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Es herrschte Finsternis in dem langen Korridor. Eine alles verschlingende, undurchdringliche Finsternis, die einen zu ersticken droht, wenn man hineingerät. Ebenso fühlte ich mich gerade - Erstickt.
Wo ich war und wie ich hierher gekommen war weiß ich nicht. Auch wo Lockwood und George stecken ist mir ein Rätsel. Wie mir erst jetzt bewusst wird, habe ich schon seit ein paar Minuten nichts mehr von ihnen gehört.
»George? Lockwood?« rief ich vorsichtig in die Dunkelheit, doch ich bekam keine Antwort.
»Wo seid ihr?« Diesmal rief ich etwas lauter. Sekunden vergingen, bis ich gedämpfte Geräusche vernahm, eine Antwort bekam ich jedoch nicht. Ich irrte völlig orientierungslos umher und versuchte verzweifelt etwas zu sehen. Ich stieß auf eine Wand und drehte mich wieder um. Plötzlich hatte ich das Gefühl nicht mehr alleine zu sein und es überlief mich ein kalter Schauer. Die Luft war schneiden kalt geworden und mein Gefühl sagte mir, dass es nicht so klug wäre, nach George und Lockwood zu rufen oder irgendetwas Anderes zu sagen. Selbst wenn ich wollte, ich war nicht in der Lage einen Ton herauszubringen oder auch nur einen Finger zu bewegen. Ich war wie festgefroren - Bewegungsunfähig, gelähmt - ein  Gefühl, welches ich nur zu gut kannte. Die Geisterstarre hatte von mir Besitz ergriffen. Ganz langsam, sodass es mir erst jetzt bewusst wurde. Ich zwang mich, die scheidend kalte Luft in gleichmäßigen Zügen einzuatmen und spannte jeden festgefrorenen, schmerzenden Muskel in meinem Körper an, um mich von der lärmenden Geisterstarre zu befreien. Kurz um, ich zwang mich dazu, am leben zu bleiben.
Langsam trat ich einen kleinen Schritt nach vorne, dann noch einen und noch einen. Die Finsternis schloss mich noch immer wie in einen Sarg ein - Meine Sinne bis zum Zerreißen angespannt. Am Ende des Korridors tauchte plötzlich ein helles, unirdisches Licht auf und blendete mich. Instinktiv tastete ich noch meinem Degen, doch ich konnte ihn nicht finden. Panik ergriff von mir Besitz.
Das Licht näherte sich stetig und nahm langsam die Gestalt einer jungen Frau in einem weißen Kleid an. Ihre schwarzen Haare reichten ihr etwa bis zur Hüfte und sie flatterte hinter ihr her wie eine Schleppe aus purer Dunkelheit. Nur noch ein paar Meter näher und wir hätten uns berühren können. Auch das Gesicht der Frau ließ langsam Einzelheiten erkennen und ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie mir bekannt, wenn nicht sogar vertraut, war.
Sie kam immer näher und jetzt konnte ich ihr Gesicht vollständig erkennen. Was ich sah verschlug mir den Atem und ließ mich erstarren.
»Mary?« hauchte ich kaum hörbar und mehr zu mir selbst. Nein, das war nicht möglich. Das konnte unmöglich  Mary sein. Erstens lebte meine Schwester in Nordengland bei meiner Mum, so wie ich, bevor ich meine Sachen gepackt hatte und nach London zu Lockwood&Co gegangen war. Und zweitens konnte sie unmöglich tot sein.
Knapp einen Meter vor mit blieb die Erscheinung vor mir stehen und es schien mir als würde sie mit dem Kopf nicken. Zweifel nagen an mir. War es möglich, dass das Mary, meine Schwester, war?
»Bist du es? Mary?« fragte ich mit brüchiger Stimme und anstatt einer Antwort schob sie sich ihre Haare ein Stück weit aus dem Gesicht und enthüllte somit eine kleine sternförmig Narbe an ihrer Schläfe. Zweifelsfrei, sie war es.
»Aber wie -?« Meine Stimme versagte noch bevor ich ausgesprochen hatte. Sie sah mich traurig an und deutete mit dem Finger auf mich, als würde die mich anklagen wollen.
Verwirrt richtete ich einen Finger auf mich selbst und sie nickte wie zur Bestätigung. Völlig verwirrt stand ich ihr gegenüber, wehrlos und allein.
»Du hättest nicht ohne mich gehen sollen!«
Ihre Stimme war so plötzlich erklingen, dass ich zusammengezuckt war und ich hatte das Gefühl, mein Kopf würde platzen.
Unfähig mich zu bewegen starrte ich den Geist meiner Schwester an.
Sie kam mir noch einen Schritt näher und zog mich in eine eisige Umarmung.
Ich schrie.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 19, 2017 ⏰

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