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Harry

Mit dem Blick in den Himmel saß ich da. Im Park, auf einer nassen Bank. Lange offen halten, konnte ich meine Augen aber nicht. Die Schneeflocken flogen gradewegs in meine Augen und das war alles andere als angenehm. Also senkte ich mein Kinn, in Gedanken immer damit beschäftigt was in den letzten Monaten aus dieser Stadt geworden war.

Die Leute sagten ständig sie wären zu gut aufgeklärt, damit so etwas nie wieder passieren konnte. Aber es passierte, direkt vor ihren Augen. Einige bekamen es mit, andere wiederum nicht. Und nicht einer versuchte auch nur etwas dagegen zu unternehmen.

Mit einem Seufzen sprangen meine Gedanken von den Fremden, schwarz gekleideten Leuten zu meiner Familie. Selbst sie waren blind. Meine Mutter war die, die mir sagte das Leben hätte für jeden eine Aufgabe, welche man nur suchen musste, um dann zu entscheiden ob es das richtige für einen selbst ist. Und wenige Monate später saß sie, gemeinsam mit meinen Geschwistern, abgeschottet in ihrem Haus, die Drecksarbeit für andere Leute erledigend. Mein Vater war der, der ständig über die einfache Manipulation des Willens der Menschen meckerte. Und wenige später war er einer der Menschen, die dem Staat in den Arsch krochen.

Zu diesem Zeitpunkt schien alles verloren. Die wahrscheinlich einzigen Leute in dieser verdammten Stadt die normal denken konnten, waren ich und Niall. Niall und ich kannten uns, seit er im Kindergarten versuchte mir mit einer Bastelschere die Haare abzuschneiden, mit der einfachen Begründung, dass er auch Locken haben wollte, ihm aber keine Wuchsen. Und für seine glatten Haare war ich seinen Genen verdammt dankbar.

Wir waren bereit etwas gegen diese manipulativen Arschlöcher zu unternehmen. Nur hatten wir weder einen Plan, noch irgendwelche Anhaltspunkte.

Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass ich auf sie treffen würde, wäre alles einfacher gewesen. Hätte ich gewusst, wo ich sie finde, wäre jedem einzelnen Qualen erspart gewesen.

Ein Blick auf meine Armbanduhr und die leeren Straßen verriet mir, dass ich zu spät war. Und das sehr. Also stand ich auf und lief Richtung Innenstadt. Weit entfernt musste sie nicht sein. Der Park grenzte praktisch an die Innenstadt.

Im Rathaus angekommen, betrat ich diesen gottverdammten Hörsaal. Auch, wenn ich nicht dazu bereit war, bei dieser ganzen Sache mitzumachen, konnte ich mich vor diesen täglichen Treffen nicht drücken, schließlich hatte ich nicht vor, im Gefängnis zu landen.

"Hey", brummte ich zu Niall, neben den ich mich gestellt hatte. Zum Glück waren wir fast gleich groß, sodass wir, wenn alle Sitzplätze belegt waren, nebeneinander stehen konnten.

"Du bist zu spät", grinste er mich von der Seite an. Und für dieses Grinsen liebte ich Niall. Er kannte den Ernst der Lage, war aber trotzdem der best gelaunteste Mensch weit und breit.

Mit einem lauten "Sh" von einem der Wächter verschwand auch Niall's Grinsen und wir beide sahen nach vorn.

Lange über das grelle weiß der Wände, Vorhänge und des gesamten Mobiliar nachdenken konnte ich nicht. Denn dann gingen die Vorhänge auf und man sah ihn. Wäre es gestattet gewesen auch nur irgendeinen Ton von sich zu geben, ich schwöre bei Gott, würden diese Treffen einem Konzert von Justin Bieber gleichen.

Jonathan O'Donnell. Der Teufel höchstpersönlich. Er hat unsere Stadt in dieses Chaos geritten und allem Anschein nach finden es die meisten sogar gut. Durch ihn als Bürgermeister dieser Kleinstadt veränderte sich einiges. Frauen war es inoffiziell verboten zu arbeiten, während Männer es mussten. Kindern, Jugendlichen und Studenten wurden in den Schulen und Unis beigebracht, nicht mehr ihre eigene Meinung zu vertreten, sondern dem zuzustimmen, was ihnen gesagt wird, im Akkord zu arbeiten, selbst wenn ihre Finger bluteten.

