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Kapitel 5

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Es war bereits nach 0 Uhr und ich wälzte mich seit fast zwei Stunden unruhig in meinem Bett hin und her. Meine Gedanken hielten mich auf eine penetrante Weise davon ab, endlich in einen wohlverdienten Schlaf zu finden.

Josh und Jessica waren also Zwillinge, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Sie sahen sich überhaupt nicht ähnlich und ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass die beiden verwandt sein könnten.

Natürlich hatte ich Lina gleich nach der Schule angerufen und ihr alles berichtet. Sie war mindestens genauso überrascht über die plötzliche Offenbarung von Jessica wie ich, allerdings interpretierte sie das Verhalten von Josh auf eine Weise, die mich verwirrte.

„Das bedeutet ganz klar, dass er auf dich steht", hatte sie sofort aufgeregt behauptet, was ich jedoch kategorisch ausschloss. Nur weil jemand Interesse zeigte, musste es schließlich nicht direkt in diese Richtung gehen.

„Warum sollte er sonst einfädeln, dass seine Schwester dich mit in die Mensa schleppt? Irgendwie ist das ziemlich süß, findest du nicht?", waren weitere Argumente, mit welchen sie mich am Telefon hatte überzeugen wollen. Lina war schon immer optimistisch eingestellt gewesen und betrachtete die Dinge stets positiv, was ich von mir leider nicht behaupten konnte.

Jessica hatte mir noch in der Mensa offenbart, dass Josh tatsächlich der Drahtzieher unserer Verabredung zum Mittagessen gewesen war. Der Umstand, nicht im Vorfeld von ihr informiert worden zu sein, enttäuschte mich zugegebenermaßen ein wenig. Allerdings hatte Jessica eine spezielle Art an sich, die es mir fast unmöglich machte, ihr das Übel zu nehmen. Wir kannten uns zwar noch nicht so lange, aber irgendwie mochte ich sie bereits.

„Josh hat es nur gut gemeint und außerdem hätte ich dich auch ohne ihn angequatscht", hatte sie sich mit einem unschuldig anmutenden Augenaufschlag gerechtfertigt. Er hatte es also gut gemeint? Warum interessierte es ihn überhaupt? Warum interessierte ich ihn überhaupt?

Fragen über Fragen, aber keine Antwort in Sicht und obwohl meine Augenlider langsam schwer wurden, wollte mir Josh nicht so richtig aus dem Kopf gehen. Müde fragte ich mich, ob er seine Schwester nur auf mich angesetzt hatte, um etwas über ‚die Neue' herauszufinden oder ob ihm tatsächlich etwas daran lag, mich kennenzulernen.

****

Als ich am nächsten Morgen schließlich von dem aufdringlichen Klingeln meines Weckers aus den Träumen gerissen wurde, stellte ich fest, dass die Nacht mal wieder viel zu kurz gewesen war. Lustlos quälte ich mich aus dem Bett und war insgeheim trotzdem dankbar dafür, dass die Schule in England erst um neun Uhr begann.

Irgendwie schaffte ich es auch tatsächlich, rechtzeitig fertig zu werden und als meine Mum mich letztlich vor der Schule absetzte, wartete Jessica bereits auf dem Vorplatz neben der großen Steintreppe auf mich.

„Alles gut zwischen uns?", begrüßte sie mich und schenkte mir dabei ein unschuldiges Lächeln. Anscheinend hatte sie sich ebenfalls noch Gedanken darübergemacht, wie das ungewollte Treffen am Mensatisch auf mich gewirkt haben könnte.

„Alles gut", gab ich augenblicklich zurück, da ich nicht vorhatte, diese Kleinigkeit weiter zu thematisieren.

„Da bin ich aber wirklich erleichtert", erwiderte sie lächelnd und erst jetzt bemerkte ich, dass sie mit einem Zettel vor meiner Nase herumwedelte.

„Was ist das?", wollte ich sofort wissen und betrachtete neugierig den Flyer in ihrer Hand.

„Das ist der Flyer für die Greenwich Lake Party und du musst auf jeden Fall auch kommen! Das ist ein Muss für die Mittel- und Oberstufe, da dort Geld für den Abschlussball gesammelt wird! Die Party findet traditionell immer an dem letzten Samstag im September statt und Lehrer sind übrigens keine erwünscht", erklärte sie aufgeregt, während sie mich erwartungsvoll anschaute.

„Hört sich gut an, aber ist ja noch etwas Zeit bis dahin", erwiderte ich mit Blick auf das abgedruckte Datum. 

