Fighter

Kapitel 2 - 60 Kilo

Ich hätte niemals behauptet, dass ich eine Esstörung hatte. Naja, okay, manchmal überlegte ich doch, ob es vielleicht nicht so ganz gesund war, was ich da trieb. Aber es war einfach so, dass ich einfach manchmal keine Lust hatte zu Essen. Oder das ich es schlicht und einfach vergaß. Und wenn ich mal ein paar Stunden nichts aß.. was machte das schon? 

Ich hatte einmal einen Bericht über Mädchen gesehen, die nix aßen und dann im Sportunterricht zusammenklappten. Sowas war mir noch niemals passiert. Vielleicht lag es an der Tatsache, dass mein Körper einfach nicht so viel Nahrung brauchte, wie der von anderen. Oder daran, dass ich eigentlich nie richtig mitmachte. Warum sollte ich auch? Sport war scheiße. 

Genau dieser Gedanke schoß mir durch den Kopf, als ich am Donnerstagvormittag vor unserem Volleyballnetz stand und darauf wartete, dass jemand aus dem Gegenteam den Ball über das Netz spielte. 

In Filmen ging das immer ganz einfach. Aufschlag, ein Kontakt, Schmetterball, der Aufprall des Balls auf der Gegnerischen Hälfte, Punkt. Sieg.  

Die Realität sah da allerdings ganz anderes aus. Tina Turner (Ja, ihr echter Name. Wenn ich sie wäre, hätte ich mir wirklich schon die Kugel gegeben.) und Melanie Tomson zeigten sich gegenseitig, was sie sich unter der Mathestunde auf die Arme gekritzelt hatten, Nelly und Lisa brachen gerade in einen unglaublichen Lachkrampf aus und der Rest der Manschaft zeigte nichtmal falsche Begeisterung.  

"Kommt schon Ladys!", versuchte uns unsere Sportlehrerin zu motivieren. "Ihr bekommt das sicher noch ein bisschen besser hin." 

Klar.., ich drehte mich zu Lisa. Dem Grinsen auf ihrem Gesicht war abzulesen, dass sie denselben Gedanken hatte wie ich 

"Das ist doch scheiße!", meinte jetzt auch Tina und stemmte ihre Hände in die Hüfte. Wie gesagt, würde ich so heißen, hätte ich mich schon umgebracht. Aber ich musste zugeben, trotz dieses Handycaps war aus ihr eine sehr selbstbewusste Person geworden. Sie war es meistens die das sagte, was andere nur dachten. "Können wir nicht ne Pause machen und lieber schauen, was die Jungs so treiben?" 

Mrs Mueller riss die Augen auf, als würde ihr der Gedanke von 16 Mädchen, die in die Sporthallenhälfte der Jungs rannten, tatsächliche Angst bereiten. 

"Wegen Vorbildfunktion und so..", sprang Nelly ein und wir anderen versuchten alle sofort, zustimmend mit dem Kopf zu nicken. 

"Naja..", begann Mrs Mueller. Weiter kam sie nicht, Tina nahm das als genug Zustimmung und lief los, schlüpfte durch die Trennwand und dann war sie auch schon weg. 

Wir anderen warteten garnicht auf weitere Befehle von unserer Lehrerin, sondern machten, dass wir hinterherkamen.  

Nelly war die erste von meinen beiden besten Freundinnen, die durch die Trennwand verschwand, dann wäre Lisa an der Reihe gewesen, aber sie ließ mir den Vortritt und hielt mir galant die Hand hin. 

"Dankeschön, ma cherie.", bedankte ich mich und stützte mich an ihrer Hand ab, dann quetschte ich mich durch den Spalt zwischen der Trennwand und Turnhallenwand und kam auf der anderen Hälfte der Halle wieder raus. Neben mir hielten sich die meisten Mädchen kichernd an den Händen oder zogen ihre T-Shirts zurecht, ich fuhr mir kurz durch meine Haare, dann schaute ich mich nach Nelly um. Sie stand bei Nick und die beiden kicherten gerade über irgendwas. Kein Wunder, eigentlich vermuteten Lisa und ich schon ewig, dass etwas zwischen den beiden lief. Aber dann hatte Nick ja Sarah gefragt, ob sie mit ihm zum Abschlussball ging..  

"Beweg deinen Arsch, Sherman." Lisa drückte mir ihre Hände an den Rücken, um mich zum weitergehen zu bewegen. Wir stellten uns zu Tina und ein paar anderen Mädchen, die dastanden und versuchten unauffällig die Jungs zu beobachteten, die wohl anscheinend gerade Hockey gespielt hatten.