Was genau er vorhatte, wusste ich noch nicht, aber ich hatte schon eine Ahnung. Und die wurde mir wenige Minuten später bestätigt.

"Ich weiß, dass es für jeden einzelnen von euch schwer ist, diese Stadt zu verlassen, zu mal sie endlich zu eurer Heimat geworden ist. Aber findet ihr es nicht auch schade, dass nur wir uns dieser Gemeinschaft zugehörig fühlen?" Er wartete einige Sekunden ab, wohl wissend, dass alle schweigen werden. Als hätte er eine Bestätigung bekommen, fuhr er fort.

"Ich bitte euch aufrichtig darum - packt eure Sachen und verlasst diese Stadt. Verteilt euch auf der ganzen Welt und tut was ihr tun müsst, um Leute für uns zu gewinnen! Zeigt den Leuten, dass es egal ist, welche Hautfarbe und welche Herkunft man hat! Bei uns ist jeder willkommen. Selbstjustiz ist erwünscht."

Mit einem gehässigen Lächeln und einer brüllenden Stimme lief er über die kleine Bühne. Wie sehr ich ihn dafür hasste.

Während ich zusah, wie er von Opferung für eine bessere Welt und Tod alle den, die sich gegen ihn und seine kleine Organisation wandten, bekam ich Kopfschmerzen. Dieser Scheiss musste aufhören und zwar bald.

Nach zwei Stunden voller Schönreden sadistischer Gedanken und leeren Versprechen konnten wir gehen.

Schweigend liefen Niall und ich nebeneinander. Es war zu riskant sich in der Öffentlichkeit darüber aufzuregen, was grade gepredigt und gefeiert wurde.

Mit schnellen Schritten fanden wir unser Ziel in der Bar, dessen Eigentümer kein geringerer als Louis Tomlinson war. Der Louis Tomlinson, den keiner verstand. Er kam zu jedem Treffen, trug die vorgeschriebene schwarze Kleidung, verlor aber nie ein Wort über die komplette Situation. Niemand wusste auf welcher Seite er stand, vermutlich nichtmal er selber. Aber darauf ansprechen tat ihn auch Niemand.

Nachdem Niall und ich unser Bier bekamen, setzten wir uns an einen Tisch in einer Ecke.

"Das kann nicht so weiter gehen, Harry", seufzte Niall, während ich nachdenklich das Etikett von der Bierflasche abkratzte. "Ich weiß. Aber was sollen wir tun? Zwei gegen fast zwei tausend? Wie soll das funktionieren? Wir sollten froh sein, dass es nur eine Kleinstadt ist."

Mit nachdenklichem Blick lehnte Niall sich zurück. "Wir sollten auch sowas wie eine Organisation gründen, weißt du, was ich meine? Wir planen solange wir können und dann gehts los. Flugblätter, Plakate, Internetseiten. Wir werden diese Bastarde überrollen."

Mit einem leisen lachen schaute ich auf und sah in Niall's selbstsicheres Gesicht. "Du bist weder Hans Scholl, noch übergewichtig. Also schlag dir das mal schön aus dem Kopf."

"Sei nicht so pessimistisch, Styles", brummte Niall, ehe er einen großen Schluck aus seiner Flasche nahm. "Wir müssen uns etwas besseres ausdenken. Unterirdisch planen und dann, wenn sie es am wenigsten erwarten zuschlagen und gewinnen."

Und dann drehte sie sich um. Das Mädchen, welches mit dem Rücken zu Niall saß. "Ich würde vorsichtig mit dem sein, was ihr da sagt. O'Donnell ist schlau und er wird euch schneller durchschauen, als ihr glaubt. Und dann werden wir euch überrollen." Mit einem süffisanten Lächeln beäugte sie uns. Noch bevor ich antworten konnte, ergriff Niall das Wort. "Nur weil du schwarz trägst, wirkst du nicht gefährlicher, Kleines."

Leise lachend stand sie auf, ergriff ihr Buch und ihr Notizblock. "Ihr werdet das bekommen, was ihr verdient und es wird euch schneller und härter treffen als ihr glaubt." Ihre hauchende Stimme wirkte beruhigender als sie sollte. Und dann ging sie.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 28, 2017 ⏰

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