„Alle werden hingehen, du musst einfach kommen!", wandte sie sich erneut an mich und ihre Augen blitzten vor Aufregung. Anscheinend war diese Party wohl eine große Sache.

„Klar bin ich dabei", antwortete ich wie selbstverständlich, obwohl ich mir insgeheim überhaupt nicht sicher war, ob meine Mum es gutheißen würde. Seit der Trennung von meinem Dad war sie etwas anhänglicher geworden. Andererseits erzählte sie mir aber dauernd, wie wichtig es war, Anschluss zu finden. Da konnte sie doch eigentlich nicht Nein sagen, oder?

„Kommt dein Bruder auch?", versuchte ich möglichst beiläufig zu fragen, aber an Jessicas Reaktion bemerkte ich, dass es mir nicht wirklich gelungen war.

„Josh wird auch dort sein", antwortete sie grinsend und bevor ich etwas erwidern konnte, vernahm ich auch schon seine Stimme hinter uns.

„Habe ich da etwa gerade meinen Namen gehört?", wollte er von uns wissen, woraufhin mein Körper von einer unangenehmen Hitze erfasst wurde. Ich hoffte nur inständig darauf, dass er meine Frage nicht gehört hatte.

„Wir haben uns gerade über die Greenwich Lake Party unterhalten und ich habe Mia bloß aufgezählt, wer alles kommen wird", antwortete Jessica unschuldig.ch war wirklich dankbar darüber, dass sie mich nicht auflaufen ließ.

„Ich bin auf jeden Fall dabei und was ist mit dir?", wandte er sich nun direkt an mich und seine Anwesenheit brachte mich wieder einmal total aus dem Konzept.

„Auf jeden Fall", gab ich zurück und versuchte meine Nervosität zu verbergen. Was hatte er bloß an sich, was mich auf diese Weise anzog? Er nickte zufrieden und sein warmer Blick ruhte einen Moment auf mir, was augenblicklich dafür sorgte, dass meine Knie weich wurden.

Ein plötzlicher Aufschrei von Jessica beendete den Moment zwischen uns jedoch abrupt. Als ich zu ihr sah, bemerkte ich, wie Tom ihr von hinten die Augen zuhielt. Anscheinend hatte er sie ziemlich erschreckt.

„Komm mal runter, ich bin es doch nur", lachte Tom, während er seine Hände von Jessicas Augen löste und sich belustigt neben uns stellte. Jessica kicherte daraufhin amüsiert und boxte Tom mit gespielter Empörung gegen seine Schulter.

„Hey Mia, alles gut bei dir?", wandte sich Tom nun an mich. Ich war nicht sicher, ob er es ernst meinte oder ob er bloß wieder auf einen Scherz aus war.

„Alles bestens", gab ich zurück und versuchte, mir meine leichte Verunsicherung nicht anmerken zu lassen. Zu meiner Erleichterung folgten jedoch keine weiteren Sprüche von ihm und ich stellte fest, dass man sich sogar ganz gut mit Tom unterhalten konnte.

Als das Klingeln uns schließlich dazu aufforderte, die Klassenräume aufzusuchen, verabschiedeten wir uns voneinander und ich ertappte mich dabei, wie ich Josh heimlich hinterherschaute. Irgendwie wurde ich noch nicht so richtig schlau aus ihm, aber er hatte etwas an sich, was mich magisch anzog.

****

In der ersten Pause traf ich mich erneut mit Jessica und beschloss spontan, sie doch noch auf die Situation in der Mensa anzusprechen.

„Warum hast du mir nicht direkt zu Anfang gesagt, dass Josh dein Bruder ist?", wollte ich dann doch von ihr wissen. Allerdings ließ ich die Frage nicht wie einen Vorwurf klingen.

„Ich wollte nicht, dass du denkst, ich wäre nur wegen Josh auf dich zugekommen und außerdem wärst du sonst wahrscheinlich gar nicht mit in die Mensa gekommen", gab sie zurück und ich konnte in ihren Augen sehen, dass sie aufrichtig zu mir war.

„Okay, da hast du wahrscheinlich recht", gab ich zu und ein Gefühl von Erleichterung durchströmte meinen Körper.

„Josh ist wirklich in Ordnung und das sage ich nicht nur, weil er mein Bruder ist", ergänzte sie noch, bevor wir uns langsam in Richtung des Mathekursraums bewegten.

Als wir schließlich den Raum betraten, flammte für den Bruchteil einer Sekunde ein komisches Gefühl in mir auf. Ich hatte plötzlich das Gefühl beobachtet zu werden, aber als ich stehen blieb, um mich umzusehen, konnte ich niemanden entdecken.

Mia - Between Love and LiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt