Kapitel 4

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»Frau Bremer, würden Sie bitte diese Unterlagen kopieren und einen Entwurf an Engel & Söhne schicken?« Frau Steinbrink, meine Chefin, legte mir einen weißen Ordner auf meinen Schreibtisch und verschwand sogleich wieder hinter ihrer Bürotür.
Es war nun meine dritte Woche hier und ich habe mich mittlerweile ganz gut eingearbeitet.  Müde nahm ich mir den Ordner vom Tisch und schleppte mich zum Kopierer. In zwei Stunden würde ich endlich Feierabend machen und mich zuhause sofort ins Bett legen. Die Arbeit hier schlauchte mich ganz schön. Das es nicht leicht werden würde, wusste ich bereits vorher. Doch die ganzen neuen Eindrücke und die Einarbeitungsphase waren ziemlich anstrengend und führten dazu, dass ich jeden Abend sehr früh schlafen ging. So hatte ich am Tag kaum noch Freizeit für mich.

Sehr geehrte Frau Engel,
hier ist der erste Entwurf der 'Flexi-Reihe'. Sollten Fragen dazu aufkommen, so bitte ich Sie, diese mir zukommen zu lassen. Ich werde sie dann an Frau Steinbrink weiterleiten.
Mit freundlichen Grüßen,
Julia Bremer
Steinbrink Marketing-Agentur

Nachdem ich die Email abgesendet habe, fuhr ich den Computer runter und ordnete meinen Schreibtisch. Engel & Söhne waren wichtige Kunden für die Firma, in der ich nun arbeitete. Steinbrink Marketing hatte einen sehr guten Ruf in Hamburg und mit den Sportschuhen 'Flexi-Reihe' zurzeit eines der größten Projekte am laufen. Fenja Steinbrink vertraute mich schon nach drei Wochen dieses Projekt an, weshalb auch immer. Ich bemühte mich sie nicht zu enttäuschen. Mit Frau Engel, der Geschäftsführerin von Engel & Söhne hielt ich nun schon seit meinem zweiten Arbeitstag engen Mailverkehr. Diese Frau durfte ziemlich mächtig sein, so wie sich hier alle aufführten, wenn sie zu einem Termin erschien. Ich persönlich habe bisher noch nicht das Vergnügen gehabt, sie persönlich kennen zu lernen. Um ehrlich zu sein, hatte ich auch kein großes Bedürfnis danach. Denn man erzählte sich, sie sei eine arrogante und tyrannische Frau, der man, wie Jana so schön sagte, nicht einmal im Dunkeln begegnen möchte. Mir war es egal, solange ich ihr nur Mails schreiben sollte.

»Julia?«, riss mich eine weiche Stimme aus meinen Gedanken. »Kommst du noch mit? Wir gehen alle noch etwas trinken.« Jana war meine Arbeitskollegin. Sie hat mich hier in den letzten Tagen eingearbeitet und mir alles genau erklärt. Jana war wirklich sehr nett und wir freundeten uns relativ schnell an. »Klar, gerne. Ich muss nur eben-.« »Für mich ein Telefonat erledigen und mir diese Dokumente ausdrucken.«, unterbrach mich Frau Steinbrink, die wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Na toll. Damit war der Abend dann wohl für mich gelaufen. Mit einem entschuldigenden Lächeln schaute ich zu Jana, die mich nur mitleidig ansah. »Tut mir Leid. Gerne ein anderes Mal.« Während Jana in ihren Feierabend verschwand, wartete ich auf eine Antwort am anderen Ende der Leitung.

»Guten Tag, Steinbrink Marketing, hier spricht Frau Bremer. Es gibt leider ein Problem mit der gewünschten Werbetafel. Sie passt leider nicht in das Budget. Ja...Ja...Verstehe...Richte ich aus, Wiederhören.«

*****

»Guten Morgen, gut geschlafen?«, begrüßte mich Jana am nächsten Morgen. »Danke, leider zu wenig. Und wie war der Abend?« »Du hast nichts verpasst. Nur einen müden Haufen, der schweigsam vor sich hin feierte.« Ich lachte. Da habe ich wirklich nichts verpasst.
Als ich mich umsah, bemerkte ich die Aufruhr in der Etage. »Was ist denn heute los?«, fragte ich mich laut und blickte mich dabei verwirrt um. »Ach, irgendwas ist wohl mit dem Engel Projekt schief gelaufen. In einer halben Stunde kommt Frau Engel persönlich zu einem kurzfristigen Termin. Es herrscht das reinste Chaos.« Ich schüttelte meinen Kopf. Was sollte denn da schief gelaufen sein? Vielleicht passte ihr der Entwurf nicht, den ich ihr abgeschickt habe. Den hatte ich doch abgeschickt oder? Erschrocken erstarrte ich. Natürlich hast du ihn abgeschickt. Vorsichtshalber war ich noch einmal einen Blick in mein Postfach und wurde bestätigt. Gott sei Dank. Das hätte mir jetzt auch noch gefehlt. So ein Fehler in meiner dritten Woche. Sofort hätte ich meine Sachen packen können.

»Dann lernst du den Teufel ja nun auch endlich mal kennen.«, stöhnte Jana hinter ihrem Computer. Teufel. War sie wirklich so schlimm? Man konnte es doch auch übertreiben. »Scheint fast so. Ich kann es kaum erwarten, mir ein Bild von ihr zu machen.«, sprach ich, jedoch mehr zu mir selbst. Jana hat es nicht gehört. Das womöglich auch gut so.

