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Die erste Niederlage dieses Tages war das Klingeln meines Weckers um Punkt 4:15 Uhr. Die Tatsache, dass es verdammt nochmal mitten in der Nacht war, war ja schon schlimm genug, aber das eigentlich Schlimme war, dass ich genau wusste, dass dies der Beginn einer vollkommen bescheuerten Zeit war.

Während ich mir ein T- Shirt und eine kurze Jeans anzog, platzte meine Mutter in mein Zimmer und strahlte mich an. Ja danke, ich freue mich auch dich ab heute zwei Wochen nicht zu sehen. Ne, jetzt mal ernsthaft, was grinst die denn so?

„Gut gelaunt?", fragte ich und versuchte möglichst nicht angespannt zu wirken.
Eine Antwort bekam ich nicht, sondern nur weiterhin ein fettes Grinsen. Okay, ich hab es wenigstens versucht. Kein Familientherapeut dieser Welt kann mir nun vorwerfen, dass ich mich nicht bemühen würde, eine gute Tochter zu sein.                                                                                                   Tja! Eins zu null für mich, Mama.

Jedenfalls musste ich meinen Koffer alleine durch den Regen zum Bus schleppen. Die Meisten verabschiedeten sich mehr oder weniger traurig von ihren Eltern, während meine Mutter im Auto saß und eine rauchte. Meine Laune besserte sich, als ich Celine und Jella sah. Wir sind beste Freundinnen, seit ich in der Klasse bin. Also seit zwei Jahren. Ja, ich habe die Klasse gewechselt. Ich wurde aus einem mir nicht verständlichen Grund aus meiner alten Klasse gemobbt und jetzt bin ich hier. Ich, Leandra Hollmann, Schülerin der 10.Klasse einer Realschule, die als Strafexpedition für den „Drogenhandel mit Beteiligung des Großteils der 10b zusätzlich zu schriftlicher Missbiligungen, zwei Wochen ihrer Sommerferien auf einem Feld des Großstadtlebens in Zelten verbringen muss". Meine größte Frage wäre, ob das überhaupt legal ist. Ich war übrigens nicht verwickelt, was nebenbei nicht heißt, dass ich nicht auch schon was mit Drogen am Hut hatte, aber das ist eine andere Geschichte. Celine und Jella sind jedenfalls meine besten Freundinnen und meine einzige Hoffnung, dass diese vierzehn Tage vielleicht doch „ganz lustig" werden könnten.

Nun ja, bevor ich überhaupt in einen meiner üblichen Tagträume versinken konnte, forderte uns Herr Ahlens auf unsere Koffer auf einem Haufen zu sammeln und uns im Bus einen Platz zu suchen. Das war relativ schnell geschehen, jeder hatte seinen üblichen kleinen Freundeskreis um sich versammelt, mehr wollte keiner von uns. Die meisten aßen jetzt schon ihre ersten Chips und Vorräte auf. Ist das normal? Ich meine es ist kurz vor fünf Uhr und die können fressen wie die Tiere! Außerdem machte schon irgendjemand seine Musikbox an, wer bekam ich nicht mit, da ich mit meiner eigenen Musik im Ohr einschlief.

Die zweite Niederlage des Tages war, dass es hier scheinbar nichts außer einer rießigen Villa und einen See gab. Empfang konnte man auch vergessen und generell machte das alles hier einen ziemlich traurigen Eindruck. Wir alle standen nun am Rande einer abgemähten und zertrampelten Wiese und Herr Ahlens fing an, die sogenannten ‚Regellisten' zu verteilen. Es war fast schon lustig all diese Irren hier versammelt zu sehen – Hand in Hand in die Scheiße reitend, die sie sich selbst eingebrockt haben. Andererseits war mir ein wenig mulmig zu Mute, die meisten konnte ich kaum einschätzen, da ich in der Schule relativ distanziert bin und kaum mit Ihnen rede. Aber es sah fast so aus, als würde ich in dieser Zeit nicht drum rumkommen mit ihnen in Kontakt zu treten. Jella und Celine sahen mich an, als würden sie grade das Gleiche denken. Alles in einem ist das Ganze hier eine lächerliche Idee. Wir drei, die nicht mal eine Tütensuppe kochen können, umgeben von drogenabhängigen Teenagern und einem seltsamen Lehrer. Zwei Wochen lang.


Die beste Strafe meines LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt