3.Kapitel

34 4 0
                                    

3.    Kapitel
Lass uns gehen, weit fort,
denn Liebe und Freiheit ist nur dort,
hinterm Felde, dem Bache entlang
und Leben in Freiheit, ohne Sorge und Bang;
ist leider nur ein gesponnener Gesang,
den Brüdern, welch Pech.

Die Brüder mussten trotz der Sommerhitze ihre Mäntel anziehen, weil bei den Quieens das Aussehen höhere Priorität hatte als die Bequemlichkeit. Kurz darauf saßen alle im Auto und fuhren zur St. Paulus Kathedrale. „Müssen wir dahin?" Ich will in keinem Chor und singen kann ich auch nicht. Das kann nur Phil.", beklagte sich Shawn. Das stimmte, denn Shawn hatte im Vergleich zu Phil noch keine richtige Sauberkeit in seiner Stimme.
„Dann wirst du es eben lernen. Nachdem du erst mal drin bist, wird es dir bestimmt sehr gefallen. Nun will ich aber nichts mehr hören und dass ihr mir ja keine Schande dort bereitet, benehmt euch.", sagte Mrs. Quien mit erhabenen Zeigefinger. Nach zehn Minuten erreichten sie ihr Ziel. Die Kathedrale lag ziemlich am Stadtrand. Ein riesiges Feld erstreckte sich dahinter. Der hintere Teil des Kirchenschiffes, war umgeben von einem Baugerüst. Phil schätzte, dass sie wahrscheinlich an der Stelle renoviert wurde.
Sie traten ein. Sonnenstrahlen fielen durch die riesigen bunten Kirchenfenster. Vor dem Altar stand ein gewaltiger Chor mit über hundert Mitgliedern im Alter von fünf bis achtzehn Jahren. Hinter dem Altar, befand sich genauso ein Baugerüst wie draußen. „Nein!", schrie der Leiter, „in Takt 63 geht es hoch zum C, danach springen wir in die Coda. Bitte noch einmal..." „Guten Tag", rief Mr. Quieen durch den Mittelgang vor zum Altar. Sofort drehte sich der Leiter um. Er hatte schwarze Locken und trug ein weißes Hemd über einer schwarzen Hose. „Ah, da sind ja unsere zwei Nachwuchstalente, willkommen, willkommen!", begrüßte uns der Chorleiter, „Ich bin Mr. Lothar, bitte kommt nach vorne. Und ihr zwei Knaben könnt schon mal überlegen, was ihr mir gleich vorsingen wollt, damit ich weiß, zu welcher Stimme ihr gehört." Mr. und Mrs. Quieen setzten sich auf eine der Bänke, die zwei Brüder gingen vor zum Chor. Shawn klammerte sich an Phils Arm und versuchte sich hinter seinen großen Bruder zu verstecken. Vorne angekommen sollten sie sich vorstellen. Da Shawn nichts sagte, übernahm das Phil: „Mein Name ist Phil, ich bin zehn Jahre alt und das ist mein kleiner Bruder Shawn, er ist sechs Jahre alt." „Schön", sagte der Leiter, „wer möchte anfangen? Es ist egal, welches Lied, es geht mir wirklich nur um eure Stimmen" Auch hier war es wieder Phil, der anfing. Er sang ein Lied, das ihnen ihr Mum früher vorgesungen hatte, es war ein Schlaflied. Er sang es so klar und sauber, dass man eine Gänsehaut bekam. „Wundervoll", sagte der Chorleiter, nachdem er geendet hatte, „und jetzt du, Shawn." Die Angst war Shawn ins Gesicht geschrieben, er klammerte sich noch fester an Phil. „Keine Angst.", ermutigte ihn der Leiter. Doch als Shawn nach fünf Minuten immer noch keinen Ton von sich gab, verlor der Leiter langsam die Geduld: „Hören wir heut noch was von dir? Selbst ein Baum würde mehr machen als du." Die anderen Chormitglieder lachten alle, außer Shawn und Phil natürlich. Tränen stiegen Shawn in die Augen und auf einmal rannte er weg. „Tut mir leid... er ist nur ein bisschen nervös.", sagte Phil, „ich geh zu ihm." Er rannte ihm hinterher: „Shawn, warte!" Shawn rannte hoch zur obersten Empore, setzte sich in die hinterste Ecke, vergrub seinen Kopf in die Arme und fing an mitweinen. „Alles wird gut, Shawn, ich bin hier! Beruhige dich.", Phil legte seinen Arm um seinen kleinen Bruder. „Ich will hier weg, Phil. Ganz weit weg! Ich will frei sein, ich will zu einer Familie, die mich lieb hat und die ich lieb haben kann, bei der ich mich geborgen fühle und die mich nicht zwingt, etwas gegen meinen Willen zu tun."
„Ich auch, Shawn, ich auch."
„Siehst du den Bach hinter dem Feld? Dahinter liegt die Freiheit, Phil, die Freiheit. Keiner der einem etwas verbietet oder einen zu irgendetwas zwingt, und wahrscheinlich würden wir mehr Liebe erfahren, als die Quieens uns jemals entgegenbringen könnten.", sagte Shawn und zeigte auf ein kleines rundes Fenster. „Wir würden nicht überleben, Shawn. Das sind Träume, nur Träume, Träume der Freiheit. Aber wir leben nun mal in keiner Traumwelt, sondern in der Realität und du hast gesehen was aus unseren letzten Fluchtversuch geworden ist. Und wenn wir achtzehn sind, dann sind wir eh frei und können endlich eigene Wege gehen."
„Solang kann ich aber nicht warten, Phil. Solang halte ich das nicht aus."
„Wir werden das durchstehen, Shawn. Zusammen, das verspreche ich!"

Träume der Freiheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt