ALS MIR DER SEE ZUFLÜSTERTE

"Kannst du dich noch erinnern, als du vor geraumer Zeit beinahe jeden Tag in meinem Wasser gewandert bist?" flüsterte mir der See zu, während ich mich in seinem Wasser gebadet habe. Der See, unten im breiten Tal von Tragöß war für mich ein Ort der Ruhe und der Gelassenheit. Selbst dann, wenn es einen dieser trägen Tage gab, haben mich meine Beine mit Vergnügen zum See getragen. "O, du wunderschönes Gewässer, du Gewalt, du Kraft, an diese Zeit erinnere ich mich noch als wäre es erst gestern gewesen." hauchte ich dann dem See zurück. Unten am See, da habe ich die wunderschönsten Morgen erlebt. Farben, die man sich nur in seinen Träumen vorstellen kann, haben sich dann am kristallklaren Wasser gespiegelt und hier und da, wo sich der Nebel aufgebauscht hat, haben sich unglaubliche Formen gebildet. Stille, kein einziger Ton lag in der Luft, sondern erst als die Sonne mit ihren ersten Strahlen den See geküsst hat, sind die Vögel aufgewacht. Ein wunderschöner Gesang, den ich liebend gerne gehört habe, hat dann den Weg in meine Ohren gefunden.

"Sag, kannst du mir die Zukunft sagen, atemberaubender See?" zischelte ich an die Oberfläche des Wassers. "Die Zukunft ist mir unbekannt, Menschenkind, aber ich weiß, dass nur du selbst sie beeinflussen kannst. Mit deinen Taten wirst du Großes erreichen und noch Größeres verlieren." hallte es in einem sanften und ruhigen Rauschen zurück. Und im selben Augenblick als mir das Gewässer zurückgeflüstert hat, konnte ich spüren, dass es langsam aber sicher wärmer wurde. "O, Menschenkind, Kindlein der Natur, ich weiß was dich bedrückt. Komm, tauche in meinem reinigenden Wasser unter." hörte ich, während Andere vermutlich nur ein leises Rauschen wahrgenommen hätten. Ich weiß nicht warum, aber dieses ruhige aber wunderschöne Gewässer hatte mich damals in seinen Bann gezogen. Ich befreite mich von der Last meiner Kleidung und watete seelenruhig immer weiter in die blauschimmernde Schönheit hinein. Kalt war es nicht, nein, sondern warm und angenehm. Als ich dann mit meinem Haupt für ein paar Sekunden untergetaucht bin und das Singen der Vögel erloschen war, spürte ich einen Krampf in meiner Brust. Beim ruckartigen Auftauchen habe ich es dann gespürt, ein intensives Gefühl der Freude das mich nicht mehr los gelassen hat. "Du Wunder der Natur umgeben von riesigen Wäldern, ein Versprechen hast du mir gegeben und dein Versprechen hast du gehalten. Wie kann ich dir jemals dafür danken?"