1.Kapitel

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1. Kapitel
Waisen adoptiert von Mr. und Mrs. Quieen,
die Eltern verloren, die Kinder sie schmoren,
von strenge und Unrecht, ist des Quiens Erziehrecht,
den Brüdern, welch Pech.

„Lass los!", rief Phil seinen kleinen Bruder Shawn zu, „wenn du mein Bein nicht sofort los lässt entdecken Mum und Dad uns beide!"  „Sie sind nicht Mum und Dad! Nimm mich mit, Phil! Bitte! Egal wohin! Ich will nicht zurück ins Waisenhaus!", sagte Shawn, während er sich an Phils Bein festklammerte. Seine blonden Locken fielen in sein kindliches Gesicht und seine kleinen tiefgrünen Augen schauten hilfesuchend hoch zu Phil.  „Mensch Shawn, du bist mein Bruder. Ich würde dich niemals bei diesen Menschen zurücklassen. Und jetzt steh auf. Schnell!", forderte Phil seinen kleinen Bruder auf.     „Da seid ihr ja! Wenn ihr sowas noch einmal macht, bekommt ihr einen ganzen Monat Hausarrest, ach was sage ich da, jetzt bekommt ihr einen ganzen Monat Hausarrest und das nächste Mal ein ganzes Jahr!" Die Stimme war quietschend hoch und kam von einer älteren Frau, welche einen roten Pelzmantel und einen Feder-besetzten Hut trug. Es war Mrs. Quieen, die sich nun mit kleinen Tippelschritten den Kindern näherte. Ein Mann mit Gehstock, einen Schnauzer und einem schwarzen Sakko begleitete sie im elegantem Schritt. Es war Mr. Quieen. Das Ehepaar war um die 60 Jahre alt und kleidete sich wie im 19. Jahrhundert. Sie passten nicht in das Bild der modernen menschenüberfüllten U-Bahnstation Londons. Bis sie bei den beiden Brüdern wären, würde es noch einige Sekunden dauern. „Schnell, Shawn, in die U-Bahn!", rief Phil seinen 6-jährigen Bruder zu, der sich inzwischen von Phils Beinen gelöst hatte und nun neben seinem Bruder stand. Beide rannten zu den Schließtüren der U-Bahn. Kurz danach schlossen sich die Türen und die U-Bahn fuhr los, während Ms. und Mrs. Quieen nur mit zornigen Gesichtern zuschauen konnten, wie ihre adoptierten Kinder im U-Bahn-Tunnel verschwanden. Shawn grinste sie hinter dem Fenster an, streckte ihnen die Zunge heraus und winkte ihnen zu. Auch auf Phils Gesicht zeichnete sich ein Hauch eines Lächelns ab. „Los, komm, suchen wir uns einen Sitzplatz", sagte Shawn und lief vor. Es war jedoch gar nicht so einfach, einen Sitzplatz zu finden, trotz, dass die Bahn nicht sonderlich überfüllt war. Etwas weiter vorne fanden sie schließlich ein Sitzplatz. Ihnen Gegenüber von saß eine junge Frau. Sie hatte langes, braunes, glattes Haar und trug eine Brille. Phil schaute sich um. Hoffentlich kommt kein Fahrkartenkontrolleur, dachte er. „Hörst du das?", fragte sein Bruder Shawn. „Was denn?" Phil hörte nur das Rauschen der Bahn, Musik aus den Kopfhörern und das Gemurmel der Leute. „Da vorne fragt ein Mann nach den Fahrkarten", antwortete sein kleiner Bruder und zeigte nach vorne. Phil hielt kurz inne, jetzt wo er den Kontrolleur sah, hörte er es auch. So ein Mist. „Lass uns aufstehen und hoffen, dass die nächste Haltestelle eher da ist, als der Fahrkartenkontrolleur", sagte Phil und lief bis ganz vor zur vordersten Tür der U-Bahn. Sein Bruder folgte ihm. Die nächste Station war nur noch ein paar Meter entfernt. Der Kontrolleur war schon bei der jungen Frau mit der Brille und den braunen Haaren angelangt. Immer näher und näher rückte er. Phil konnte das Licht der nächsten U-Bahn-Station schon sehen, als eine tiefe raue Stimme sie um ihre Fahrkarten bat.

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