»Frau Bremer, ich hätte da einen Auftrag für Sie. Bitte fahren Sie in die Stadt und holen mir meinen grauen Hosenanzug aus der Reinigung. Ich weiß, das fällt nicht in ihren Aufgabenbereich. Jedoch wäre es wirklich sehr dringend.« Sie bat mich wirklich sehr freundlich, ihr diesen Gefallen zu tun. Wobei es mehr ein Befehl war, doch sie schenkte mir dabei ein warmes Lächeln. Fenja Steinbrink war eine äußerst freundliche Chefin. Sie war bereits Anfang fünfzig und hatte viel Erfahrung in dem Beruf.
»Natürlich, Frau Steinbrink. Soll ich gleich nach dem Termin mit Frau Engel hinfahren?«, fragte ich sie. »Nein, nein. Bitte erledigen Sie das sofort. Ich brauche ihn heute Mittag bei einem wichtigen Essen.« Und da war sie auch schon wieder verschwunden.

Essen. Was für eine tolle Idee. Mein Magen randalierte bereits. Seit über drei Wochen war ich bereits nicht mehr in diesem Cafe. Jedoch ließ mich der Gedanke an meine geheimnisvolle Fremde nicht mehr los. Obwohl ich mehr als genug beschäftigt war, begleitete sie mich ständig durch den Tag. Ich fragte mich, ob sie wohl immer noch jeden Tag dort hingehen würde. Aber warum nicht? Sie kam doch immer und auch noch zur selben Zeit. Es war nun 8:52 Uhr. Wenn ich mich beeilen würde, könnte ich nach der der Reinigung doch kurz dort anhalten und einen Kaffee trinken. Der Termin mit Frau Engel wird bestimmt etwas länger dauern und somit würde mein Fehlen doch niemand bemerken. Immerhin war der Verkehr in Hamburg zu dieser Zeit enorm. Ein Stau wäre da ja nicht undenkbar.
»Ich bin dann weg, zur Reinigung.«, warf ich Jana zu. Überrascht blickten ihre Augen über den Bildschirm. »Na nu? Also muss das Kennenlernen mit der Engel wohl doch noch warten, was?« Ihre Bemerkung war schnippisch, doch darauf ging ich nicht weiter ein. Mit einem Winken verabschiedete ich mich eilig und sprintete die Treppen hinunter. Der Fahrstuhl würde mich nur aufhalten. Also beschloss ich mich, heute mal zu laufen. Da ich mich im 16 Stockwerk befand, kam dies nicht sehr oft vor.

Draußen schlug mir die kalte Luft ins Gesicht. Es war bitter kalt und es fröstelte mich, sobald ich das Gebäude verließ. Eine schwarze Limousine parkte gerade vor dem Eingang, als heraus kam. Ob da wohl die Engel drin saß? Wen interessiert das denn jetzt? Beeil dich lieber, damit du schnell zum Cafe kommst und deine geheimnisvolle Fremde wiedersiehst. Oh ja, das war mir in dem Augenblick tausendmal wichtiger, als irgendeiner reichen Geschäftstussi beim aussteigen zuzusehen.

Die Fahrt zur Reinigung dauerte nicht lang. Da ich ein paar Abkürzungen nahm, habe ich mein Ziel nach nur 10 Minuten erreicht. Der Hosenanzug meiner Chefin hing schon bereit, sodass ich ihn gleich im Auto verstauen konnte. Zügig machte ich mich auf den Weg zum Cafe.
Als ich um 9:22 Uhr dort ankam, suchte ich erstmal nach einem Parkplatz, was um diese Zeit auch nicht gerade schwierig war, da die meisten arbeiten waren. Das hier war eher eine Wohngegend. Noch einmal betrachtete ich mich im Rückspiegel und richtete meine Frisur. Du willst gut aussehen. Wegen ihr. So ein Blödsinn. Warum sollte ich das wollen? Aufregung machte sich in mir breit.
Das gewohnte Klingeln des Türglöckchens ertönte und die Kellnerin sah mich überrascht an. »Oh, wie schön sie wiederzusehen.«, begrüßte sie mich herzlich. An meinem üblichen Tisch nahm ich Platz und sah mich verstohlen um. »Ich habe einen neuen Job, der mir leider keine Zeit mehr für mein Frühstück hier lässt.« Nachdem ich endlich saß, brachte sie mir auch schon einen Kaffee. »Der geht aufs Haus. Ich hoffe, sie kommen trotzdem bald mal wieder.« »Das würde ich sehr gern, vielen Dank.«

Dieser Kaffee rettete mir meinen Morgen. Na ja, eigentlich viel mehr die Tatsache, das ich sie gleich sehen würde. Es war bereits 9:29 Uhr und ich starrte angespannt auf die Glastür. Bis jetzt war noch nichts zu sehen. Komisch. Sie war doch sonst immer pünktlich.
Meine Gedanken kreisten nur um sie. Wieder bekam ich dieses Kribbeln im Bauch. Zum Arzt bin ich bisher noch nicht gegangen, da mir dafür die Zeit fehlte. Aber in der letzten Zeit war es auch weniger geworden. Vielleicht war es doch einfach nur eine leichte Magenverstimmung. Über so viele Wochen? Wie auch immer.
Ich wartete noch immer auf sie. Nun wurde ich nervös. Die Uhr zeigte mittlerweile 9:42 Uhr. Das konnte doch unmöglich sein. Vielleicht war ihr etwas zugestoßen? Oder sie hat sich erkältet. Womöglich hast du sie ja mit deiner Magenverstimmung angesteckt.

Nach meiner zweiten Tasse war sie immer noch nicht da. Da ich nun wirklich keine Zeit mehr hatte, machte ich mich langsam auf den Weg zurück. Es war 9:51 Uhr. Als ich nach einer herzlichen Verabschiedung mit der Kellnerin das Cafe verließ, wusste ich es. Sie wird heute nicht mehr kommen. Was war passiert?

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 19, 2017 ⏰

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Liebe zum Frühstück (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt