Kapitel 1

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Jetzt:

Ich hatte meinen Kopf gegen die kühle Fensterscheibe gelehnt und starrte nach draussen. An mir zogen Bäume, Felder und Häuser vorbei. Ich würde gleich ankommen. Gleich würde ich mein neues Leben starten. Quietschend kam der Zug zum Stehen, ich war an meinem Ziel angekommen. Langsam stand ich auf, nahm meinen Koffer in die eine, meine Reisetasche in die andere Hand und verliess den Zug. Als ich den Bahnsteig betrat, fröstelte es mich. Ich hätte niemals erwartet, dass es hier im Frühling so kalt sein könnte. Ich blickte mich um, das also war Clevedon. Ich hatte es mir anderst vorgestellt, nicht ganz so ländlich. "Mariah, hier bin ich." Ich drehte mich um, etwas weiter hinten, neben einem Kiosk stehend, erblickte ich meine Grossmutter. Freudig winkend, kam sie auf mich zugeeilt. 

Als sie vor mir stand, lächelte sie mich mit einem typischen Omalächeln an, das wirklich nur Grossmütter beherrschten. "Hi, Nan." Ich flüsterte beinahe. Ich hatte meine Grossmutter schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Vorsichtig umarmte ich sie, ich hatte irgendwie Angst, ich könne sie zerquetschen, sie sah so zerbrechlich aus. "Komm, mein Engel. Wie fahren nach Hause." Sie entzog mir sanft meinen Koffer und ich folgte ihr zu ihrem Auto. Wir verstauten mein Gepäck im Kofferraum, danach setzte ich mich neben sie auf den Beifahrersitz. "Und, hattest du eine gute Reise?" Ich nickte. Eigentich war das gelogen, aber ich wollte sie nicht beunruhiegen. Die Wahrheit war, dass alles okay gewesen war, bis ich mich in den Zug hatte setzten müssen. Ab da war nichts mehr  gut gewesen. "Das ist gut. Das heisst, du hast das Alles grösstenteils verarbeitet." Nein, ich hatte nichts verarbeitet. Jedes Mal, wenn ein Zug an mir vorbei fuhr, oder ich nur einen hören konnte, schnürte sich mein Herz zusammen und die Panik stieg in mir hoch. Ich hatte heute zum ersten Mal  seit zwei Jahren wieder einen Zug betreten. Ich hatte es zuvor schon öfter versucht, hatte aber nie den Mut gehabt. 

Vor Zwei Jahren:

Ich sass meinen Eltern gegenüber im Zug. Wir waren auf dem Weg nach Berlin, dort wollten wir meine Tante Martha besuchen. Ich freute mich auf Berlin, als ich klein war, hatten wir sie beinahe jedes Wochenende besucht, doch ich war äter geworden und die Besuche seltener. Mom las ein Buch, während mein Dad mit irgend einem Mitarbeiter seiner Firma telefonierte. Ich wand meinen Kopf zum Fenster und blickte nach draussen. An mir zogen alte, verfallene Gebäude und Fabrikhallen, die über und über mit Graffiti besprüht waren, vorbei. Ab und an ein Feld, auf dem Sonnenblumen blühten oder auf dem gelber Raps wuchs. Ich kramte meinen iPod hervor, stöpselte mir die Kopfhörer in die Ohren und stellte Makes You Beautiful von One Direction ein, momentan war das mein absolutes Lieblingslied, ich hörte es andauernd. "Mom, wann sind wir da?" Lächelnd blickte sie von ihrem Buch hoch und schaute mich mit ihren wasserblauen Augen, die ich leider nicht von ihr geerbt hatte, an. "Bald mein Schatz, gedulde dich noch ein wenig." Ich nickte und wandte meinen Kopf wieder zum Fenster.

Langsam hielt der Zug bei der nächsten Station an. Wir waren im hintersten Wagen, ich versuchte nach vorne zu sehen, ich liebte es, wenn ich beobachten konnte, wie Eltern ihre Kinder in die Arme schlossen und Pärchen wieder vereint wurden. Ich grinste glücklich. Plötzlich sah ich etwas auf uns zugerast kommen, es wurde immer grösser, als es auf den Zug auftraf klirrte und quietschte es, dann spürte ich einen stechenden Schmerz. "Mom, Dad!" Ich erhielt keine Antwort. Verzweifelt versuchte ich mich zu befreien, doch es gelang mir nicht, ich spürte etwas warmes an meinem Gesicht runter laufen, Blut. In dem Moment, in dem ich es realisiert hatte, wurde es dunkel um mich und eine ungeheure Kälte überfiel mich.

Jetzt:

"Engelchen, ist alles in Ordnung, du guckst so verstört?" Ich zuckte zusammen, ich musste wieder eine Art Tagtraum gehabt haben, das hatte ich in letzter Zeit immer öfter. Darin spielte ich den Unfall immer und immer wieder durch. Ein Lastwagen war in den Zug gefahren, der Fahrer des Lastwagens hatte einen Herzinfarkt gehabt und die Kontrolle verloren. Meine Eltern waren sofort tot gewesen, ich hatte Glück im Unglück gehabt und überlebt. Jedoch hatte ich beinahe ein Jahr lang im Koma gelegen. Als ich schliesslich aufgewacht war, hatte ich intensive Psycho- und Physiotherapie. Und jetzt, mit sechzehn Jahren, würde ich bei meinen Grosseltern in Clevedon leben. Ich würde zur Schule gehen und versuchen ein normales Leben zu führen.

It's A Love Story (A Union J Fan Fiction, Deutsch/German)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt