01 ✩ High Hopes

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. Pink Floyd — High Hopes .

Jane Austen sagte einmal: Eitelkeit und Stolz sind zwei verschiedene Dinge, obwohl die Wörter oft bedeutungsgleich verwendet werden. Ein Mensch kann stolz sein, ohne eitel zu sein. Stolz hat mehr damit zu tun, was wir von uns selbst halten, und Eitelkeit mehr damit, wie wir von anderen gesehen werden wollen.

Ich wusste niemals, wieso so viele Menschen Jane Austens Bücher lasen. Klassiker, in denen eine Mischung aus Gefühlen, Zwang, Stolz und familiäre Probleme an die Oberfläche traten. Nach der Trennung meiner Eltern war ich zu meiner Mum gezogen, während mein Bruder bei meinem Dad verweilte.

Mittlerweile konnte ich mich ziemlich gut mit den Handlungen und Charakteren ihrer Bücher identifizieren.

„Elvira, beeile dich, sonst kommst du zu spät zur Schule!", brüllte Mum durch das ganze Haus, als ich gerade meine zweite Socke suchte.

Verflixt, wo steckte sie bloß? Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Es war bereits kurz vor acht Uhr, wie ich erschrocken feststellen musste, und wenn ich mich nun nicht beeilte, käme ich schon wieder zu spät zur Schule.

„Ja, Mum", rief ich zurück und zog irgendeine rechte Socke über. Dann schnappte ich meinen Rucksack, zog meine Regenjacke über und stolperte ins Vorzimmer, wo ich mir die Converse an die Füße steckte. Es war eigentlich komplett unlogisch und eine dumme Entscheidung, bei dem Regen, der draußen zu Boden platschte, Turnschuhe anzuziehen, doch in diesem Moment hatte ich keine Zeit, um darüber nachzudenken.

Heute hatte ich in der ersten Stunde Englische Geschichte, und Mr. Corks, der mich unterrichtete, mochte Zuspätkommende gar nicht. Vor allem, weil heute der erste Schultag nach den Herbstferien war, und ich sowieso an meiner Note arbeiten musste. Obwohl ich auf einem Zweier stand, wollte ich mich verbessern. Solange etwas Besseres möglich war, konnte ich ruhig schuften.

Außerdem brauchte ich Ablenkung, nachdem meine Eltern sich getrennt hatten.

„Tschüss, Mum", rief ich noch zum Abschied. Für einen Kuss auf die Wange blieb keine Zeit, denn ich war wirklich spät dran.

Zehn Minuten später übertraten meine Füße die Schwelle des Schulhauses. Ich raste die Treppen hoch und lief zum zweiten Gang im dritten Stock, wo ich nun Unterricht hatte. Meine Haare fielen mir verwirrend ins Gesicht, während sie an meinen genässten Lippen kleben blieben.

Als ich sah, dass die Türe des Klassenzimmers, in dem ich nun Unterricht hatte, bereits geschlossen war, begann mein Herz zu rasen. Ich schluckte schwer, denn ich wollte nicht schon wieder zu spät kommen. Mein alter Wecker spielte in letzter Zeit wirklich verrückt, was die Sache für mich erklärlich machte, doch laut meinem Lehrer sei dies bloß eine traurige Ausrede.

Zaghaft streckte ich meinen Arm aus und klopfte nach einem kurzen Absetzen doch an die weißgestrichene Türe.

„Herein", rief der Mittdreißiger Mr. Corks von der anderen Seite des Raumes. Ängstlich vor seiner Reaktion öffnete ich langsam die Türe und trat in den Raum voller Schüler, in dem doppelt so viele Augen mich anstarrten. Diesen Augenblick hasste ich am allermeisten am Zuspätkommen. Man fühlte sich vor aller Seele bloßgestellt und konnte nichts gegen das Rotwerden unternehmen. Man fühlte sich von Dolchen durchstochen, Dolche, die eigentlich doch „nur" Blicke darstellten.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 13, 2017 ⏰

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