wenn jemand von den Lehrern es checken würde, dabei ist der Großteil ziemlich ungebildet in sowas, dann gäbe es richtig Beef. Beeeeeeeeeeef. Muaaaaahahahahaaaaaa. Nicht unbedingt so wünschenswert...


"Ach komm, es lohnt sich!" Ehe ich protestieren konnte, packte Ardy bereits meinen Arm und schleifte mich aus dem Klassenzimmer, welches direkt gegenüber vom Theaterraum liegt und der Vorbereitung dienen sollte, auf den Gang. "Na gut, aber wir müssen verdammt noch mal sehr vorsichtig sein!" "Du meinst wenn sie uns erwischen? Dann sag einfach: Witz, das war nur ein Prank, soziales Experiment!" Wenn ich ein Poesiealbum oder so 'n Zeug hätte, würde ich diesen Spruch für immer und ewig dort reinschreiben. Für den Anfang tut es aber auch eine kleine Ecke von der letzten Physikklausur, believe me. Minimale Stücke diverser Tests und Arbeiten eignen sich in jedem Fall für Notizen, egal welche.
Ardys Spind befand sich im Erdgeschoss, weshalb wir erst mal eine Etage runter mussten. Shit, umso länger der Weg, desto größer die Wahrscheinlichkeit, von einem Lehrer aus dem Hinterhalt angegriffen zu werden."So, nimm." Der Rothaarige schloss schnell auf und drückte mir einen Kasten Bier in die Hand. Er selber nahm einen zweiten heraus. Ich sah in ungläubig an: "Woher. Hast. Du. Zwei. Kästen. Bier?" "Aus dem Supermarkt, ist noch vom Abistreich übrig geblieben." Ja, da haben wir Bier verwendet, aber ein Detail passte nicht ins Bild. "Junge, das war alkoholfreies Bier. Verstehst du? Alkoholfrei! Das, was wir hier in der Hand haben, ist nicht alkoholfrei.", ließ ich deshalb diese kleine Lüge auffliegen. Ardy lief leicht rötlich an, als er checkte, dass ich ihn ertappt habe: "Joa, stimmt, aber komm. Das Stück soll doch möglichst chillig über die Bühne gehen, oder?" Da musste ich ihm recht geben, da war was dran. Aber wir sollten es lieber nicht zu sehr an die Spitze treiben.


So leise, wie es mit zwei prallgefüllten Kisten Bier nur möglich ist, schlichen wir wieder zu den anderen hoch. Bei mir fand ich noch ein Dutzend Plastikbecher, die wirklich vom Abistreich übrig waren. Als wir die Tür zum Raum aufstoßen, fiel mir auf, wie laut es drinnen eigentlich war. Auf dem Gang herrschte Totenstille, deshalb nahm man den Geräuschpegel beim Reinkommen noch viel extremer wahr. Es sprach sich in Windeseile herum, dass es Alkohol gibt, somit war die Stimmung auch richtig schnell am Höhepunkt angelangt. Anfangs schenkte ich noch ein bisschen aus, dann füllte ich mir selber etwas in einen der Becher und gesellte mich zu Luna und Taddl. Als ich letzteren sah, musste ich mich übelst zusammenreißen, um keinen Lachanfall zu bekommen und das ganze Bier auf sein Shirt zu spucken: Er hatte sich tatsächlich zwei kleine Zöpfe aus seinen etwas längeren Haaren machen lassen und sah aus wie ein kleines Mädchen aus dem Kindergarten. Als ob Taddl Gedanken lesen könnte, beantwortete er auch schon die Frage, die mir bisher nur im Kopf herumgeschwirrt war: "Schließ nie eine Wette mit Luna ab, das geht nur schief. Und als Strafe frisiert sie dich dann nach Lust und Laune!" Mir gefiel es schon immer, wie er alles mit Humor nimmt. Viele wären an seiner Stelle ausgerastet, aber ihm war es sichtlich egal. Mit solchen Homies kann man immer sehr nice abhängen.

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