FOURTY

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Tatsächlich war ich nun schon wieder den zweiten Tag an der Uni. Es war Freitag. Die Vorlesung zog sich langsam und schleppend dahin, wie es nur Vorlesungen an einem Freitag taten. Okay, vielleicht lag es auch daran, dass die Vorlesung sich BWL schimpfte und wir von acht Uhr dreißig bis sechzehn Uhr die Grundlagen der Grundlagen durchnahmen. Tatsächlich hatte ich alles schon einmal in dem Wirtschaftsunterricht gehört, sodass ich mich wirklich fragte, was ich hier tat. Und dann erinnerte ich mich an die Liste mit den Unterschriften, die der Dozent nach jeder Pause durchgehen ließ. Peinlichst genau achtete er darauf, dass auch wirklich jeder Student nur für sich selbst unterschrieb. Er wusste genau wie beliebt seine Vorlesung bei den Technikstudenten war. Das hinderte die meistens von uns aber nicht daran, die mitgebrachten Laptops aufzuklappen und „The Walking Dead" mit Untertiteln zuschauen oder irgendwelche Ballerspiele zu spielen, dessen Namen ich nicht kannte. Momentan bewunderte ich die Grafik eines dieser Spiele, während ich Thomas in der ersten Reihe über die Schulter sah. „Gleich sollte Pause sein." Murmelte Simon neben mir.

„Ich bitte darum." Erwiderte ich und ließ meinen Kopf auf die Bank vor mir fallen. „Sonst schlaf ich ein."

„So uninteressant ist das gar nicht." Meinte Simon. Er gehörte zu dem einem Zehntel aus unserem Kurs, das halbwegs zuhörte. Aber ich nahm an, dass er gar nicht anders konnte. Simon war nun einmal einfach mustergültig. Von ihm hatte ich auch erfahren, dass ich in den anderthalb Tagen, die ich nicht da war, nichts verpasst hatte. Ich hatte ein paar Notizen, die er sich gemacht hatte von seinen Skripten in meine übernommen und schon war die Sache geklärt.

„Okay, ich glaube wir machen eine Pause. Ich habe das Gefühl, dass Ihre Dynamik jede Vorlesung mehr nachlässt." Erklärte der Dozent dann noch. „Sein Ernst?" murmelte ich ungläubig. Nahezu jeden Freitag eine Doppelvorlesung BWL, während das Wochenende quasi schon an der Tür klingelte? Was erwartete er von uns? Hätten wir uns für BWL interessiert, hätten wir sicherlich ein dementsprechendes Studium gewählt.

Kaum dass endlich Pause war, stand auch schon Tyson neben mir. Tyson war einer der sechs Lykae, die am Mittwochmittag eingetroffen waren. Sie alle hatten von Logan den Befehl erhalten, für meine Sicherheit zu sorgen. Überallhin begleiteten mich „meine" Leibwächter. Das war die Bedingung dafür, dass ich in die Uni durfte. Allzu glücklich war ich darüber nicht, aber es war die einzige Möglichkeit gewesen. Tyson ging mit mir in jeden Kurs, natürlich hatten sie das vorher mit der Studiengangsleitung abgeklärt. Keine Ahnung was sie denen erzählt hatten, aber die Studiengangsleitung hatte ohne weiteres zugestimmt. Tyson war von allen Lykae der unauffälligste, da er der schmächtigste war. Wobei schmächtig definitiv das falsche Wort war. Er war nicht ganz so groß und breit gebaut, wie die anderen Lykae. Damit fügte er sich besser zwischen all die Studenten ein. Jedoch lag hier die Betonung auf besser, denn er hob sich noch immer deutlich ab. Er wirkte einfach reifer, erwachsener und irgendwie härter. Misstrauisch beäugte mein Kurs ihn, besonders, dass er mich überall hin begleitete, von den anderen Muskelprotzen, die sich, sobald ich den Raum verließ, zu uns gesellten ganz zu schweigen. Einige hatten schon nachgefragt, was das sollte, doch bisher hatte ich jeder Frage irgendwie ausweichen können und wenn nicht, hatte Tyson das geschafft. Es gab gewisse Dinge, die sie einfach nicht wissen mussten.

Mit Ty an meiner Seite verließ ich den Raum um mir kurz die Beine zu vertreten. Alex und Zacharias grinsten breit als sie uns sahen. „Na, studierst du demnächst auch?" zogen sie Tyson auf. Tyson zog eine Braue hoch, ehe er das Gesicht zu einem diabolischen Grinsen verzog. „Ich betrachtete es als Weiterbildung." Meinte er dann. Skeptisch sah ich ihn an. „Mir eröffnen sich gerade ganz neue Seiten der psychischen Folter." Führte er dann aus. Schmunzelnd verzog ich das Gesicht. „Dann solltest du vielleicht einmal in Kreativitätstechniken reingehen." Schlug ich ihm vor. „Da waren noch nicht einmal Laptops erlaubt." Erinnerte ich mich an die Vorlesung im ersten Semester. Einmal hatten wir sogar ‚Ich sehe was, was du nicht siehst...' über Whatsapp gespielt. Ich glaube, dass sagte so einiges über die Vorlesung aus.

