Aus und vorbei

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Ich konnte wahrlich nicht behaupten, dass ich das hier schon einmal in meinem ganzen Leben erlebt hatte, ja ich wusste bis dato noch nicht einmal, dass ein einziges Wort ausreichen konnte, um meine Gefühle so dermaßen zu entzweien, dass ich nicht mehr wusste, wo mir der Kopf stand! Ich hatte das Gefühl, mich in Jean Grey und Dark Phoenix aufzuspalten. Ja, das klingt sehr pathetisch und das war mir auch vollkommen bewusst, doch im Moment stand ich irgendwie komplett neben mir. Wer konnte es mir denn auch verübeln?

Dabei hatte der Tag normal angefangen, wie ich fand. Mein Bruder hatte mich wieder wie jeden Morgen unsanft aus dem Bett geworfen, und das meine ich wortwörtlich, weshalb ich mein warmes Bett nicht mal verlassen musste, um ins kalte Bad zu tappen. Wie sehr er doch mitdenkt und versucht mir zu helfen war jedes Mal bewundernswert... Als ich es schließlich geschafft hatte, unten in der Küche anzukommen, war der Rest schon so gut wie fertig mit dem Frühstück gewesen und war scheinbar nur aus Solidarität sitzen geblieben oder um sich über mein Essverhalten lustig zu machen, wer wusste das schon. Ich jedoch war auf jeden Fall zu sehr damit beschäftigt gewesen, meinem Bruder alle möglichen Krankheiten an den Hals zu wünschen, sodass mir die einzige Besonderheit an diesem Morgen durch die Lappen gegangen war. Scarlett, die Freundin meines Vater, welche ich wohlgemerkt abgrundtief hasste, hatte still am Küchentisch gesessen und zur Abwechslung mal keinen Müll gelabert, den im Allgemeinen sowieso nur meinen Vater zu interessieren schien. Genau das war einer der Gründe, warum ich diese Frau so entsetzlich nervtötend fand. Ihr Dauergeschnattere ging mir so dermaßen auf den Senkel, dass es ein Wunder war, dass ich nicht schon das ein oder andere Mal ausgerastet und durch die Decke gegangen war, was schade um das schönes Haus gewesen wäre. Wer wollte schon ein menschenförmiges Loch in seiner Decke haben? An diesem Morgen hatte meine absolute Lieblingsfeindin ruhig neben meinem Vater gesessen und mein völlig übermüdetes Hirn hatte die Ruhe nur als angenehm und nicht etwa als seltsam empfunden. Auch mein Vater hatte kein Wort von sich gegeben und sich nur von uns verabschiedet.

Die allgemeine Lethargie hatte auch noch in der Schule angehalten, zumindest bei mir, denn mein Bruder war da so ziemlich das Gegenteil von mir. Als persönliche Folter hatte ich mich einer Doppelstunde Geschichte beugen müssen. Ich meine, warum mussten wir bitte wissen, welcher Kaiser im Jahre 1623 wessen Kopf gefordert hatte? Die waren doch eh schon alle tot, also wen interessierte es noch? Mich jedenfalls nicht und genau deswegen hatte ich die Stunden genutzt, um meinen wohlverdienten Schlaf nachzuholen, weil ich bis tief in die Nacht Game of Thrones gesuchtet hatte. Das fand ich wenigstens spannend, im Gegensatz zu der eintönigen Stimme, mit der mein Geschichtslehrer uns Stunde um Stunde davon überzeugte, dass er das Fach genauso zu hassen schien wie ich. Nur hätte er das im Gegensatz zu mir niemals zugegeben. Da auf einmal wieder sein Lehrerbewusstsein an die Oberfläche gelangt war, war mein Verhalten bei ihm alles andere als gut angekommen und nachdem ich mit ihm eine Diskussion über die Wichtigkeit seines Faches geführt hatte, welche damit geendet hatte, dass ich der Meinung war, dass alle Fächer gleich unwichtig waren und ich somit in jeder Stunde schlafen konnte, hatte ich meinen Kopf begleitet von den Lachern meines Freundes Jonathan und meiner Klasse wieder auf den Tisch gelegt und weitergeschlafen.

In Mathe hatte ich wenigstens noch versucht, Interesse zu zeigen, doch sobald ich entdeckt hatte, dass der herumwirbelnde Staub im Sonnenlicht viel interessanter als irgendwelche Vektoren war, war es auch mit meiner Motivation zuzuhören dahin gewesen. Wenn sie überhaupt je wirklich dagewesen war, denn meine Motivation und ich verloren uns irgendwie immer in der Schule aus den Augen. Und danach fand ich sie in letzter Zeit sehr zu meinem Leidwesen auch nicht mehr wieder. Musik wiederum war bei weitem nicht so schlimm gewesen und ich hatte erstaunlicherweise sogar mitgearbeitet, aber dieses Fach lag mir einfach und diese Toten interessierten mich wenigstens, weil man ihre Noten noch heute hatte und sie spielen konnte. Musik war etwas Besonderes für mich, nichts konnte mich so gut beruhigen wie schöne Musik. Dabei war es mir auch völlig egal, ob es sich um klassische Musik oder um ein anderes Genre handelte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 01, 2017 ⏰

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