5. Schuldgefühle

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5. Schuldgefühle

Meine Augen fangen an zu brennen und ich strecke eine Hand nach meiner Schwester aus.
Sanft streiche ich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und stecke sie hinter ihr Ohr.

„Es tut mir so leid, Gem. Das alles tut mir so schrecklich leid." flüstere ich und spüre wie mir die ersten Tränen heiß über die Wangen laufen.

Ich greife nach ihrer Hand und fahre immer wieder mit meinem Daumen über ihren Handrücken, während ich immer wieder wiederhole wie leid mir das alles tut.
Dabei bemerke ich gar nicht das sie aufgewacht ist.
Erst als sich eine Hand um meine schließt und mich in meinen Bewegungen innehalten lässt.
Ich kann nur verschwommen erkennen das sie ihren Kopf hebt und mich ansieht.

„Harry?" fragt sie mich vorsichtig und die Unsicherheit ist deutlich aus ihrer Stimmer herauszuhören. Meine Schwester sollte nicht daran zweifeln müssen ob sie wirklich mit MIR redet oder mit der Maske, sie sollte keine Angst vor den Wörtern haben die meinen Mund verlassen könnten oder werden.

Es tut mir weh, das sie so fühlen muss und das ich selbst daran schuld bin. Dabei vergesse ich ganz kurz meine eigenen Ängste.

„Es tut mir so leid, Gemma. Alles was in den letzten Jahren passiert ist, alles was wegen meiner Sturheit passiert und nicht passiert ist und alles was ich kaputt gemacht habe. Es tut mir einfach alles so verdammt leid." sage ich jetzt schluchzend und die Tränen laufen mir ungehalten über die Wangen, den Hals hinab und sickern in mein T-Shirt. Die Haare kleben mir an der Stirn und an den Wangen und ich wette ich sehe so furchtbar aus wie ich mich fühle.

„Alles was ich euch an den Kopf geworfen habe, dass ich mich so von euch entfernt habe und euch von mir gestoßen habe. Ich habe einfach alles kaputt gemacht, was ich hätte kaputt machen können. Ich weiß garnicht wie ich das solange aushalten konnte. Wie ich mich so verändern konnte....
Vor ein paar Monaten war es so als würde ich aus einer Trance oder einem Albtraum aufwachen und gar nicht wissen wo und wer ich eigentlich bin.
Ich habe versucht mich wieder in den Griff zu bekommen und das alles auszuhalten, aber es ging einfach nicht. Ich kam mir völlig fehl am Platz vor, so als würde ich von außen gesteuert werden. Denn genauso war es.
Ich konnte das nicht mehr ertragen, ich hatte vor allem Angst und ich habe versucht für die Jungs weiterzumachen. Ihnen geht es genauso wie mir, ich konnte sie einfach nicht hängen lassen.

Wir sind alle am Ende.
Aber ich halte das jetzt einfach nicht mehr aus.
Ich will das nicht mehr.
Nie wieder.
Ich kann nicht mehr." schluchze ich laut und meine Brust hebt und senkt sich schnell unter meinen Schluchzern. Wirr schüttle ich dabei meinen Kopf.

„Ssssh Harry..." versucht meine Schwester mich zu beruhigen und rutscht zu mir auf das Bett. Ich mache ihr Platz und klammere mich an sie als sie mich in ihre Arme zieht.

„Es tut mir so leid." flüstere ich in ihre Haare und lasse mich von ihr halten. Es ist ein wunderbares Gefühl und das erste Mal seit Monaten fühle ich mich ein bisschen sicherer und kann mich ein wenig fallen lassen.

Die Geborgenheit die ich früher immer bei Gemma fand ist auch jetzt sofort wieder da und umhüllt mich wie ein wärmender Mantel.
Beruhigend streichelt sie mir über den Rücken und mit der anderen Hand durch meine Haare.
Eine Geste die mich als kleines Kind und Teenager immer beruhigt hat und auch jetzt noch wirkt.

Aufgewühlt hänge ich in ihren Armen und klammere mich an sie als wäre sie mein Rettungsring.

Dabei bemerke ich, dass auch ihr zierlicherer Körper zittert, als sie versucht ihre eigenen Schluchzer zu ersticken..

Wie ein Mantra wiederhole ich meine Entschuldigung, bis sie mich loslässt, mein Gesicht in ihre Hände nimmt und mir mit nassen Wangen ins Gesicht sieht.

„Harry, hör auf dich zu entschuldigen und hör mir mal zu.. Okay?" sagt sie einfühlsam und fragend. Ich schweige und sehe sie einfach nur an.

„Es gibt vielleicht wirklich einige Dinge die du hättest machen oder sagen können und es gibt Sachen die du am Besten niemals hättest tun sollen. Aber du bist ein Mensch. Menschen machen Fehler. So geht es Jedem einmal.
Mein Fehler und auch Mum's war es zu schnell aufzugeben dich von der Realität zu überzeugen und dir so gut wir konnten zu helfen. Wir haben es versucht, aber du wolltest keine Hilfe annehmen. Du weist nicht wie schwer, beinahe unmöglich es ist Jemandem zu helfen, der sich nicht helfen lassen will. Du weist nicht wie schwer es war zuzusehen wie du uns immer mehr entgleitest.
Du bist mein kleiner Bruder und es ist die Aufgabe der älteren Geschwister auf die jüngeren aufzupassen. Auch wenn ich dich niemals so gut beschützen könnte wie ein großer Bruder. Zumindest nicht körperlich.
Aber ich hätte weiterhin für dich da sein müsse.
Mir tut es leid Harry.
Ich bin deine große Schwester und ich habe dann versagt als du mich am Meisten gebraucht hast.
Es ist meine Schuld, genau wie Mum's und deine, dass wir das nicht gemeinsam, als eine Familie lösen konnten.
Aber dennoch tragen wir an allem die geringste Schuld, genau wie Niall, Louis und Liam.

Das Management ist Schuld daran was mit euch, mit dir, passiert ist. Sie haben euch kaputt gemacht. Ihr wart Teenager und hattet gar keine andere Wahl als das zu tun was von euch verlangt wurde.
Es tut mir so leid, dass du alleine durch diese Hölle gehen musstest, aber das musst du jetzt nicht mehr. Du hast uns, Mum und mich. Du hattest uns immer und wirst uns immer und hinter dir stehen haben. Egal was kommt oder passieren wird.

Wir sind eine Familie und wir halten zusammen."

Beendet sie ihre Rede und jetzt laufen mir die Tränen nur noch unkontrollierter als vorher das Gesicht hinab.

Ich habe sie so schlecht behandelt und trotzdem ist sie hier und sorgt sich um mich. Verzeiht mir alle schrecklichen Sachen die ich ihr an den Kopf geworfen habe und ist einfach für mich da.

Und obwohl sie an alledem keine Schuld trägt fühlt sie sich schuldig.

Sie müsste mich eigentlich hassen, aber aus einem mir unerklärlichen Grund tut sie es nicht.

Was für mich in diesem Moment aber das Wichtigste und Schönste ist, ist das sie immer für mich da sein wollte, ist und sein wird. Ich war die ganze Zeit nur zu blind um das zu sehen.



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⏰ Last updated: Jan 31, 2017 ⏰

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