„Jungs, ich gehe mal für kleine Mädchen." Erklärte ich und verschwand in die Toilette. Am liebsten wären sie mir auch hier hinein gefolgt, aber nachdem wir am ersten Tag eine heftige Diskussion geführt hatten, die ich für mich entschieden hatte, akzeptierten sie es stumm mit zusammengepressten Lippen und warteten vor der Tür. Immerhin befanden sich irgendwo auf dem Campus noch drei weitere Lykae, die alles vom weitem im Auge behielten. Gerade als ich mir die Hände wusch, kam Svenja herein. Ich lächelte die kräftigere, drei Jahre ältere Frau kurz an. Im ersten Semester hatten wir nebeneinander gesessen, aber jetzt hatten wir kaum noch etwas miteinander zu tun. Wir gingen uns auf Dauer gegenseitig ziemlich auf die Nerven wie wir festgestellt hatten.

Sie schenkte mir ein seltsames Lächeln und trat seitlich an mich heran. Ich trocknete meine Hände ab, während ich sie fragte: „Alles gut bei dir?" Wir plauderten trotzdem immer Mal ein bisschen, daher wusste ich auch, dass sie sich erst vor kurzem von ihrem Freund getrennt hatte und wollte wissen wie es ihr ging.

„Du sollst wissen, dass mir das wirklich leid tut, aber ich hab keine Wahl." Erklärte sie und zog dann ein Tuch aus ihrer Hosentasche. Einer ihrer Arme schlang sich um meine Taille und hielt mich fest, während ihre Hand mit dem Tuch sich meinen Gesicht gefährlich näherte. Es war mehr ein Reflex als das ich wirklich verstand, was vor sich ging. Ich duckte mich unter ihre Hand durch und rammte ihr zeitgleich meinen Arm in die Rippen. Als ich ihr zu entkommen versuchte, fiel ich über das Bein, welches sie mir stellte und landete schmerzhaft mit meinen Ellbogen und dem rechten Handgelenk auf den harten Fließen. Ein Keuchen entkam mir als ich das gefährliche Knacken vernahm. Sofort war Svenja über mir. Ich rollte mich rum. Schon wieder kam das Tuch in mein Sichtfeld. Panisch versuchte ich rückwärts zu kriechen. Das durfte nicht passieren. Ich wusste nicht wie das Chloroform, was vermutlich an dem Tuch dran war, mein Baby schaden würde oder was die Entführer mit mir machen würden. Und ich war mir sicher, dass Svenja von ihnen beauftragt wurde, von dem Lykae der Logan schaden wollte. Vielleicht war das mit den Bodyguards doch nicht so eine unvernünftige Sache, aber wo zum Teufel waren sie jetzt? „Ich bin schwanger." Rief ich aus, hoffte dass sie verstand und es sich noch einmal anders überlegen würde. Kurz hielt sie inne, sah mich einen Moment überrascht und entsetzt zugleich an, doch dann sah ich das Funkeln. Sie war fest entschlossen und nicht von ihrem Vorhaben abzubringen. Aber das war ich auch. Ich würde nicht kampflos zulassen, dass sie mein Baby schädigte oder mich irgendwohin verschleppte.

Ich trat ihr mit meinem Fuß voller Kraft gegen die Kniescheibe. Es war gemein, aber meine einzige Hoffnung. Ich wusste, dass sie erst vor ein paar Monaten an einem Knie operiert wurden war, weil sie sich beim Fußball verletzt hatte. Fragte sich nur, ob es das richtige war. Schmerzhaft schrie sie auf und sackte zusammen. „Du Miststück." Wütete sie. Wo blieben meine Bodyguards, wenn ich sie wirklich brauchte? Den Krach konnten sie nicht überhören, den wir hier veranstalteten. „Tut mir leid, aber ich werde nicht zulassen, dass du oder irgendjemand anderes, meinem Baby schadet." Erklärte ich ihr entschlossen.

Ihre Faust rammte sie als Antwort in mein Gesicht, wodurch mein Hinterkopf schmerzhaft fest auf den Boden aufkam. Verdammt schlug sie hart zu.

Stöhnend mit schmerzverzehrtem Gesicht, schwarzen Punkten vor dem Augen und dem Geschmack von Blut in meinem Mund rappelte ich mich auf und warf mich mit meinem ganzen Körpergewicht auf Svenja. Ich musste sie irgendwie überwältigen, sie würde nicht aufgeben bevor nicht eine von uns beiden bewusstlos war, begriff ich. Svenja fiel Dank des Überraschungsmoment hinten über. Das Tuch lag neben mir, geistesgegenwärtig griff ich danach und presste ihr den Lappen ins Gesicht. Ihre Hände versuchten mich herunter zu schieben und das Tuch von ihrem Gesicht zu ziehen, ihre Nägel Kratzen schmerzhaft fest über meine Arme, doch kurz danach erschlaffte sie. Kaputt, zerschlagen und mit Punkten vor den Augen ließ ich mich neben ihr auf den Boden fallen. Nur einen Moment wollte ich mich ausruhen bis die Punkte verschwanden bevor ich zur Tür gehen würde. Doch das Zersplittern des Fensters ließ mich aufsehen, schützten hielt ich die Hände vor mein Gesicht als ein Scherbenregen über mir nieder ging. Als es still war, wagte ich einen vorsichtigen Blick zwischen meine Finger durch und kreischte laut auf. Niemand anderer als der Lykae aus dem Porsche stand vor mir.

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Ich weiß, dass dieser Cut mies ist und ich weiß, dass es noch gemeiner ist, euch jetzt sagen zu müssen, dass das für diese Woche das letzte Kapitel war. Ich habe Besuch aus der Heimat da und irgendwie ist schon jeder Tag durchgeplant ... also kommt das nächste Kapitel wahrscheinlich erst irgendwann nächste Woche.

Ich hoffe ihr votet und kommentiert trotzdem fleißig. :*

[02] SilvesterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt